Was ist dran an Reichsflugscheiben? Funktioniert Osteopathie bei Kindern? Und wie geht es Dr. Natalie Grams mit ME/CFS? Nachzulesen ist all dies und mehr in der aktuellen Ausgabe des Skeptiker – Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken.
Reichsflugscheiben und Nazi-Ufos, also angebliche überschnelle Fluggeräte aus der Nazizeit, gehören eigentlich auf den Müllhaufen der Pseudogeschichte. Es hat niemals einen deutschen Versuch gegeben, ein derartiges Fluggerät zu konstruieren oder gar zum Fliegen zu bringen, schreibt der Historiker Dr. Gerhard Wiechmann. Trotzdem kreiseln die Nazi-Tassen seit Jahrzehnten unentwegt durch Medien und Popkultur – für Wiechmann Anlass zu einer akribischen Recherche. Was er an historischen Dokumenten und Zeitungsmeldungen zutage förderte, zeichnet die Geschichte eines Medienphänomens nach, über Jahrzehnte am Leben gehalten durch selbsternannte Zeitzeugen und Sensationsjournalisten. Das Publikum goutierte den Cocktail aus nationalsozialisten Mythen um angebliche "Wunderwaffen" und dem Ufo-Boom der frühen Nachkriegszeit.
Der Mythos von den Nazi-Ufos wirkt bis in die Gegenwart nach und wird mitunter unkritisch reproduziert. Ein deutscher Modellbauhersteller vertrieb sogar eine Zeit lang Bausätze von angeblichen Flugscheiben aus der Zeit des Nationalsozialismus. Erst nach Protesten des Kinderschutzbundes und des Militärhistorischen Museums Dresden war Schluss damit.
Ein weiterer Beitrag im neuen Skeptiker widmet sich einem klassischen Thema aus der Medizin, der Osteopathie. Für viele Eltern sei diese manuelle Behandlungsform mittlerweile so selbstverständlich wie Babyschwimmen, schreibt der Kinder- und Jugendmediziner Dr. Pierre Teichmann in seinem Artikel. Sie soll bei einer Vielzahl von ganz unterschiedlichen Beschwerden helfen, etwa bei Säuglingsasymmetrien, Schlafstörungen oder "Schreibabys" und sogar bei Infektionen wie Mittelohrentzündung.
Dies trifft auf offene Ohren bei jungen Eltern, die für die Gesundheit ihres Kindes alle Möglichkeiten ausschöpfen wollen. Doch um die Evidenz der Osteopathie ist es nicht gut bestellt, wie Teichmann unter Verweis auf die Studienlage zeigt. Die Grundannahmen sind unplausibel, überzeugende Wirkungsnachweise fehlen. Zudem stehen interessierte Eltern einem Wirrwarr von Konzepten gegenüber, während Standards in der Fortbildung weitgehend fehlen. In dieser Hinsicht stimmt Pierre Teichmann dem bekannten Mediziner und Skeptiker Prof. Dr. Edzard Ernst zu, der die Osteopathie einmal als "verwirrt und verwirrend" bezeichnete.
Die Versprechungen der Kinderosteopathie, etwaige Entwicklungshindernisse früh zu erkennen und sanft zu behandeln, kommt bei vielen Eltern an, während wohl nur den wenigsten das spirituelle Gedankengebäude der Osteopathie bekannt sein wird, schreibt Teichmann. "Im besten Fall gibt Kinderosteopathie den Eltern Sicherheit. Im schlechtesten Fall werden Ängste instrumentalisiert und die Kinder pathologisiert." Es bleibt die Frage, wie die Osteopathie reagieren wird, wenn sich die Hypothesen zur Wirksamkeit weiterhin nicht bewahrheiten. Dann wird die Zeit zeigen, ob sie von ihren Überzeugungen ablassen oder weiter ihren Gefühlen folgen wird.
Während zweifelhafte Therapien immer wieder Aufmerksamkeit erlangen, werden manche Krankheitsbilder in der Öffentlichkeit und durch Behandelnde noch zu wenig beachtet. Hier sei vor allem ME/CFS genannt, eine chronische Erkrankung mit gravierenden Symptomen wie starker Erschöpfung, Schmerzen sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen, die sich unter anderem aus Long Covid entwickeln kann. Zu den Betroffenen gehört auch die Beirätin der Giordano-Bruno-Stiftung und frühere Vizepräsidentin des hpd-Trägervereins, die Ärztin Dr. Natalie Grams.
Bekannt als langjährige Aufklärerin über Homöopathie, hat sie nun ein Buch über ihre Situation veröffentlicht. Im Interview mit Skeptiker-Chefreporter Bernd Harder schildert sie das Leben "im Freeze-Modus": "Ich bin die meiste Zeit bettlägerig, pflegeabhängig, kann mich nicht mehr alleine versorgen, geschweige denn meine Kinder, und kann nicht mehr arbeiten." Dennoch wird das Krankheitsbild ME/CFS vielfach verkannt. Vielleicht, weil die Mehrzahl der Betroffenen weiblich sei, und damit die Unterstellung, sie würden sich nur ein bisschen anstellen, so leicht möglich sei, mutmaßt Grams. "Und wie bockig sich ärztliche Kolleginnen und Kollegen anstellen können, wenn man ihnen eigene Fehler näherbringt, habe ich ja schon bei der Homöopathie-Aufklärung gemerkt."
In weiteren Beiträgen gehen Bernd Harder und die Psychologin Jasmina Eifert dem Phänomen Exorzismus nach. Die Position der Amtskirche kommt darin ebenso zur Sprache wie eine neue Bewegung von Teufels- und Dämonenaustreibern, die auf YouTube und TikTok für sich wirbt.
Skeptiker 3/2024 gedruckt bestellen
Skeptiker 3/2024 als ePaper kaufen