Amieke Bouma, Cornelia Hildebrand und Danai Koltsida präsentieren in dem von ihnen herausgegebenen Sammelband "Left Diversity zwischen Tradition und Zukunft" Aufsätze zu linken Parteien in den europäischen Ländern. Einerseits beeindruckt der darin enthaltene hohe Informationsgehalt, andererseits fehlt es dann doch an der ursprünglich beabsichtigten vergleichenden Gesamtsicht.
Besonders große Akzeptanz finden Linksparteien bei europäischen Wahlen nicht. Zwar gehören zu den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen etwa mit dem Sozialabbau ihre Themen, gleichwohl führt dies gerade nicht zu einer ansteigenden Stimmabgabe. Dies zeigten auch die Bundestagswahlen in Deutschland, wo die Partei "Die Linke" noch nicht einmal fünf Prozent der Stimmen erhielt. Wie erklärt sich eine solche Entwicklung in der Gesamtschau und in den einzelnen Ländern? Antworten auf diese Frage will der Sammelband "Left Diversity zwischen Tradition und Zukunft. Linke Parteienprojekte in Europa und ihre Potenziale" geben. Es handelt sich dabei um ein Buchprojekt der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die bekanntlich "Die Linke" nahesteht. Daher kann auch nicht ganz verwundern, wie das Erkenntnisinteresse in den einzelnen Texten ausgerichtet ist. Neben den relevanten Basisinformationen zum jeweiligen Land und zur konkreten Partei geht es insbesondere um deren strategische Orientierung und politische Positionierung.
Die drei Herausgeberinnen, Cornelia Hildebrandt aus Deutschland, Danai Koltsida aus Griechenland und Amieke Boua aus den Niederlanden, wollten demnach ein länderübergreifendes Projekt umsetzen, wobei aber die Entwicklung eben in einzelnen Staaten im Vordergrund steht. Ihre Autoren erhielten dabei offenbar keine verbindlichen Vorgaben, unterscheiden sich die Beiträge doch bereits in der formalen Struktur stark. In der Einleitung werden zwar konkrete Fragen formuliert, doch überließ man es der Autorenautonomie, darauf mit Ausführungen einzugehen oder nicht. Es sollte etwa um die Auswirkungen einer politischen Fragmentierung, die Einstellung gegenüber den Folgen der Finanzkrise, die Reaktionen auf den neuen Rechtspopulismus oder die Relevanz des Klimawandels gehen. Gibt es dazu bei den europäischen Linksparteien entsprechende gemeinsame Trends? Das ist durchaus eine interessante Fragestellung, die aber nicht systematischer erörtert wird. Eine entsprechende vergleichende Betrachtung am Ende des Sammelbandes fehlt denn auch.
Analysegegenstand sind übrigens jeweils "linksradikale Parteien". Diese Formulierung irritiert ein wenig und bedarf der Erläuterung. Gemeint sind aus der Blickrichtung der drei Herausgeberinnen jene Parteien, die bezogen auf den Kapitalismus hin zum Sozialismus eine grundlegende Transformation anstreben. Es geht mit dieser Ausrichtung demnach nicht um linke Grüne oder linke Sozialdemokraten. Bei der allgemeinen Aussage bleibt es dann aber auch, womit eben doch ganz unterschiedliche Parteien jeweils Thema sind. Inwieweit sie zu demokratischen Auffassungen und rechtstaatlichen Regeln stehen, ist dann übrigens keine besondere Frage in den jeweiligen Texten. Mitunter konzentrieren sich die Länderstudien auch nur auf die erfolgreicheren Parteien, während etwa kommunistische Kleinparteien demgegenüber gar kein Thema sind. Mit all diesen Einschränkungen liegt gleichwohl ein interessanter Sammelband vor, welcher auch Beschreibungen zu den ansonsten kaum beachteten diesbezüglichen Entwicklungen etwa in den osteuropäischen Ländern enthält.
Indessen unterscheiden sich die Beiträge nicht nur bezüglich des genaueren Erkenntnisinteresses, sondern auch hinsichtlich der Qualität. So ist etwa der Artikel zu Großbritannien mehr als nur oberflächlich und nimmt etwa die vielen Kleinparteien nicht genauer wahr. Demgegenüber beschreibt der Artikel zu Schweden die dortige "Linkspartei" mit ihrem strukturellen Dilemma genauer. Häufig stammen die Beiträge aber auch von Autoren, welche den genannten Parteien nahestehen. Das führt nicht selten zu Auslassungen und Einseitigkeiten. Gleichwohl ist der Erkenntnisgewinn aufgrund des Informationsgehalts doch meist hoch. Erfolge sind mitunter nur kurz ein Thema. In Graz wurde die Kommunistische Partei Österreichs gerade stärkste Partei. Dies hatte etwas mit dem persönlichen Engagement der Verantwortlichen zu tun. "Helfen statt Reden" lautete die Parole. Vielleicht erklärt diese Einsicht, die aber dort noch nicht einmal eine halbe Seite füllt, warum radikale Parolen mehr Selbstbespieglung sind und weniger zu Wahlerfolgen führen.
Cornelia Hildebrandt/Danai Koltsida/Amieka Bouma (Hrsg.), Left Diversity zwischen Tradition und Zukunft. Linke Parteienprojekte in Europa und ihre Potenziale, Hamburg 2021 (VSA-Verlag), 405 S.