Willy-Brandt-Preis für Agnes Heller und Sarah Harrison

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Willy-Brandt-Haus, Parteizentrale der SPD in Berlin
Willy-Brandt-Haus, Parteizentrale der SPD in Berlin

BERLIN. (hpd) Der Internationale Willy-Brandt-Preis wird von der SPD jährlich an herausragende Persönlichkeiten verliehen, die sich im Sinne des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers, Friedensnobelpreisträgers und SPD-Vorsitzenden Willy Brandt in besonderer Weise für Verständigung und Frieden verdient gemacht haben.

Der Preis wurde anlässlich des 40. Jahrestags von Willy Brandts Kniefall in Warschau ins Leben gerufen. Der Jury, die dem SPD-Parteivorstand den Preisträger oder die Preisträgerin vorschlägt, sitzt Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin vor. Er hat die Aufgabe von Egon Bahr übernommen, der den Internationalen Willy-Brandt-Preis mit ins Leben gerufen hat und bis zu seinem Tod im August 2015 Vorsitzender der Jury war.

Agnes Heller
Ágnes Heller im Jahr 2015, Foto: © Arild Vågen, wikimedia, 

CC-BY-SA 4.0

Die Jury selbst nannte es "eine große Ehre", den 4. Internationalen Willy-Brandt-Preis an die ungarische Professorin und Philosophin Agnes Heller zu verleihen. Mit diesem Ehrenpreis würdigte die SPD ihren beispielgebenden Einsatz für Freiheit und Verständigung in Europa. Als überzeugte Kämpferin gegen Antisemitsmus, Rassismus und Diskriminierung stellt sie sich auch in aller Deutlichkeit gegen einen neuen Autoritarismus in ihrem eigenen Land. Die Laudatio hielt der SPD Parteivorsitzender und Vizekanzler, Sigmar Gabriel.

"Schreiben, Nachdenken, Sprechen, das ist mein Leben", sagt Agnes Heller. Mit der Ungarin erhält eine der bedeutendsten Philosophinnen des 20. und 21. Jahrhunderts den diesjährigen Preis. Sie überlebte den Faschismus und litt unter dem Stalinismus. Heute übt sie scharfe Kritik an Ungarns Regierungschef Orbán.

Agnes Heller wurde 1929 als Tochter jüdischer Eltern in Budapest geboren. Ihr Vater und zahlreiche Verwandte wurden von den Nazis in Konzentrationslagern ermordet. Mit sehr viel Glück entkamen sie und ihre Mutter dem Tod.

Nach 1945 machte sie sich während ihres Studiums als Schülerin des marxistischen Philosophen Georg Lukács einen Namen und trat in die kommunistische Partei ein. "Ich habe mich nach der Hölle des Nationalsozialismus nach Erlösung gesehnt, ganz einfach. Ich suchte Gemeinschaft und Einfachheit, also bin ich 1947 eingetreten. Ich war mir sicher, dass die Partei nur die schlechte Umsetzung einer guten Sache ist, musste aber bald darauf feststellen, dass der Parteialltag überhaupt nichts mit meinen Ideen zu tun hatte", so Heller. Während der Preisverleihung riss sie die Gäste und Zuhörer mit ihren klaren philsophischen, humanistischen Erklärungen sofort in den Bann der Philsophie.

Sonderpreis

Der Sonderpreis für besonderen politischen Mut wurde in diesem Jahr an die britische, investigative Journalistin Sarah Harrison verliehen. Sarah Harrison hat mit ihrem Engagement für WikiLeaks und speizell durch ihre journalistische Begleitung von Edward Snowden nach Moskau großen politischen Mut bewiesen. Ihr Wirken steht exemplarisch für das Streben nach Transparenz für die Regierungen und den Einsatz gegen die digitale Massenüberwachung. Die Laudatio für diese Preisträgerin hielt Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin.

Sarah Harrison
Sarah Harrison (2013), Bild: Wikipedia / Tobias Klenze / CC-BY-SA 3.0 - Eigenes Werk

Bekannt wurde Sarah Harrison durch ihr Engagement für die Enthüllungsplattform WikiLeaks und ihre Unterstützung für verschiedene Whistleblower (Enthüller, Ermittler oder Hinweisgeber). Im Sommer 2013 blieb sie an der Seite von Edward Snowden auf seiner Flucht in den Moskauer Flughafen. Die Britin unterstützte Snowden bei seinem Asylantrag in Russland. Einige Jahre zuvor arbeitete sie mit den WikiLeaks-Gründer Julian Assange zusammen. Sie half ihm auch bei seiner Flucht in die ecuadorianische Botschaft in London, in der er sich seit über drei Jahren befindet. Das Zitat “Mut ist ansteckend” stammt von ihm.

"Ihr Wirken stehe exemplarisch für das Streben nach Transparenz und den Einsatz gegen ausufernde Überwachung", begründet die SPD die Wahl. "Sarah Harrison hat mit ihrem Engagement für WikiLeaks und speziell in der Begleitung von Edward Snowden großen politischen Mut bewiesen." In Deutschland war lange über ein Asyl für Edward Snowden gestritten worden. Nach den Monaten an der Seite von Edward Snowden zogen sie nach Berlin, da sie befürchtet, bei einer Rückkehr nach Großbritannien festgenommen zu werden.

In ihrer Rede sagte sie, dass es ihr eine große Ehre sei, den Willy-Brandt-Preis für ihren politischen Mut zu erhalten. Ihr politisches Engagement steht immer mit WikiLeaks im Zusammenhang. Vorrangig gilt ihr Schutz Edward Snowden und ihrem Redakteur Julian Assange. Daran arbeiten natürlich viele andere fleißige Forscher, Journalisten, Rechtsteams sowie technische Ingenieure hinter den Kulissen. Dieser Erfolg wäre nicht allein durch sie möglich, sondern sie teilt diese hohe Auszeichnung mit ihnen Mitarbeitern. Sie bedankte sich für die viele Unterstützung der Menschen in Berlin und für die unerschütterliche Unterstützung ihrer Familie, die bei der Verleihung anwesend war und die ihr die nötige Kraft für diese journalistische Arbeit geben.

Aufgrund rechtlicher Beratungen in Bezug auf den Missbrauch des "Terrorismus-Handels" wurde Sarah Harrison angeraten, nicht zurück nach Großbritannien zukehren. Ihr Heimatland Großbritannien verwende den Begriff Gefährdung der "nationale Sicherheit" fälschlicherweise als Panikmache, um den Versuch zu rechtfertigen, die Arbeit der Journalisten und deren Rechte einzuschränken. Überall in Deutschland sieht man die Plakate und Aufkleber mit dem Aufdruck "Asyl für Snowden". Der erste parlamentarische Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zur Massenüberwachung der NSA wurde im Zuge mit den Enthüllungen von Edward Snowden ins Leben gerufen.

Sarah Harrison forderte in ihrer Rede: "Politisches Handeln zum Schutz von Herrn Assange. Politisches Handeln zum Schutz von Herrn Snowden. Politisches Handeln zum Schutz der Menschen in Deutschland durch die US-Massenüberwachung."

Wie Willy Brandt sagte: "Wir wollen mehr Demokratie wagen" – "Lasst uns mehr Demokratie wagen", fügte sie hinzu.

Die SPD zeige einen guten Schritt in die richtige Richtung und auf dem Weg von Willy Brandt. Sie steht für unsere Rechte, die Demokratie, die Sicherheit und das Recht auf Asyl ein. Willy Brandt verbrachte mehrere Jahre als politischer Flüchtling im Ausland und war auch gezwungen, seinen Namen für seine Sicherheit zu ändern. Diese heutige Auszeichnung gilt auch denjenigen, die als Flüchtling wegen ihrer politischen Arbeit gezwungen werden, ihren Namen zu ändern. Es gilt vor allem für WikiLeaks und dessen Herausgeber Julian Assange, dem – im Gegensatz zu Willy Brandt – sein Recht auf Asyl verweigert wird, und der durch eine Polizeibelagerung in den letzten drei Jahre in einer Botschaft in London gesperrt ist.

Sie hofft, dass diese hohe Auszeichnung der erste Schritt in eine proaktive und entscheidende Richtung ist, und damit ein Zeichen für den Schutz und den Kampf der "Wahrheitssager" in Deutschland gesetzt wird.

Fotos der Preisverleihung im Flickr-Konto der SPD