Interview mit Mina Ahadi

"Wir müssen den Säkularismus verteidigen!"

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Mina Ahadi in Regensburg, Foto: © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Mina Ahadi zählt zu den schärfsten Kritikerinnen und Kritikern des politischen Islams. In einem hpd-Interview äußert sie sich zu dem Attentat in Paris, islamistischen Bestrebungen und zur aktuellen Flüchtlingsdebatte.
 

hpd: Was wollten die Terroristen durch das Attentat in Paris erreichen?

Mina Ahadi: Die islamistischen Terroristen versuchen nun auch verstärkt Europa zu verunsichern. Anders als bei den Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo", stand in Paris die Zivilgesellschaft im Fadenkreuz des Terrorismus. Die größenwahnsinnige Botschaft war: "Euch alle könnte es jederzeit und überall treffen!"
 

Was sollte nun unternommen werden?

Wir dürfen nicht vergessen, dass dieses Problem schon älter und eng mit dem kapitalistischen System verbunden ist. Islamistische Bestrebungen wurden und werden tragischerweise auch von westlichen Regierungen unterstützt. Weiterhin werden Geschäfte mit despotischen Regimen gemacht. Darunter leiden seit jeher emanzipatorische und revolutionäre Kräfte, die für eine säkulare Lebensweise kämpfen. Den Blick allein auf die Religion zu richten, ist daher unzureichend. Mit dem Terrorismus haben wir ein komplexes Problem, das verschiedene Ursachen hat und auf verschiedenen Ebenen bekämpft werden muss. 

Wir müssen an einer Strategie arbeiten, die den Säkularismus im Nahen Osten und weltweit verteidigt. Das ist sehr wichtig. Den Säkularismus kann man jedoch nicht verteidigen, in dem man nur Religionskritik betreibt. Säkulare Organisationen in Europa sollten eine größere Rolle im politischen Diskurs einnehmen und sich international mit humanistischen Bewegungen solidarisch erklären und zusammenarbeiten. Sie können Probleme ansprechen und Lösungskonzepte vorschlagen, die man von Regierungen nicht erwarten kann. 

Die Regierungen müssen auf der anderen Seite – anders als momentan – kritischer und härter mit brutalen islamistischen Regimen sein. Sie müssen politische Sanktionen verhängen und es darf keine Zusammenarbeit mit ihnen geben. 
 

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem islamistischen Terrorismus und der aktuellen Flüchtlingsdebatte? 

Ich selbst bin vor dem politischen Islam geflohen und habe seit 36 Jahren nicht mehr meine Eltern gesehen. Ich weiß genau, welche Gründe hinter einer Flucht stehen können. Und ich bin sehr froh, dass ich in Deutschland die Möglichkeit erhalten habe, ein gutes Leben führen zu können.

Seit vielen Jahren werden Menschen im arabischen Raum terrorisiert. Alltäglich sind sie Gewalt ausgesetzt. Dies sollte man sich in Europa bewusst machen und politische Konsequenzen für eine menschliche Asylpolitik ziehen. Die europäische Wertegemeinschaft darf ihre humanistischen Ideale jedenfalls nicht aus den Augen verlieren. Denn das Asylrecht ist ein Menschenrecht, das nicht aufgekündigt werden darf. Nicht nur die Grenzen in den Köpfen der Menschen müssen fallen, sondern auch die EU-Außengrenzen.

Leider versuchen nun Populisten Profit aus den Terroranschlägen zu ziehen. Das ist ein großes Problem, das man nicht ignorieren darf. Wir sollten stattdessen weiterhin wehrhaft gegenüber solchen rechten Bestrebungen sein, auch wenn sie wie die AfD im bürgerlichen Gewand auftreten. 
 

Welche Rollen sollten die Islamverbände in der Integrationsdebatte spielen?

Viele Menschen aus den so genannten "islamischen Ländern", die nach Deutschland kommen, wollen mit der Religion oder islamischen Organisationen nichts mehr zu tun haben. Dennoch maßen es sich reaktionäre islamische Organisationen an, für vier Millionen Menschen sprechen zu wollen. Das ist nicht in Ordnung! Diese Verbände wollen unberechtigterweise an Einfluss gewinnen. Die Politik spielt dieses Machtspiel der Verbände mit, anstatt die einzelnen Menschen als Individuen in ihrer Unterschiedlichkeit ernst zu nehmen. Sie stärkt damit tragischerweise ein falsches Bild eines angeblichen Kollektivs, das zwar nicht existiert, aber als politisches Instrument dient. Damit sollte endlich Schluss sein.
 

Herzlichen Dank für das Gespräch.
 

Das Interview führte Florian Chefai für den hpd.