BERLIN. (hpd) Verbände aus Deutschland trafen sich in Berlin mit Vertretern der südkoreanischen Organisation "NK Watch". Im Fokus der Diskussion stand neben dem Wunsch nach stärkerer Vernetzung der Organisationen die Lage nordkoreanischer "Gastarbeiter" im Ausland. Weiteres Thema: Wie können durch Radioprogramme Veränderungen in Nordkorea herbeigeführt werden? Die Arbeit der "Unification Media Group" in Südkorea.
Menschenrechte in Nordkorea: Netzwerktreffen in Berlin
Nur eine sehr überschaubare Zahl von Nichtregierungsorganisationen (non-governmental organizations, NGOs) in Deutschland und Europa beschäftigt sich mit der Menschenrechtslage in Nordkorea, obwohl seit der Veröffentlichung des Abschlussberichts der Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Nordkorea das unfassbare Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen bekannt ist. Umso wichtiger ist es daher, knappe Ressourcen zu bündeln.
Am 21. September 2015 trafen sich Vertreter von sieben NGOs sowie einige Aktivisten zu einem Netzwerktreffen in Berlin, neben HEKO e.V. und Saram e.V. unter anderem auch Vertreter der Transitional Justice Working Group, Amnesty International Deutschland und der Giordano-Bruno-Stiftung.
Anlass war der Berlin-Besuch zweier NK Watch-Vorstände, Herrn Ahn Myeong Chul und Herrn Rim Il, die in dieser Woche auch vor Mitgliedern des Deutschen Bundestages gesprochen haben. Herr Ahn arbeitete als Fahrer und Wärter in Lagern für politische Gefangene in Nordkorea. Als sein Vater Mitte der Neunziger eine kritische Bemerkung über die mangelhaften Lebensmittelrationen verlor und sich – seines Vergehens bewusst – daraufhin das Leben nahm, wurde seine Familie inhaftiert. Ahn gelang die Flucht über China nach Südkorea, wo er die Organisation "NK Watch" gründete. Herr Rim kam 1996 als Bauarbeiter nach Kuwait. Als er nach fünf Monaten noch immer keinen Lohn für die harte körperliche Arbeit erhalten hatte, erfuhr er von einem Vorgesetzten, dass das gesamte Geld nach Pjöngjang geschickt werde. Er selbst solle sich mit den gestellten Mahlzeiten zufriedengeben. Rim gelangte in die südkoreanische Botschaft und konnte so Richtung Seoul ausreisen.
Ein Ziel der Konferenz war es, die unterschiedlichen Informationskanäle, die sich die einzelnen NGOs in den letzten Jahren aufgebaut haben, in Zukunft gemeinsam zu nutzen. Noch immer ist es extrem schwierig und aufwändig, zuverlässige Informationen aus bzw. zum "abgeschottetsten Land der Welt" zu bekommen – für die Arbeit von NGOs sind diese jedoch unverzichtbar.
Der Schwerpunkt lag allerdings auf der Diskussion über mögliche Strategien, mit denen aus Deutschland positiv auf die Menschenrechtslage in Nordkorea sowie die Situation nordkoreanischer Flüchtlinge eingewirkt werden könnte. Die Vorschläge von Herrn Ahn und Herrn Rim rückten das Schicksal der "Gastarbeiter" aus Nordkorea in verschiedenen Ländern Afrikas, Asiens und des Nahen Ostens in den Fokus. Die meist im Baugewerbe oder der Holzwirtschaft Beschäftigen arbeiten unter sklavenähnlichen Verhältnissen, wie Herr Rim aus erster Hand berichten konnte. Seit seiner Flucht haben sich die Bedingungen nicht bedeutsam verändert. Die anwesenden NGOs haben sich nun vorgenommen, hierzu kurzfristig Strategien auszuarbeiten. Zusätzlich wurden über die Probleme, die der wachsende Tourismus nach Nordkorea mit sich bringt, wie die mögliche systemstabilisierende Wirkung durch eine relativ risikoarme Deviseneinnahmequelle, diskutiert. Es wurden Ideen ausgearbeitet, wie das öffentlichen Interesse an der Menschenrechts-Dauerkrise in Nordkorea aufrechterhalten und erhöht werden kann.
Als letzter Punkt der Tagesordnung wurde über das Internationale Menschenrechtsfilmfestival zu Nordkorea gesprochen, das in diesem Jahr zum ersten Mal in Deutschland (und damit übrigens auch zum ersten Mal in Europa!) von Saram e.V., der Cinema for Peace Foundation, NKnet und wahrscheinlich nun auch NK Watch im November ausgerichtet wird. Als Fazit wurde von Herrn Ahn geäußert, dass er sehr positiv überrascht sei, dass sich mehrere NGOs in Deutschland um die Menschenrechte in Nordkorea bemühten, und die anwesenden Organisationen beschlossen einstimmig ein solches Netzwerktreffen von nun an regelmäßig abzuhalten und in Zukunft noch enger zusammenzuarbeiten.
BBC-Service für Nordkorea? Wie wichtig alternative Informationsquellen für Nordkoreaner sind
Vor kurzem wurde berichtet, dass die BBC plant, ein Nachrichtenprogramm auf Koreanisch ins Leben zu rufen, das speziell den Nordkoreanern eine alternative Informationsquelle zur Verfügung stellen soll. Diese Pläne sind nicht neu und es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis sie wirklich in die Tat umgesetzt werden. Dabei sind alternative Quellen für Nordkoreaner sehr wichtig, denn das nordkoreanische Regime kontrolliert über die Medienlandschaft Informationen über das In- und Ausland und es gibt in dem Land praktisch keinen Zugang zum Internet. Ein Blick auf den weltweiten Pressefreiheitsindex von "Reporter ohne Grenzen" zeigt, dass Nordkorea (vor Eritrea) den vorletzten Platz belegt. Die staatlichen Medien bieten zum überwiegenden Teil Propaganda – auch Spielfilme oder Musik dienen der ideologischen Erziehung.
Zwar schwindet die Informationskontrolle zunehmend, auch hier ist – wie bei vielen anderen Veränderungen innerhalb der nordkoreanischen Gesellschaft – der Ausgangspunkt in der Hungersnot Mitte der neunziger Jahre zu sehen, in der Hunderttausende auf der Suche nach Lebensmitteln und anderen Gütern nach China geflohen sind und dort Zugang zu ausländischen Medien bekamen.
Allerdings soll sich insbesondere seit der Machtübernahme von Kim Jong Un die Lage verschärft haben. Durch erhöhte Grenzkontrollen wird versucht, den Fluss von Informationen, Personen und Gütern einzudämmen. Und kürzlich wurde ein heimlich gefilmtes Video von einem Schauprozess in Nordkorea veröffentlicht, in dem zu sehen ist, wie zwei Angeklagte zu neun Monaten "Umerziehung durch Arbeit" verurteilt werden, weil sie einen US-amerikanischen Film gesehen und kopiert hatten.
Vielen gelingt es zwar, einer Strafverfolgung durch eine Schmiergeldzahlung zu entgehen, aber es gibt auch Berichte darüber, dass Personen wegen des Konsums oder der Verbreitung südkoreanischer Medien hingerichtet wurden. Auch das Prinzip der Sippenhaft soll bei diesen Gesetzesverstößen zum Tragen kommen. Laut Radio Free Asia wurden kürzlich Menschen in der nordkoreanisch-chinesischen Grenzregion festgenommen, weil sie sich im chinesischen Fernsehen die Militärparade zum siebzigsten Jahrestages des Kriegsendes angesehen hatten. Diese Parade war laut nordkoreanischen Quellen besonders problematisch, weil sich in der Bevölkerung die Stimmung verbreite, dass dagegen die eigenen Feierlichkeiten zum siebzigjährigen Bestehen der Partei der Arbeit Koreas im kommenden Oktober lächerlich wirken würden. Außerdem war Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye neben Wladimir Putin und Xi Jinping zu sehen, während sich der nordkoreanische Gesandte Choe Ryong Hae bei einem Gruppenfoto mit einem Platz am äußersten linken Rand zufrieden geben musste. Die Anerkennung, die Park international genießt, lässt sich nicht mit der Propaganda des Nordens in Einklang bringen, die sie teils mit sehr harschen Worten als eine Marionette der USA beschreibt.
Trotz der drohenden Strafverfolgung nimmt die Zahl derjenigen, die ausländische Medien konsumieren, stetig zu. Eine Interviewstudie, die 2012 veröffentlicht wurde, kam zu dem Ergebnis, dass knapp die Hälfte der Befragten – Reisende und Flüchtlinge in China oder Südkorea – ausländische DVDs und fast ein Drittel ausländische Fernsehsender konsumiert hatten. 21 Prozent der Befragten gaben südkoreanisches Radio und 16 Prozent ausländisches Radio auf Koreanisch als wichtigste Informationsquellen an. Das nordkoreanische Regime setzt zwar Störsender ein, kann damit aber nicht flächendeckend alle Radio- oder TV-Signale abhalten. Der Besitz eines Geräts mit frei einstellbaren Sendern oder Kurzwellenempfänger sind in Nordkorea illegal – oder die Geräte werden verplombt, so dass nur die Staatssender eingestellt werden können. Über China haben jedoch immer mehr Geräte ihren Weg in nordkoreanische Haushalte gefunden. Radios können leicht über Batterien betrieben werden, wodurch man sie unabhängig von der staatlichen Stromversorgung nutzen kann. Nach neueren Zahlen hören 30 bis 40 Prozent ausländisches Radio.
Während ausländisches Fernsehen und DVDs eher zur Unterhaltung konsumiert werden, schätzen Nordkoreaner das Hören ausländischer Sender als gefährlicher ein, weil der Inhalt häufiger politischer Natur und oft regimekritisch ist. Viele Radiostationen werden von Flüchtlingen betrieben und sind auf ein nordkoreanisches Publikum zugeschnitten. 32 Prozent der Hörer gaben in der Studie von 2012 an, dass sie mit niemandem über die Inhalte sprachen, 44 Prozent tauschten sich mit Freunden oder Nachbarn und 28 Prozent mit ihren engsten Familienmitgliedern über die Inhalte aus. Diese Zahlen dürften inzwischen höher liegen, weil das gegenseitige Anschwärzen bei den Sicherheitsbehörden unwahrscheinlicher geworden ist. Kürzlich interviewte Flüchtlinge berichten, dass beispielsweise auf den Märkten ein reger Informationsaustausch stattfinde.
Die Mannigfaltigkeit an Informationen über die südkoreanische Gesellschaft durch Nachrichten-, aber auch Unterhaltungsprogramme führt dazu, dass Informationen über das Leben im Süden irgendwann nicht mehr als Propaganda, sondern als wahrhaftig wahrgenommen werden – im Gegensatz zu den Inhalten der heimischen Medien. Und schon Berichte über das alltägliche Leben in Südkorea sind sehr wirkungsvoll: Für viele Nordkoreaner ist es unvorstellbar, dass es eine konstante Strom- und Wasserversorgung gibt und man sich kaum Gedanken darüber machen muss, wie man ausreichend mit Kleidung und Lebensmitteln versorgt wird. Die nordkoreanische Propaganda wird zunehmend hinterfragt und Informationen von außen helfen, die Führer nicht als gottähnliche Gestalten wahrzunehmen. Viele Flüchtlinge berichten, dass der Medienkonsum den Wunsch in ihnen ausgelöst hat, aus der Heimat zu fliehen.
Aber auch ganz praktische Hilfe wird von den Radiostationen geliefert: Eun-kyoung Kwon, viele Jahre aktiv bei "Open Radio for North Korea", erzählte von einem Flüchtling, der sie – nun in Sicherheit in Seoul – in ihrem Büro aufsuchte, um ihr für ihre Arbeit zu danken. Er habe in Nordkorea fast täglich ihr Radioprogramm gehört. Er war Fischer und daher auf den zuverlässigen Wetterbericht aus Südkorea angewiesen, denn auf den nordkoreanischen ist vergleichsweise wenig Verlass. Er notierte sich damals eine Telefonnummer, die in den Sendungen immer wieder genannt wurde. Als er sich zur Flucht entschlossen hatte, rief er von China aus diese Nummer an und auf diesem Wege konnte der Kontakt zu einem Schleuser organisiert werden, mit dessen Hilfe er sicher nach Südkorea gelangen konnte.
Viele Flüchtlinge berichten aber auch, dass es teilweise aufgrund von Störsendern oder anderen Hindernissen schwierig war, den Programmen lauschen zu können. Es hat sich herausgestellt, dass Sender, die viele Ressourcen haben, wie etwa Radio Free Asia, in der besten Qualität empfangen werden können. Die von Flüchtlingen betriebenen Radiostationen aus Südkorea senden in der Regel über Kurzwelle aus Drittländern nach Nordkorea. Die Unification Media Group (UMG, koreanische Website), ein Zusammenschluss von Radiostationen, die nach Nordkorea senden, dem Portal "Daily NK" und dem Internetsender OTV, hat es sich zum Ziel gesetzt, mit ihrem Programm in den nächsten fünf Jahren 10 Prozent der erwachsenen nordkoreanischen Bevölkerung zu erreichen, um neben der Lieferung von Informationen auch ein Bewusstsein für Werte wie Menschenrechte, Rechtssicherheit oder Demokratie innerhalb der nordkoreanischen Gesellschaft zu schaffen. Um so viele Menschen zu erreichen, versuchen die UMG und andere Aktivisten in Südkorea durchzusetzen, dass Sendungen über Mittelwellenfunk direkt aus Südkorea gesendet werden können. Dies würde bei gleichbleibenden Kosten beispielsweise Sendezeiten verlängern und auch die Tonqualität erheblich verbessern können. Allerdings sträuben sich viele Politiker dagegen, weil sie fürchten, dass die Nord-Süd-Beziehungen darunter leiden könnten.
Als Beispiel für eine gelungene Medienarbeit nennt die UMG die Rolle der Medien bei der deutschen Wiedervereinigung. Einer der grundlegenden Unterschiede zwischen der deutschen und der koreanischen Teilung liegt darin, dass es zwischen Ost- und Westdeutschland immer einen regen Austausch gab. Neben der Möglichkeit von Besuchen gab es Briefverkehr und Telefonverbindungen. Zwischen Nord- und Südkorea gibt es sehr selten stattfindende, stark kontrollierte Familientreffen. Die Menschen in der ehemaligen DDR hatten weitestgehend Zugang zu Westmedien und die Tagesschau wurde als zuverlässige Informationsquelle für internationale Nachrichten eingeschätzt. Auch am 9. November 1989 sollen insbesondere Westmedien als Katalysator für die Ereignisse gedient haben. Da der sonstige Austausch zwischen den koreanischen Staaten auf ein Minimum reduziert ist, könnten "Südmedien" daher eine entscheidende Rolle spielen.
Der Abgeordnete Ha Tae Kyung betont, dass die südkoreanische Strategie der Wirtschaftssanktionen erfolglos war. Sie hätten auf der einen Seite nur den nordkoreanisch-chinesischen Handel gefördert und das Land ansonsten weiter isoliert. Das Regime sei dadurch nicht geschwächt worden, aber die Bevölkerung leide unter den Sanktionen. Ha wies darauf hin, dass fünf Jahre Sanktionen Nordkorea nicht bewegt haben, aber das einwöchige Senden über Lautsprecher Nordkorea an den Verhandlungstisch gebracht habe. Informationen von außen sind für das Regime hochgefährlich, weil das Informationsmonopol einen wichtigen Pfeiler zur Aufrechterhaltung des Regimes darstellt. Lee Kwang Baek, der Präsident der UMG, stellte fest, dass sich Pjöngjang auf der anderen Seite durch Radiosendungen nicht so stark provoziert fühle wie durch Lautsprecher in der DMZ. Außerdem habe das Radio eine sehr viel höhere Reichweiche, wodurch großen Teilen der Bevölkerung geholfen werden könne, vom Staat unabhängige Informationen zu erhalten und damit das Regime zu schwächen.
Kurznachrichten
Seit dem 15. August, dem 70. Jahrestag der Unabhängigkeit Koreas, ticken die Uhren in Nordkorea offiziell wieder wie im Jahr 1910. Nordkorea hat die Uhren um eine halbe Stunde zurückgestellt und damit die gemeinsame Zeitzone mit Japan und Südkorea verlassen. Die japanische Zeit wurde auf der Koreanischen Halbinsel während der Kolonialherrschaft eingeführt.
Berichte über einen Geheimdienstskandal in Südkorea in den nordkoreanischen Medien haben ihren gewünschten Effekt wohl verfehlt. Während Südkoreas "ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen" – eine mögliche Überwachung von Bürgern durch eine Hacking-Software – von der nordkoreanischen Zeitung "Rodong Sinmun" breit thematisiert wurden, finden es laut Quellen von"Daily NK" viele Nordkoreaner höchst erstaunlich, dass in den Medien Verfehlungen des südkoreanischen Geheimdienstes überhaupt thematisiert werden dürfen. Wie könne es einen Skandal wegen der Überwachung durch den Geheimdienst geben, wenn doch das Ministerium für Staatssicherheit in Nordkorea jedes Telefongespräch und jede Wohnung abhören könne, so dass sich nicht einmal Ehepaare offen unterhielten? Dass man sich über solche Praxen in anderen Ländern beschweren kann, scheint für viele Nordkoreaner Augen öffnend zu sein.