Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche

Die systemisch vorgesehene Machtvollkommenheit ist das Problem

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Blick auf den Osnabrücker Dom
Blick auf den Osnabrücker Dom

Am Samstag nahm der Vatikan das Rücktrittsgesuch von Bischof Franz-Josef Bode an. Dem Bischof von Osnabrück waren im Zwischenbericht einer Missbrauchsstudie schwerwiegende Pflichtverletzungen attestiert worden. Ein Kommentar von Matthias Katsch von der Betroffenenorganisation Eckiger Tisch.

Es ist richtig und wichtig, dass Bischof Bode jetzt durch den Vatikan abgelöst wurde, nachdem unter anderem Betroffene ihn nach kirchlichem Recht angezeigt hatten. Besser wäre es gewesen, er hätte gleich nach Vorlage der Studie der Universität Osnabrück im vergangenen Herbst die Verantwortung übernommen dafür, wie er mit Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs durch seine Priester in der Vergangenheit umgegangen ist.

Man wünschte sich von Bischof Bode wie von anderen Bischöfen die Einsicht, dass sie sich, nachdem ein Gutachten ihnen Versagen vorgeworfen hat, nicht einfach entschuldigen können, um dann weiterzumachen, nach dem Motto: ich war Teil dieses Missbrauchssystems und habe Täter geschützt, aber weil ich das System so gut von innen kenne, bin ich auch der geeignete Mann, um es zu verändern.

Auch wenn das Ergebnis ein richtiger Schritt ist: das ganze Verfahren ist absolut intransparent.

Unklar bleibt, ob damit zum ersten Mal in Deutschland das päpstliche Gesetz "Vos estis Lux mundi"1 auch angewandt worden ist.

Nach welchen Kriterien ist jetzt entschieden worden, dass dieser "Rücktritt" angenommen wurde, andere aber abgelehnt wurden, wie im Falle des Erzbischofs von Hamburg Stefan Heße und der zwei Kölner Weihbischöfe? Und wie lange soll die Hängepartie im Fall Woelki noch gehen? Hat etwa die Tatsache, dass da ein kirchenpolitisch liberaler Bischof zurücktreten will, den Prozess in Rom beschleunigt?

Der Fall Bode zeigt jedenfalls klar: Liberale Bischöfe haben Täter geschützt und Missbrauch vertuscht, ebenso wie konservative Bischöfe dies getan haben – hier kommt es nicht auf die kirchenpolitische Position eines Bischofs an. Dies zeigen die Beispiele aus aller Welt. Die systemisch vorgesehene Machtvollkommenheit des Bischofs ist das Problem, nicht die persönliche Haltung des Amtsträgers. Mangelnde Transparenz, fehlende Kontrollmechanismen, falsche Solidarität mit den Tätern – all das hat nicht wenig mit der Haltung in gesellschaftspolitischen oder theologischen Streitfragen zu tun.

Das beste Beispiel für dieses Missverständnis ist im übrigen Papst Franziskus selbst, dessen persönliches Verhalten zwar auf menschlicher Ebene bewegt. Zugleich hat er doktrinär allenfalls Fußnoten verändert und zeigt sich immer wieder als machtpolitisch versierter Amtsträger.

Leider war auch die Kritik aus dem Reformlager an Bode ausnehmend verhalten, wenn man das etwa vergleicht mit der (berechtigten) Kritik an Kardinal Rainer Maria Woelki. Offenbar war die Hoffnung auf Fortschritte beim Synodalen Weg wichtiger als Solidarität mit den Betroffenen.

Das Problem, das sich jetzt aber dringender denn je stellt, ist die Frage: Selbst wenn alle Bischöfe, die versagt haben, zurücktreten: Wie kommen dann unbelastete Bischöfe ins Amt, die glaubwürdig den Bruch mit der dunklen Vergangenheit vollziehen können? Werden die Laien endlich beteiligt? Und erklärt sich ein potenzieller Kandidat im Vorfeld einer Wahl bereit, darüber Auskunft zu geben, wie er sich selbst in Fällen von sexueller Gewalt durch Mitbrüder verhalten hat?


1Anmerkung der Redaktion: Dabei handelt es sich um eine aktualisierte Fassung der "Normen zur Verhütung und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und schutzbedürftigen Erwachsenen". Diese wurde am vergangenen Samstag, dem Tag der Rücktrittsannahme von Bischof Bode, veröffentlicht und soll Ende April formal in Kraft treten. Die bisherige Fassung stammt aus dem Mai 2019.

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