Kommentar

Beten für Donald Trumps Ohr

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Kenneth Copeland (links) betet mit Tochter und Schwiegersohn für Donald Trumps Ohr.
Ohrgebet

Fernsehprediger Kenneth Copeland hat in seinem sonntäglichen Gottesdienst gemeinsam mit seiner Tochter und seinem Schwiegersohn für einen beschleunigten Heilungsprozess des republikanischen Präsidentschaftskandidaten gebetet. Dass er das Attentat überlebte, wird von einigen religiös überhöht.

Es ist nicht das erste Mal, dass der mittlerweile 87-Jährige mit exzentrischen Aktionen für Aufsehen sorgt: Zu Beginn der Corona-Pandemie hatte Kenneth Copeland einige krude Ratschläge parat und erklärte das Virus für tot. Nun schlug sein Schwiegersohn George Pearsons in der Liveübertragung am vergangenen Sonntag vor, gemeinsam für die schnelle Genesung von Donald Trumps Ohr zu beten. Dieser entging bei einem Wahlkampfauftritt am letzten Samstag knapp einem Anschlag, dabei erlitt sein Ohr eine Schusswunde.

Die Gemeinde sollte dazu eine Hand auf ein Ohr legen. "Wir danken dir für einen beschleunigten Heilungsprozess", so Pearsons. Jesus habe schon einmal ein Ohr geheilt. "Er kann es genau jetzt mit Präsident (sic!) Trump tun. Und es wird keine Spur, nicht ein Ding geben, Gott, das überhaupt davon zeugt, dass auf ihn geschossen wurde."

Das Opfer selbst wusste den Anschlag sogleich für seinen Wahlkampf zu nutzen. Sogar in diesem Schockmoment verließ Donald Trump seine Showman-Rolle nicht. Er streckte die Faust empor, mit Blut im Gesicht posierte er für die Kameras. Und Trumps allgegenwärtiges Gespür für Bilder und Botschaften gab ihm recht: Schon ist das Bild eine Ikone, es wird auf T-Shirts gedruckt, ein Historiker spricht gegenüber dem NDR von einem "Siegeszug durch die Weltgeschichte", den das Bild antreten werde.

Trump, der Instant-Märtyrer. Gott selbst habe eine schützende Hand über den Kandidaten der Republikaner gehalten, heißt es. Das unterstreicht seine Überhöhung als Messias, die ihm manche seiner Anhänger zuweisen. Schon früh hatte Donald Trump das Lager der weißen Evangelikalen für sich zu gewinnen gewusst und stets war das religiöse Element präsent. Es geht nicht um eine Präsidentschaft, es geht um die Seele einer Nation, das Schicksal eines Landes, ums ganz große Ganze. Patriotismus kostet nichts und erfordert keine besonderen Fähigkeiten, es ist die einfache, bewährte Variante der vielen Identitäten, die heute zur Auswahl stehen. Kombiniert mit leicht verständlichen Botschaften, persönlichen Wahrheiten und dreisten Anschuldigungen vermag es dieser Selbstdarsteller, ein ganzes Land zu polarisieren und einen beträchtlichen Teil seiner Bevölkerung in nie gekannter frenetischer Art und Weise hinter sich zu versammeln.

Man will sich nicht ausmalen, wie es weitergeht, wenn dieser Mann im Herbst erneut zum mächtigsten Staatenführer der Welt gewählt werden sollte.

YouTube-Video, aus dem das Titelbild stammt.

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