Ökonomische Plaudereien

Gewinnwarnung? Vor Gewinn muß keiner warnen

BERLIN. (hpd) Was ist Gewinn? Ganz einfach: Wenn am Ende mehr im Pott ist als am Anfang. So kann man es hören, wenn man die Frage auf das Wesentliche bezogen wissen will. So soll es auch hier sein. Die fein verästelten Erwägungen, die sich ergeben, um allen im Leben auftretenden Varianten und Sichtweisen gerecht zu werden, bleiben anderen Notizen vorbehalten. Hier soll es mit Goethe um “des Pudels Kern” [1] gehen oder mit den Ferengi um die “guten Sachen in den kleinen Schachteln” [2].

Man mag zu der Sache mit dem Pott vorsichtig nicken. Es macht auch keine Mühe, das auf eine Tabelle zu übertragen. Oben notiert man die Umsatzerlöse, darunter zieht man Zeile für Zeile die Aufwendungen ab, die dem Umsatz gegenüberstehen. Unten steht der Gewinn. So etwa. Das ist eine nützliche Sache, weil man es für verschiedene Zeiten, Standorte und Produkte machen kann. Man kann die Dinge gruppieren, vergleichen und analysieren und sofern man es nicht übertreibt, ist die Sache auch einigermaßen übersichtlich. Man erfährt, wie hoch der Gewinn ist. Aber man erfährt nicht, was der Gewinn ist - oder anders: woher er kommt.

In einer Umfrage unter Freunden trat dazu eine besondere These wiederholt auf. Danach ist der Gewinn letztlich auf das Geschick der Vertriebsleute zurückzuführen. Die Waren verursachen bei ihrer Herstellung gewisse Aufwendungen. Die Verkäufer bringen die Waren zu einem bestimmten Preis an den Kunden. Dieser Preis sollte die Aufwendungen übersteigen und dann macht man Gewinn. Also liegt es bei den Verkäufern, die den Preis mit ihrem Geschick durchsetzen. Das hat was. Auf alle Fälle hat es was romantisches: Die Arbeit der Verkäufer als exklusive Quelle des Gewinns.

Die Verkäufer als Seele des Geschäfts

Bei aller Hochachtung für die Kompetenzen guter Vertriebsleute - kann das sein? Zunächst einmal legen die Verkäufer den Preis nicht einfach so mal fest. Da gibt es, wenigstens rudimentär, einen Markt, also ein Angebot-Nachfrage-Verhältnis, in dem sich der Preis wiederfinden muß. Phantasiepreise kann man machen, aber das funktioniert nicht auf Dauer. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass der größte Teil der Geschäfte nicht zwischen Unternehmen und Privatpersonen abläuft sondern zwischen Unternehmen. Dort gibt man eher weniger auf coole Marken, griffige Werbung und starke Sprüche.

Wenn es um 100 000 Einheiten eines Bauteils für die Kraftstoffpumpe eines Autos geht, kommt es auf andere Dinge an. Damit sind wir bei einem anderen wichtigen Aspekt: Wenn die Verkäufer es durch ihr Geschick fertigbringen, Gewinn zu erzielen, systematisch und gleichsam als Normalzustand, dann bedeutet es umgekehrt, dass die Einkäufer, die ihnen gegenübertreten, mit derselben Regelmäßigkeit versagen. Sie lassen sich dazu hinreißen, den Verkäufern Gewinn zu gestatten statt den Preis weiter herunterzudrücken. Das ist recht unwahrscheinlich. Es würde bedeuten, dass auch in ein und demselben Unternehmen die Verkäufer stets tolle Arbeit machen, während die Einkäufer ihrer Aufgabe durchweg nicht ganz gerecht werden, da sie den Verkäufern anderer Unternehmen “unterliegen”. Das ist als Beschreibung eines Normalzustands in der Wirtschaft nicht plausibel. Als Erklärung für die Herkunft des Gewinns kann diese These also nicht dienen.

Leitende Angestellte als Kern des Unternehmens

Es könnte auch das Management sein. Erfahrene und weitsichtige Manager drücken die Kosten durch geeignete Maßnahmen. Das erhöht den Gewinn - so eine Variante der genannten These. Hier wird die Verantwortung für den Gewinn dem Geschick einer anderen Personengruppe zugeordnet. Wie sieht es damit aus? Wenn die Kosten gesenkt werden, bleibt gemäß der oben angedeuteten Gewinn- und Verlustrechnung am Ende mehr übrig. Aber das ist dann “Kosten senken” und nicht “Gewinn erzeugen”. Was nun?

Die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) zeigt eine Kostenstruktur. Sie zeigt keine Wertstruktur. Die Dinge werden mit ihren Preisen aufgeführt. Die Werte spielen für diese Sicht auf die Vorgänge keine Rolle. Also ist die Darstellung nicht besonders geeignet, die Entstehung des Gewinns zu zeigen, denn da kommt es auf die Werte an. Wenn ein Unternehmen Waren erzeugt, so wird aus einer Menge Material in den Händen einer Anzahl von Menschen mit geeigneter Kompetenz mit Hilfe von Maschinen und Geräten etwas neues. Dieses Neue unterscheidet sich hinsichtlich seines Wertes von den in ihm zusammengefügten Materialien. Der Wert der Ware ist größer als der Wert der in die Ware eingegangenen Dinge. Wenn der Wert größer ist, so wird (tendenziell) auch der Preis größer sein. Dabei schwankt der Preis gewöhnlich um den Wert [3]. Warum ist der Wert der Ware größer als der Wert des Materials? Weil Arbeit drinsteckt, die aus dem Material die neue Ware macht. Die entstandene Ware hat dadurch mehr Wert als die die Rohstoffe oder Teile der Sache. Mehrwert eben.

Der Angestellte bekommt Geld für seine Zeit. Die Menge des Geldes entspricht dem, was der Markt hergibt. Das Geld dient zum Leben und damit dazu, im nächsten Monat weiterarbeiten zu können. Er muß essen und wohnen usw. - unabhängig von Kompetenz und Effektivität. Die spannende Frage ist, was der Angestellte mit seiner Zeit macht, für die er bezahlt wird. Wenn er darin mehr Wert schafft als er selbst für sich in Anspruch nimmt und als Gehalt bekommt, so ist das fast wie ein Zaubertrick. Ein Beispiel: Ein Installateur erzeugt pro Stunde 60 Euro Wert, was sich auch in der Rechnung niederschlägt. Sein Stundensatz liegt bei 20 Euro. Die Differenz von 40 Euro ist der erzeugte Mehrwert (“mehr wert” als die eingesetzte Zeit).

Die Quelle des Gewinns ist also der Mehrwert, den die Menschen durch ihre Arbeit erzeugen. Das ist in der Ökonomie zwar seit mehr als 150 Jahren geläufig [4] aber im Alltag manchmal nur mit etwas Mühe zu erkennen. Das liegt auch daran, dass vielfach die Marktsituation weit entfernt von einem “fairen” Wettbewerb der Anbieter ist. Dadurch werden Preise möglich, die zuweilen nicht mehr erkennen lassen, dass sie etwas mit dem Wert zu tun haben. Aber auch Monopole kommen und gehen.


  1. J. W. v. Goethe, Faust I, Vers 1323
  2. Ferengi sind Figuren in den Startrek-Filmen. Ferengi-Erwerbsregeln: http://memory-alpha.wikia.com/wiki/Rules_of_Acquisition
  3. http://hpd.de/artikel/12609
  4. spätestens seit Adam Smith und David Ricardo  ↩