Wie Marmoset-Äffchen erwachsen werden

Baby-Sprech bei den Weißbüschel-Äffchen

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Junges Weißbüscheläffchen
Junges Weißbüscheläffchen

Nicht nur Menschen-Babys, auch die Weißbüschelaffen-Babys verfügen über eine Art "Baby-Sprech", das sich zwar anhört, als wollten sie etwas mitteilen, das aber nichts Bestimmtes bedeutet. Wachsen sie nicht mit ihren Eltern auf, bleiben sie lange in dieser Phase stecken oder mischen ihr "Baby-Babbeln" auch später noch immer wieder solchen Lauten mit gezielter Kommunikation unter.

In der Wildnis gruppieren sich mehrere Weißbüscheläffchenweibchen und -männchen um nur ein fortpflanzungsfähiges Weibchen, das dafür wie die Menschenfrauen das ganze Jahr über empfänglich ist. Es lebt in Polyandrie. In der Regel hütet der Vater die Kinder. Ein Beispiel dafür, wie verhaltensökologische Muster wie im Memory-Spiel an ganz verschiedenen Enden im Netzwerk des Lebens auftauchen können. Diese etwa eichhörnchengroßen Feuchtnasenaffen der Neuen Welt gehören zur Familie der Krallen-Äffchen und da wiederum zu den rundköpfigen Marmoset-Äffchen, denen ihrerseits eine reduzierte Backenzahnzahl gemeinsam ist.

Meist kommen Zwillinge zur Welt, sie werden von den Vätern herumgetragen und bleiben bei der Mutter nur zum Trinken. Alle anderen Lasten der Aufzucht der Nachkommen nehmen ihnen die Väter ab. Werden einmal drei Babys geboren, kann es leicht passieren, dass eines von den Eltern nicht angenommen wird.

Das mussten auch Steffen Hage und seine Doktorandin Yasemin Gültekin vom Zentrum für Investigative Neurowissenschaft in Tübingen feststellen. Der abgelehnte Nachwuchs wurde von Hand aufgezogen, und Yasemin Gültekin machte aus der Not ein Experiment. Das verwaiste Äffchen, das bis dahin keinen Kontakt mit ausgewachsenen Artgenossen gehabt hatte, wurde nach drei Monaten Flaschenaufzucht einem Zwillingspaar von anderen Eltern beigesellt und alle drei fortan zusammen weiterhin ohne erwachsene Vorbilder gehalten. Alle Lautäußerungen der drei wurden aufgezeichnet. Später wurde die Lautentwicklung eines normalen Zwillingspaares in der Obhut seiner Eltern dokumentiert. Insgesamt 14.000 Tonaufnahmen wurden gemacht.

Es zeigte sich, dass selbst das verwaiste Tier irgendwann das Zwitschern, Fiepen und Pfeifen entdeckte und seiner Bedeutung entsprechend als Lock-, Warn- oder Drohruf anzuwenden wusste. Es blieb aber zunächst einmal in seiner Entwicklung stecken und mischte später diesen gezielten Lautäußerungen noch lange sein Baby-Sprech unter, das sich durch eine größere Tonhöhe und andere Intervalle von den Lauten der Erwachsenen unterschied. Auch die beiden ihm beigesellten Zwillinge zeigten nun fortan ohne das Beisein von Erwachsenen eine verzögerte Entwicklung.

Anders als die Menschen oder viele Vögel wird die Form der Lautäußerung also nicht gelernt, aber das Vorbild der Erwachsenen spielt doch eine auslösende und anregende Rolle. Es ermöglicht offenbar, schneller die Babyphase zu überwinden und die Kindchen-Rolle abzulegen. Dabei ist es wohl förderlich, zu erleben, wie es geht. Auch Weißkopf-Äffchen machen so Vorbilder das Überleben im Urwald leichter.