Der Grünen Politiker Omid Nouripour erörtert in "Was tun gegen Dschihadisten? Wie wir den Teror besiegen können" einschlägige Gegenstrategien von der aktiven Präventionsarbeit bis zu militärischen Mitteln. Vieles ist richtig und wichtig, aber auch nicht neu und systematisch, was das Buch eher als allgemeine und erste Einführung empfehlenswert macht.
Nach jedem islamistischen Anschlag stellt sich die gleiche Frage: Was können wir dagegen tun? Gestellt hat sie auch Omid Nouripour. Der im Iran geborene Bundestagsabgeordnete ist dort außen- und sicherheitspolitischer Sprecher der Fraktion von "Bündnis 90/Die Grünen". Als Antwort legt er ein ganzes Buch vor: "Was tun gegen Dschihadisten? Wie wir den Terror besiegen können". Darin will er eine "Verteidigungsstrategie" entwickeln: "Mein Ansatz stellt nicht das kurzatmige Zusammenzimmern immer neuer ‚Koalitionen der Willigen‘ für kurzfristige Interventionen dar. … Es geht um die Schaffung neuer Räume für politisches Handeln in einer unübersichtlichen Zeit" (S. 16). Dabei macht Nouripour auch auf die Wechselwirkung von dschihadistischer und fremdenfeindlicher Propaganda aufmerksam: "Eine Bewegung wie Pegida nährt sich von der Angst vor dschihadistischen Anschlägen … Die Dschihadisten … brauchen … Pegida, um jungen Muslimen auf der Suche nach Identität … zu verdeutlichen, dass die Deutschen sie niemals akzeptieren werden" (S. 18).
Die folgenden Kapitel widmen sich dann zweier Unterfragen. Zunächst geht es um "Was wollen die Dschihadisten?" Der Autor macht dabei differenziert auf die unterschiedlichen Erscheinungsformen der damit gemeinten Bewegung aufmerksam, wobei es auch um die Frage geht, inwieweit dieser etwas mit dem Islam zu tun hat. Bereits hier macht Nouripour deutlich: Zur Bekämpfung ist ein Masterplan nötig, ein solcher kann aber aufgrund der Vielfalt des Phänomens gar nicht existieren. Um die Komplexität noch mehr zu veranschaulichen findet sich danach eine Geschichte des Dschihadimus, die für den Autor 1998 beginnt und ihn diverse Gewalthandlungen von unterschiedlichen Organisationen beschreiben lässt. Dem folgt das längste Kapitel über den "Dschihadismus glokal", womit die globalen Auswirkungen von lokalen Ereignissen angesprochen werden. Dazu führt der Autor die Leser durch die Entwicklungen in den unterschiedlichsten Ländern – von Irak und Syrien über Ägypten und Libyen, Niger und Kamerun bis zu Pakistan und Indonesien.
Erst im zweiten Teil geht es ausführlicher um die Frage "Was tun gegen Dschihadisten?" Nouripour nennt dabei vier Hauptstichworte: "Vorbeugen", "Bekämpfen", "Zusammenhalten" und "Vorausschauen". Die erstgenannte Forderung bezieht sich auf Präventionsarbeit in den westlichen Ländern, gibt es doch Konzepte wie Erziehung gegen Extremismus. Mit "Bekämpfen" sind ausdrücklich auch militärische Mittel gemeint, es geht aber ebenso um eine wertgeleitete Politik. "Zusammenhalten" meint den "Dschihadismus bekämpfen – mit Bildung, Pluralität und mehr Polizei" (S. 248), ebenso durch eine neue Sicherheitsarchitektur in Deutschland und in der EU. Und "Vorausschauen" bezieht sich auf das Denken in möglichen Szenarien, die dann einer kritischen Erörterung unterzogen werden können. Das Buch endet mit einem Plan mit verschiedenen Elementen wie z.B.: "Unsere demokratischen Werte hochhalten", "Hilfe für Familien der Radikalisierten", "Korruption bekämpfen", "Mehr Muslime in den Sicherheitsapparat" oder "Weg vom Öl" (S. 284f.).
Dies ist alles richtig und wichtig, aber weder originell noch systematisch. Für Diejenigen, die sich noch nicht mit Gegenstrategien beschäftigt haben, enthält das Buch viele Anregungen. Der Autor macht auch deutlich: Es gibt kein Gesamtkonzept. Man muss auf die konkreten Ebenen schauen: Der anislamisierte Jugendliche in Deutschland stellt eine andere Herausforderung dar als eine gewalttätigte Gruppe in Syrien. Nouripour zeigt ebenfalls, dass die eine Entscheidung nicht die andere Vorgehensweise ausschließt. Präventive Praktiken ersetzen kein militärisches Vorgehen, militärisches Vorgehen ersetzt keine präventiven Praktiken. Gleichwohl bleibt es häufig bei allgemeinen Aussagen. Doch mit ein paar Sätzen über die Neugestaltung der Sicherheitsarchitektur wird allenfalls ein Problem angerissen, nicht dessen Lösung genauer erörtert. Insofern löst Nouripour die Versprechen, die er bei der Präsentation seines Ansatzes zu Beginn formuliert hat, im Laufe des Textes zumindest nicht in ausführlicher Form ein. Insofern ist das Buch eher eine erste Einführung.
Omid Nouripour, Was tun gegen Dschihadisten? Wie wir den Terror besiegen können, München 2017 (Deutscher Taschenbuch-Verlag), 304 S., ISBN 978-3-423-26155-5, 16,90 Euro
2 Kommentare
Kommentare
Kay Krause am Permanenter Link
Die Frage "Was tun wir gegen Dschihadisten?" (besser wäre vielleicht: was können wir tun gegen Dschihadisten?), ähnelt doch sehr der Frage: "Was können wir tun gegen Neo-Nazis und unverbesserliche Old-N
Bei allem Interesse an Exotischem, an Fremdartigen, bei aller Bereitschaft, mit anders denkenden Menschen friedlich zusammenleben zu wollen, ist das ein Punkt, wo die Toleranz einfach aufhören muß! Die AfD zu wählen, ist sicherlich nicht der richtige Weg, aber die einfachste Lösung des Problemes.
Da ist eine demokratisch, freiheitlich orientierte Regierung gefragt, welche die Probleme nicht aussitzt, sondern die Grenzen für Leute dieser Coleur konsequent schließt!
Wenn Ihr Probleme mit Eurem fanatischen religiösen Gedankengut habt, sehr geehrte Dschihadisten, dann macht das doch gefälligst unter Euch aus, und tötet nicht unsere Männer, Frauen und Kinder, denen Eure Religion, Euer reliös begründeter Fanatismus so fern ist wie irgendetwas!
David Z am Permanenter Link
"Wie wir den Terror besiegen können"
Terror ist eine politische/militärische Strategie. Und eine Strategie kann man nicht "besiegen". Den islamisch motivierten Terror besiegt man, indem man die dahinter stehende Ideologie besiegt. Diese Erkenntnis sollte nicht unaussprechlich sein.
"danach eine Geschichte des Dschihadimus, die für den Autor 1998"
1998? Tippfehler? Ich empfehle ein Blick in die islamische Geschichte, insb. die Phase der Ausbreitung und der Verteidigung.