Tom Mannewitz, Hermann Ruch, Tom Thieme und Thorsten Winkelmann präsentieren in ihrem Buch "Was ist politischer Extremismus? Grundlagen, Erscheinungsformen, Interventionsansätze" eine einführende Überblicksdarstellung zum Thema. Das Buch beeindruckt durch die klare Strukturierung und Systematik, manche Einschätzungen kann man kontrovers diskutieren – aber gerade das macht das Werk spannend.
Es gibt Bücher zum Islamismus, es gibt Bücher zum Linkextremismus, und es gibt Bücher zum Rechtsextremismus. Seltener sind Bücher, die alle drei Extremismusbereiche beschreiben, einschätzen und vergleichen. Zuletzt legte Steffen Kailitz 2004 ein solches Buch vor, 2018 folgten ihm Tom Mannewitz, Hermann Ruch, Tom Thieme und Thorsten Winkelmann damit nach. Ihr gemeinsames Buch trägt den Titel "Was ist politischer Extremismus? Grundlagen, Erscheinungsformen, Interventionsansätze". Die vier Autoren sind als politische Bildner oder professorale Hochschullehrer tätig. Ihnen geht es um eine Einführung und Überblicksdarstellung, wobei sie die zu bearbeitenden Inhalte systematisch aufteilten und die einzelnen Kapitel häufig auch einheitlich strukturierten. Damit hebt sich das Buch schon formal von ähnlichen Darstellungen wohltuend ab. Es geht ihnen außerdem sowohl um die theoretische Ebene wie um konkrete Erscheinungsformen, aber auch um Präventionsansätze – alles um einer Einführung ins Thema willen.
Bereits in der Einleitung wird man mit einer Vorentscheidung konfrontiert. Die Autoren plädieren für einen normativen Extremismusansatz und kritisieren dabei die dynamische Variante. Sie beschäftigen sich demnach bereits dort und dann durchgängig mit der Kritik an dem gemeinten Ansatz, der eben auch prägend für die inhaltliche Konzeption des Werkes ist. Ausführlicher geht es danach noch einmal um Begriffe und Theorien sowie die historische Entwicklung des Extremismus in Deutschland. Damit sind die Grundlagen für die folgenden Inhalte gelegt. Dem schließen sich Darstellungen zum Links- und Rechtsextremismus an, wobei Ausführungen zur Ideologie, zur Entwicklung der partei- und nichtparteiförmigen Varianten und dann gesondert zu den Gewaltpotentialen vorgenommen werden. Und dann findet auch der Islamismus besondere Beachtung. Dem folgt ein vergleichender Blick auf den Extremismus in Europa, eine Analyse zu Gegenstrategien von Prävention und Repression sowie zum Demokratieschutz in den EU-Staaten.
Wie bei vielen Einführungen, die von Experten zum Thema geschrieben wurden, stellt sich auch immer die Frage, ob sie auch als Einführung gut verständlich sind. Dies kann im Großen und Ganzen hier wohl bejaht werden, wenngleich Einsteiger sich sicherlich erst einmal in bestimmte Kontroversen erst eindenken müssen. Damit hat man es gleich zu Beginn mit der Differenzierung von einem dynamischen und normativen Extremismusverständnis zu tun. Die gute Einteilung und Strukturierung des Stoffs erleichtert aber die Lektüre der Überblicksdarstellung. Sie hat entgegen anderer Bücher zu den einzelnen Extremismen auch besondere Schwerpunkte. Gemeint ist damit hier der Blick über die Landesgrenzen hinaus, wo es um Demokratieschutz und Extremismus in Europa geht. Auch wird der Repression und Prävention ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Dies kann in einem solchen Band nur kursorisch geschehen. Aber allein schon die zehn Thesen verdienen Beachtung und Diskussion, unabhängig davon, wie man zu ihnen inhaltlich steht.
Insgesamt ist das Buch wirklich gut gelungen, gleichwohl soll hier zu Kleinigkeiten kritisches vermerkt werden. "Die Linke" wird einmal als "moderate Form des politischen Extremismus" (S. 93) angesehen, kurz danach heißt es aber wieder "Die Mehrheit ihrer Anhänger bejaht das demokratische System …" (S. 104). Ja, wie denn nun, ist man versucht zu fragen. Bei den Ausführungen zum Rechtsextremismus wird konstatiert: "Aus heutiger Sicht scheint der parteiförmige Rechtsextremismus keine Zukunft zu haben" (S. 74). Dies ist bezogen auf die NPD sicherlich so, doch wie steht es da um die AfD, die als möglicherweise rechtsextremistische Partei nicht thematisiert wird. Muss man nicht auch dort Extremismuspotentiale sehen, wenn man sie auch bei Die Linke sieht? Bei den Ausführungen zur Ideologie im Links- und Rechtsextremismus hätte man sich hier und da mehr Systematik gewünscht. Das Islamismus-Kapitel wirkt auch ein wenig wie ein Fremdkörper im Text. Aber diese Detailkritik kann nicht die große Wertschätzung für das Werk minimieren.
Tom Mannewitz/Hermann Ruch/Tom Thieme/Thorsten Winkelmann, Was ist politischer Extremismus? Grundlagen, Erscheinungsformen, Interventionsansätze, Frankfurt/M. 2018 (Wochenschau-Verlag), 253 S., 28,80 Euro
1 Kommentar
Kommentare
Kay Krause am Permanenter Link
Extremistisches Denken und folgerichtig auch Handeln entstehen immer dann, wenn auf längere Sicht eine wachsende Anzahl von Bürgern sich ausgegrenzt bzw. ungerecht behandelt fühlt!
Hier würde ich gerne drei Ausrufezeichen setzen, aber Schreien bringt ja auch nichts.