Kirchen als politische Akteure

Christlicher Lobbyismus zum Hören und Sehen

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Dr. Carsten Frerk (l) und Manfred Isemeyer (r)
Dr. Carsten Frerk (l) und Manfred Isemeyer (r)

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Aus dem Vortrag ein Zitat von Bischof Hermann Kunst zur Frage: Haben die Kirchen ein Unrechtsbewusstsein?
ein Zitat von Bischof Hermann Kunst

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Antworten auf die Frage nach Eigeninteressen der Kirchen
Antworten auf die Frage nach Eigeninteressen der Kirchen

BERLIN. (hpd) Im “Mittwochs-Salon” in Heinersdorf, nördlich des Zentrums von Berlin, waren trotz der klirrenden Kälte ein gutes Dutzend Zuhörer zusammengekommen, um auf Einladung der Zukunftswerkstatt Heinersdorf und des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg einen Vortrag zum Thema “Kirchenrepublik Deutschland” zu hören und in diesem Fall kann man auch sagen, zu sehen.

Der Vortrag hat nicht nur ein Thema (“Christlicher Lobbyismus”), sondern er sieht sich als “szenische Inszenierung” in dem Versuch ein kompliziertes Thema zu visualisieren, was im Buch ja nicht so ohne weiteres geht, in einer Power-Point-Präsentation mit Videos schon eher.
Als Einleitung und zu dem Einfluss des Lobbyismus meinte der als Referent eingeladene Carsten Frerk nicht nur “Sie können ihn nicht hören und Sie können ihn nicht sehen”, sondern auch: “Und wenn Sie es sehen, werden Sie es wahrscheinlich nicht erkennen.”

Die Zuhörer und Zuschauer erlebten ein Kaleidoskop von historischen Aspekten, inwiefern der Satz “Kleider machen Leute” funktioniert, welcher von den Weimarer Kirchenartikeln nicht in das Grundgesetz übernommen worden ist und welche gravierende Konsequenzen das für uns hat. Frerk verdeutlichte nicht nur den systematischen Einfluss christlicher Lobbyisten, sondern erfasste spielerisch mit den Zuhörern, welche wirtschaftlichen Eigeninteressen die Kirchen haben. Neben den Strukturprinzipien der Lobbyarbeit legte der Referent auch Wert auf den christlichen Alltagslobbyismus in der Form des “Briefmarken-Lobbyismus”, zeigte auch Videosequenzen über die “Rechristianisierung des politischen Lebens” in Form von Adventssingen im Bundestag und in den Landtagen, den Sternsingern im Bundeskanzleramt und, worauf Manfred Isemeyer, der den Abend moderierte, in seiner Einleitung bereits hingewiesen hatte, der Einsegnung von Regierungsgebäuden in Berlin.

Einige der Zuhörer fühlte sich in ihren Ansichten nicht nur bestätigt, sondern bestürzt über die dargestellte Massivität der kirchlichen Aktivitäten. Andere versuchten gegen die Darstellung der Kirchen als Kumpane der Nationalsozialisten ins Feld zu führen, dass es doch den Widerstand von Christen gegeben habe wie z.B. von Pastoren der Bekennenden Kirche und von Mitgliedern der “Weißen Rose”. Dem konnte der Referent auch zustimmen. Dies ändere jedoch nichts am Versagen der Kirchen gegenüber dem Nationalsozialismus so Carsten Frerk.

Ein Fazit des Abends war, dass der Vortrag viele Anregungen gegeben und Nachdenklichkeiten ausgelöst hat, das Thema weiter in den Medien zu begleiten und eventuell auch einmal die eigenen Abgeordneten im Wahlkreis zu befragen. Denn eines ist klar: Die Kirchen sind und werden Element der deutschen Gesellschaft und der Politik bleiben. Man sollte ihnen aber als politische Akteure genauso auf “die Finger schauen” wie anderen wirtschaftlichen Lobbyisten.

Als nächstes Thema wird sich der Mittwoch Salon Heinersdorf den aktuellen Entwicklungen in Polen widmen. Als fachkundiger Referent ist Andrzej Wendrychowicz, hpd-Korrespondent aus Warschau, zu Gast.