Tierrecht und Religionskritik

Der Dominikanermönch Thomas von Aquin (1225-1274) gilt bis heute als mit Abstand einflussreichster aller Kirchenlehrer; in Sonderheit mit Blick auf seine Lehre des "essentiellen" Unterschiedes zwischen Mensch und Tier. Mit ihm wurde die in der Bibel grundgelegte Doktrin der Gottebenbildlichkeit des Menschen, die diesen über die gesamte Natur erhebe und diese seiner Herrschaft und Nutzung unterwerfe, mit Nachdruck festgeschrieben.

Das biblische Diktum aus dem 1. Buch Moses, in dem Gott selbst seinen Ebenbildern befiehlt, sich die Erde untertan zu machen und zu herrschen "über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht." (1.Mose 1,28) wurde zur zentralen Maßgabe des Umganges mit dem Tier. Und gleich noch einmal: "Furcht und Schrecken vor euch über alle Tiere auf Erden und über alle Vögel unter dem Himmel, über alles, was auf dem Erdboden kriecht, und über alle Fische im Meer; in eure Hände seien sie gegeben. Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise."(1. Mose 9, 2-3.) Es ist dies, wie Kirchenkritiker Karlheinz Deschner schreibt, das "umfassendste Unterjochungs- und Todesverdikt der Geschichte, infernalischer Auftakt der Deformierung eines Sterns zum Schlachthaus."

10 Jahre hpd

Und es gilt dieses Verdikt unverändert bis heute und besetzt das kollektive Bewusstsein wie kein zweites: In einem "Hirtenschreiben"(!) von 1980 beispielsweise teilt die Deutsche Bischofskonferenz mit, Tiere hätten, im Unterschied zum Menschen, "kein unantastbares individuelles Lebensrecht". Folglich seien "wir Menschen berechtigt, Leistungen und Leben der Tiere in Anspruch zu nehmen". Unmissverständlicher noch erklärt der aktuell gültige Weltkatechismus der Katholischen Kirche, federführend herausgegeben im Jahre 1993 durch den seinerzeitigen Kurienkardinal und heutigen Expapst Joseph Ratzinger: "Gott hat die Tiere unter die Herrschaft des Menschen gestellt, den er nach seinem Bilde geschaffen hat. Somit darf man sich der Tiere zur Ernährung und zur Herstellung von Kleidern bedienen. Man darf sie zähmen, um sie dem Menschen bei der Arbeit und in der Freizeit dienstbar zu machen." Auch medizinische und wissenschaftliche Tierversuche seien "sittlich zulässig". Und weiter heißt es im katholischen Weltkatechismus: "Es widerspricht der Würde des Menschen, Tiere nutzlos leiden zu lassen und zu töten", was im Umkehrschluß nichts anderes bedeutet als: ist ihr Leiden und Tod dem Menschen zunutze, ist beides gerechtfertigt.

Sorgt Gott für die Ochsen?

Es gibt bezeichnenderweise in der gesamten Bibel keinen einzigen Satz, in dem Tieren Schutz vor der Rohheit und Gier des Menschen zugesprochen würde. All die mühsamen Versuche tierrechtlich angehauchter Exegeten wie etwa des Theologen Kurt Remele, irgendwelche tierfreundlichen Passagen in die Bibel hinein- oder aus dieser herauszuinterpretieren, sind reine Farce: Allen Ernstes deutet Remele das Herrschafts- und Unterjochungsgebot aus dem 1. Buch Moses in einen Auftrag Gottes an den Menschen um zu "verantwortungsvollem Leiten" der ihm an die Hand gegebenen Mitgeschöpfe: "Heute wissen wir, dass der sogenannte Herrschaftsauftrag der Bibel liebende Sorge und hegendes Bewahren meint."

Tatsächlich drehen sich die von Remele und anderen zusammengesuchten Textpassagen, in denen Tieren, auf den ersten Blick zumindest, ein gewisser Schutz zugebilligt wird, ausschließlich um den Erhalt ihres Nutz- und Vermögenswertes. "Nutztiere" - und nur um die geht es - sollen so mit Nahrung und Wasser versorgt werden, dass ihre Arbeitskraft best- und längstmöglich verfügbar bleibt. Die als schlagender Beleg für die besondere Tierfreundlichkeit des Alten Testaments angeführte Anweisung Gottes "Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden" (5.Mose, 25,4) wird von Paulus im 1. Korintherbrief jeder Missverständlichkeit enthoben: "Sorgt Gott für die Ochsen? Oder sagt er's nicht allerdinge um unsertwillen? Denn es ist ja um unsertwillen geschrieben." (1.Kor 9, 10-11). "Der nackte Egoismus einer Viehzüchterreligion", wie Karlheinz Deschner hierzu anmerkt, um das Tier an sich geht es nie.

Aus gleichem Grunde sollen den "Nutztieren" gewisse Ruhepausen zugestanden werden ("Am siebenten Tage sollst du keine Arbeit tun noch dein Knecht noch deine Magd noch dein Ochse noch dein Esel noch all dein Vieh" (5.Mose 5,14)). Selbstredend sei einem "Nutztier", zumal dem eines Familienangehörigen, bei einem Unfall Hilfe zu gewähren, würde sein Verlust doch eine materielle Einbuße für die ganze Sippe bedeuten ("Wenn du deines Bruders Esel oder Ochsen siehst fallen auf dem Wege, so sollst du ihm aufhelfen" (5.Mose, 22,4). In diesem Sinne ist auch der Spruch Salomons zu verstehen: "Der Gerechte kümmert sich um das Leben seines Viehs, aber das Herz der Gesetzlosen ist hart" (Sprüche, 12,10)). Und selbst die vielzitierte Maßgabe aus dem 5. Buch Mose, man solle beim Ausheben eines Vogelnestes "die Mutter nicht zusammen mit den Jungen herausnehmen", kann nur dann als Beleg einer gewissen Tierfreundlichkeit gelten, wenn, wie üblich, der Folgesatz nicht dazugelesen wird: man solle "die Mutter fliegen lassen und (nur) die Jungen nehmen" (5.Mose, 22,6-7).

Was im Übrigen so tierfreundlich sein soll an der Vorschrift aus dem sogenannten "Bundesbuch", dem angeblich ältesten Rechtskorpus der Bibel, man solle "ein Böcklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen" (Ex 23,19b) - dem Theologen Thomas Staubli zufolge stelle diese Maßgabe einen Schutz der Tiere "vor schamloser Ausbeutung und pietätloser Abschlachtung" dar -, bleibt völlig unerfindlich: geschlachtet wird das Böcklein in jedem Fall.

Also ward vertilgt alles…

In einem 2010 erschienenen Buch "Die Tiere der Bibel für Kinder", verlegt in Zusammenarbeit mit dem Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken (und unter der Schirmherrschaft der heutigen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen), findet sich die Behauptung, es seien "in der Bibel schon erstaunlich weitreichende Regeln für den Tierschutz enthalten": Gott nämlich, der alle Tiere geschaffen habe, liebe sie und halte sie deshalb am Leben.

Die besondere Liebe Gottes zum Tier sieht Autor Frank Brandstätter, hauptberuflich Direktor des Dortmunder Zoos, ausgerechnet in der Horrorgeschichte der Sintflut bestätigt, in der ebendieser Gott alle Menschen und Tiere umbringt bis auf jene, die er in Noahs Arche überleben lässt.

Tatsächlich heißt es unmissverständlich im 1. Buch Moses (7,21-23): "Da ging alles Fleisch unter, das auf Erden kriecht, an Vögeln, an Vieh, an Tieren und an allem, was sich regt auf Erden, und alle Menschen. Alles, was einen lebendigen Odem hatte auf dem Trockenen, das starb. Also ward vertilgt alles, was auf dem Erdboden war, vom Menschen an bis auf das Vieh und das Gewürm und auf die Vögel unter dem Himmel; das ward alles von der Erde vertilgt. Allein Noah blieb übrig und was mit ihm in dem Kasten war." Kein Wort des Befremdens dazu bei Brandstätter, der die Vernichtung nahezu allen Lebens durch einen rachsüchtigen Gott einfach übergeht – auch die Frage, weshalb Gott in seiner Strafaktion überhaupt Tiere tötet, die sich, anders als die Menschen, in keiner Form "versündigt" hatten, bleibt unbeantwortet - und stattdessen den Bund hervorhebt, den dieser mit den übrig gebliebenen Menschen und Tieren schließt: "Als sichtbares Bundeszeichen für alle Geschöpfe setzte Gott den Regenbogen in die Wolken".

Kein Wort auch davon, dass Noah gleich nach dem Ende der Sintflut und zum Wohlgefallen Gottes einen Teil der geretteten Tiere tötet und auf einem Opferaltar verbrennt (1.Mose, 8,20) (wie ja das gesamte Alte Testament durchzogen ist von ständigen Dank-, Sühne-, Buß- oder sonstigen Opfern - sprich: Legionen rituell getöteter Rinder, Ziegen, Schafe, Tauben usw. - für einen Gott, der offenbar den Geruch verbrannter Tiere liebt: schon vor der Geschichte um Noah sieht er gnädig auf das geopferte Lamm Abels und verschmäht die Ackerfrüchte des Kain (1. Mose, 4, 3-5). Biblischen Berichten zufolge seien anläßlich der Einweihung des Tempels Salomons "tausend Farren (= Stiere), tausend Widder (und) tausend Lämmer" geopfert worden (1.Chronik, 29,21), dazu "zwölf Ziegenböcke nach der Zahl der Stämme Israels" (Esra, 6,17). Weitere 22.000 Rinder und 120.000 Schafe habe König Salomon höchstpersönlich dem Herrn als Opfer dargebracht (1.Koenige, 8,63)).

Große Lüge des Abendlandes?

Ähnlich abstrus kommt die Psychologin Hanna Rheinz daher, Begründerin einer Initiative Jüdischer Tierschutz, die behauptet, die "heiligen Schriften des Judentums als Quellentexte aller abrahamitischen Religionen fordern konsequenten Schutz der Tiere". Es sei die "große Lüge des Abendlandes", dass Gott dem Menschen die Ausbeutung der Tiere erlaubt habe.

Tatsächlich zeige eine genauere Betrachtung der Quellen, "dass Ausbeutung gerade nicht Teil des biblischen Tierbildes ist, dass das Gegenteil der Fall ist, die Texte jedoch durch paradoxe Formulierungen verschlüsselt sind." Das biblische Diktum aus dem ersten Schöpfungsbericht "Alles was sich regt, was da lebt, euer sei es zum Essen; doch Fleisch mit seinem Blute sollt ihr nicht essen" (1.Mose, 9,2-3) deutet sie um zu einer "paradoxen Intervention" Gottes, die, vergleichbar einer Technik aus der Hypnotherapie, einen Subtext aufweise, der Fleischverzehr gänzlich verunmögliche: "Das Wesen des Fleisches", so Rheinz, "ist es, mit Blut durchtränkt zu sein. Es ist nicht möglich, einen komplett unblutigen Zustand zu erreichen", selbst durch die jüdische Schlachtmethode des Schächtens nicht, was die Anweisung Gottes zu einem - wenngleich verschlüsselten, so doch gerade deshalb unmissverständlichen - Auftrag an den Menschen mache, sich vegan zu ernähren.

Die Sorge Gottes nicht nur um den körperlichen sondern auch um den seelischen Schmerz seiner Tiere hält Rheinz für belegt in der biblischen Anweisung, man dürfe "ein Rind oder Schaf (...) nicht zusammen mit ihren Jungen an einem Tage schlachten" (Leviticus 22,28). Dass das seelische Leid der noch für ein paar Tage vor dem Schlachtmesser verschonten Tiermütter, denen ihre Jungen oder der Jungen, denen die Mütter weggenommen wurden, sich damit auf grausamste Weise verlängert, bleibt außer Betracht.

Groteskerweise hält Rheinz das bereits erwähnte moasische Gebot, eine Vogelmutter fliegen zu lassen, deren Junge man aus dem Nest genommen hat, für göttlich verfügte "Rücksichtnahme auf die mütterlichen Gefühle"(!). Auch den "individuellen Segensspruch des Schochet (hebr.= Schlachter) über das Schlachttier" hält sie für einen Ausdruck besonderer Tierfreundlichkeit der Tora bzw. der Bibel. Selbstredend ist auch für sie Noah ein "Hüter der Tiere und des Überlebens", kurz: in den heiligen Schriften des Judentums, so Rheinz, begründe sich die älteste bestehende Tierschutztradition. Zweifel an ihren streckenweise absurden Textauslegungen weist Rheinz vorauseilend als antijudaisch (im Subtext: antisemitisch) motivierte Abwehr und Verleugnung jüdischer Traditionen zurück.

Satansbiester und Teufelsfratzen

Die alttestamentarischen Vorgaben zum Verhältnis Mensch-Tier setzen sich nahtlos fort in jenen des Neuen Testaments. "Für die christliche Sicht bleibt grundlegend", so die Amtskirchen in wortgleichem Grundsatz, "wie die Bibel dieses Verhältnis bestimmt" hat. Der vielzitierte "Gute Hirte" des Neuen Testaments, der sich um jedes seiner Schafe besorgt, tut dies keineswegs um der Tiere willen, wie Remele &Co behaupten, vielmehr, um mit Karlheinz Deschner zu sprechen, hegt er seine Herde "erstens damit er sie scheren kann, zweitens damit er sie fressen kann!"

Die Bezugnahme der katholischen Kirche auf sogenannte Tierheilige wie Franz von Assisi, Leonhard oder Philipp Neri ist, ebenso wie die stete Inszenierung von Tiermessen, Tiersegnungen und dergleichen, nichts denn zynische Farce. Nirgendwo geht es um Segnung, sprich: Schutz der Tiere um ihrer selbst willen, allenfalls sollen sie durch den Segen vor Krankheit und Unfall bewahrt werden, um umso besser ausgebeutet werden zu können.

Auf eigenen Hubertusmessen werden die Jäger gesegnet, vor Walfangfahrten die Walschlächter, vor Stierkämpfen die Toreros. Keine Eröffnung eines Zoos oder Delphinariums, keine Zirkuspremiere, keine noch so abartige Tierquälerei im Gewande von Tradition oder Brauchtum - Fischerstechen, Gänsereiten, Widderstoßen und ähnliche Spektakel -, ohne dass nicht ein Priester seinen Weihwasserwedel schwänge. Das bereits erwähnte Diktum des katholischen Weltkatechismus, es widerspreche der Würde des Menschen, Tiere "nutzlos (!) leiden zu lassen und zu töten", unterstreicht diesen Zynismus. Desgleichen die katechetische Behauptung, Tiere seien "Geschöpfe Gottes" und unterstünden insofern seiner "fürsorgenden Vorsehung": "Schon allein durch ihr Dasein preisen und verherrlichen sie Gott. Darum schulden ihnen auch die Menschen Wohlwollen. Erinnern wir uns, mit welchem Feingefühl die Heiligen die Tiere behandelten." Ja, schreibt Deschner, "wer kennt nicht in romanischen, in gotischen Christentempeln all die zerquälten Tiergesichter, von irgendwelchen Heiligenquanten zerquetscht. An Portalen, Tympana, an Kapitellen mutiert das Tier zur Bestie: Raben, Hunde, Hasen, Kröten, Esel, Löwen, Wölfe, Widder, Drachen, samt und sonders Satansbiester, Teufelsfratzen."

Allah ist es, der für euch die Tiere gemacht hat

Nicht anders als im Juden- und Christentum verhält es sich im Islam, dessen "Heilige Schrift" (Koran) dekretiert: "Allah ist es. Der für euch die Tiere gemacht hat, dass ihr auf den einen reiten und von den andern essen möchtet. Und ihr habt noch (andere) Nutzen an ihnen - und dass ihr durch sie jegliches Bedürfnis befriedigen möchtet, das in euren Herzen sein mag" (Sure 40,79-80).

Auch wenn in den Erzählungen (Hadith) über den Propheten Mohammed diesem eine gewisse Barmherzigkeit Tieren gegenüber nachgesagt wird und er gar seinen Sohn Ali einmal aufgefordert haben soll, sich vierzig Tage lang des Fleischessens zu enthalten, ist dem Islam jeder tierfreundliche oder gar tierschützerische Gedanke fremd: für den gläubigen Muslim ist das Tier ausschließlich dazu geschaffen, ihm zunutze zu sein. Allein während des sogenannten Id-ul-Adhha-Festes - das bedeutendste Fest der muslimischen Welt - werden jährlich hunderte Millionen (!) Schafe, Ziegen und Rinder geschächtet: Richtung Mekka gehalten wird ein Gebet über sie gesprochen, dann wird ihnen mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten. Jeder gläubige Muslim ist verpflichtet, an Id-ul-Adhha wenigstens ein geschächtetes Tier zu opfern. (Hintergrund der rituellen Massenschlachtungen ist die in Sure 37, 99-113 beschriebene Geschichte des Propheten Ibrahim, der bereit ist, Allah als Treuebeweis seinen Sohn Ismael zu opfern, letztlich aber auf Weisung Allahs den Sohn am Leben läßt und dafür einen Widder schlachtet. (Das biblische Pendant ist die Erzählung von Abraham und Isaak aus 1.Mose 22, 1-19.)

Machet sie euch untertan und herrschet...

Ungeachtet der Aufnahme des Tierschutzes in das deutsche Grundgesetz vom 17. Mai 2002 (Artikel 20a) gilt der Ge- und Verbrauch von Tieren nach wie vor als völlig "normal": die meisten Menschen betrachten Tiere ausschließlich als Mittel zum Zweck. Es gilt als unhintergehbare Selbstverständlichkeit, dass Tiere für menschliche Nahrung und Kleidung unterdrückt, ausgebeutet, gequält und getötet werden, dass sie für die Erforschung und Testung von Medikamenten oder Kosmetika vergiftet, verbrüht, verbrannt, vergast oder ertränkt werden, dass ihnen Augen, Magen und Haut verätzt, ihre Stimmbänder durchtrennt, ihre Knochen zertrümmert, zersägt, ihre Schädel zerschmettert werden, dass sie von Jägern gehetzt, erschlagen oder erschossen werden, sie zum Gaudium des Menschen in Zoos ausgestellt und in Zirkussen vorgeführt werden, dressiert und zu widernatürlichstem Verhalten genötigt, dass sie zu Sport und Freizeitvergnügen jedweder Sorte herhalten müssen. Und das alles nicht nur mit dem Segen der Kirche, sondern in ihrem beziehungsweise ihres Gottes ausdrücklichem Auftrag: "Machet sie euch untertan und herrschet...Furcht und Schrecken vor euch über alle Tiere."

Nicht nur die katholische Kirche, auch die evangelische, die anglikanische, die russisch-orthodoxe usw., sprich: sämtliche christlichen Religionsgemeinschaften – selbstredend auch "urchristliche" Neuoffenbarungskulte wie das "Universelle Leben" -, desgleichen das Judentum und der Islam in all ihren Ausprägungen, beziehen sich grundlegend auf die biblisch begründete Einzigartigkeit des Menschen als Ebenbild Gottes samt dem daraus hergeleiteten Anspruch des Menschen, die Natur zu beherrschen.

Es ist das Wesen jeder Religion, den Menschen aus der Natur herauszuheben und ihn - dies die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes re-ligio -: rückanzubinden an Gott bzw. je nach theologischer Ausrichtung an mehrere und unterschiedliche Götter, an das Göttliche, das Numinose usw. Religion, zumindest in ihren dogmatisch verfassten Formen, ist immer Ausdruck und Rechtfertigung der Herrschaft von Menschen über Menschen und vor allem: Herrschaft des Menschen über die Natur.

Befreiung von Religion

Tierbefreiungsarbeit muß insofern immer und grundlegend Religionsbefreiungsarbeit sein,

Befreiung von Religion in jeder ihrer Erscheinungsformen. Auch und vor allem von den weichgespülten Formen, wie sie etwa innerhalb der evangelischen Kirche zu beobachten sind, in der zunehmend Tierschutzfragen thematisiert werden. Es geht kirchennahen Tierschutzgruppierungen wie etwa AKUT - Aktion Kirche und Tiere immer nur um Reformen: um größere Käfige, kürzere Wege zum Schlachthof, schmerzfreiere Tötung usw., nicht aber um die prinzipielle Abschaffung von Unterdrückung und Ausbeutung der Tiere deshalb, weil diese ein Recht auf Unversehrtheit von Leib und Leben oder auf Freiheit hätten. Allemal gilt das evangelische Diktum von 1991: "Das Gewaltverhältnis zwischen Mensch und Tier ist zwar grundsätzlich unaufhebbar und besteht qualitativ fort. Aber Gewalt kann so und kann so ausgeübt werden, ihr quantitatives Ausmaß läßt sich beeinflussen". Im Übrigen könne "von der unveräußerlichen Würde und dem uneingeschränkten Lebensrecht jedes einzelnen nur beim Menschen die Rede sein", keinesfalls aber beim Tier. (Schon Schopenhauer (1788-1860) kritisierte jene Art von Tierschutz, wie er in den ab Ende der 1830er aus protestantischen Kreisen heraus in Deutschland etablierten "Thierschutzgesellschaften" betrieben wurde - als "Vater des deutschen Tierschutzgedankens“ gilt der Stuttgarter Pfarrer Albert Knapp (1798-1864) -, der dem Tier bestenfalls Erbarmen gewähre und nicht die ihm geschuldete Gerechtigkeit; und selbst das nur aus höchst eigennützigem Interesse: "Die Thierschutzgesellschaften ... brauchen noch immer das schlechte Argument, daß Grausamkeit gegen Thiere zu Grausamkeit gegen Menschen führe; als ob bloß der Mensch ein unmittelbarer Gegenstand der moralischen Pflicht wäre, das Thier bloß ein mittelbarer, an sich eine bloße Sache! Pfui!")

Um an dieser Stelle nicht missverstanden zu werden: ernstzunehmende Tierrechtler sind selbstredend immer auch Tierschützer, wenn es darum geht, reales Tierleid bestmöglich und weitestgehend zu mindern, wo Unterdrückung, Ausbeutung und Leid unmittelbar nicht beendet werden können. Die abolitionistische (= auf Abschaffung abzielende) Forderung aber tritt dahinter nicht zurück. Klassischer Tierschutz wie etwa AKUT ihn betreibt, der ausschließlich auf Reformismus und/oder nur auf bestimmte Tierarten abstellt - Hunde und Katzen werden gehätschelt, Rinder und Schweine werden getötet und verzehrt -, ist aus tierrechtlicher Sicht abzulehnen: er schreibt Tierausbeutung prinzipiell und programmatisch fort. Abgesehen davon entlastet er die Kirchen von Kritik an ihren strukturell tierfeindlichen Positionen, die die ideologische Grundlage abgeben für die herrschenden Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse, unter denen Myriaden von Tieren weltweit zu leiden haben.

"Tiergottesdienste", bei denen gemeinsam für das "Wohlergehen der Mitgeschöpfe" gebetet wird, sind angesichts des realen Tierleids, das die Kirchen in ihrem Unterjochungs- und Ausbeutungsverdikt zu verantworten haben, blanker Zynismus.

Schopenhauers Irrtum

Auch die vermeintlich sehr viel tierfreundlicheren Religionssysteme des Ostens – insbesondere Hinduismus und Buddhismus in ihren verschiedenen Ausprägungen - erweisen sich bei näherer Hinsicht als ebenso fatal für das Tier wie die mosaischen Religionen. Es ist ein fundamentaler Irrtum, zu glauben, den judäo-christlichen bzw. muslimischen Vorstellungen des Menschen als Abbild eines.gewalttätigen Alleinherrschergottes und damit "Herren der Welt", dem die sonstige "Schöpfung" nachrangig zugeordnet und zu freier Verfügung gegeben sei, stünden die Vorstellungen östlicher Religionssysteme als nachgerade vorbildlich gegenüber. Schopenhauer, auf den diese Einschätzung zurückgeht, irrte insofern gewaltig.

Tatsache ist - in Kurzform -: Der Hinduismus unterscheidet sich in Hinblick auf Unterdrückung und Ausbeutung nichtmenschlicher Tiere in nichts von den judäo-christlichen Traditionen. Ungeachtet etwa der kultischen Verehrung der Kuh als Muttergottheit Prithivi Mata bietet der Hinduismus realen Rindern keinerlei Schutz: sie werden ebenso als Arbeitstiere und zur Milchproduktion ausgebeutet wie Rinder in anderen Kulturkreisen. Auch der Umstand, dass ein paar der zahllosen Hindu-Gottheiten mit Tierköpfen dargestellt werden, Ganesha etwa mit Elephantenkopf, Nandi mit Stier- oder Hanuman mit Affenkopf, besagt keineswegs, dass die entsprechenden realen Tiere respektvoll zu behandeln seien oder behandelt würden.

Tiere, die keine Repräsentanz im Hindu-Pantheon haben, gelten ohnehin als Sache, mit der der gläubige Hindu nach Belieben und Willkür verfahren kann: Hunde beispielsweise können bedenkenlos totgeschlagen werden. Selbst die berühmten "heiligen Ratten" des Karni-Mata-Tempels im nördlichen Rajasthan gelten nur innerhalb der Tempelmauern als "heilig", außerhalb werden sie als vermeintliche Schädlinge und Krankheitsüberträger gnadenlos bejagt und getötet. Auch Blutopfer sind im Hinduismus weit verbreitet: in einem wiederkehrenden Fest zu Ehren der in Nepal verehrten Göttin Gadhimai beispielsweise werden mehr als 300.000 Tiere in zwei Tagen getötet, in Indien fallen jedes Jahr Millionen von Tieren rituellen Massenschächtungen zum Opfer, mit denen die Todesgöttin Kali besänftigt werden soll. Affengott Hanuman im Übrigen wird als Idealtypus des loyalen Dieners verehrt, der eigene Interessen immer hinter die seines Herrn zurückstellt.

Der vermeintlich höhere Stellenwert, der dem Tier in den östlichen Religionssystemen zugebilligt wird - es gilt dies auch für den Jainaismus sowie den Buddhismus in all seinen Erscheinungsformen -, resultiert aus den metaphysischen Konstrukten von Karma und Wiedergeburt, der Vorstellung also, dass Menschen irgendwelcher Vergehen wegen im nächsten Leben in der niederen Gestalt eines Tieres wiedergeboren werden könnten, als welches sie nicht nur vielfältiges Leid zu erdulden hätten, sondern vor allem keine Befreiung aus dem leidvollen Kreislauf der Wiedergeburten erlangen können: nur der Mensch könne sich ins erstrebte Nirvana auflösen. Es könne also jedes Tier prinzipiell ein karmisch zurückgestufter Mensch sein, dem und nur dem gegenüber das ausschließlich anthropozentrisch und ansonsten völlig abstrakt verstandene Nicht-Tötungsgebot des Ahimsa gilt. Für das Alltagsleben gibt es zahllose Ausnahme- und Sonderregelungen, über die Tiere "karmafrei" ausgebeutet und getötet werden können.

Im Buddhismus ist nur das Töten selbst verboten. Sofern ein gläubiger Buddhist ein Tier, das er zu verzehren oder anderweitig zu verwerten gedenkt, nicht selbst und mit eigener Hand tötet, befindet er sich allemal in Einklang mit den Geboten des Dharma (=Lehre Buddhas), denn: der "Genuß von Fleisch (ist) nicht mit dem Töten gleichzusetzen".

Jhado Rinpoche, hochrangiger buddhistischer Lehrer und enger Vertrauter des aktuellen Dalai Lama, beantwortet die Frage, ob nicht indirekt auch der Kauf von Fleisch für das Töten von Tieren verantwortlich sei und damit dem buddhistischen Tötungsverbot widerspreche, so: "Nein, denn wenn wir Fleisch kaufen, sehen und hören wir nicht, dass ein Tier direkt für uns getötet wurde."

Noch nicht einmal der Dalai Lama selbst verzichtet auf Fleisch - bevorzug verzehrt er gekochtes Huhn oder Brühwurst -, sein nervöser Magen, wie er behauptet, lasse keine andere Nahrung zu. (Im Übrigen schießt "Seine Heiligkeit" gerne mit Luftgewehr oder Pistole auf Vögel in seinem Garten, angeblich aber nur, um sie daraus zu vertreiben. Vor seiner Exilierung im Jahre 1959 verfügte der Dalai Lama in seiner Sommerresidenz Norbulingka am Rande von Lhasa über eine eigene Privatmenagerie. Die vorgehaltenen Tiere - Kamele, Leoparden, Affen usw. - mussten ausnahmslos männlichen Geschlechts sein, weibliche hätten den Park energetisch verunreinigt.) Das vielzitierte "Mitgefühl für alle fühlenden Wesen", das den Wesenskern des Buddhismus ausmachen soll, ist reine Farce, auch wenn einzelne Vertreter der buddhistischen Lehre noch so angestrengt versuchen, diese tierrechtskompatibel zurechtzuinterpretieren.

Das gleiche gilt auch für die sogenannten Naturreligionen, denen ein ungeteilteres Verhältnis von Mensch und Natur bzw. Mensch und Tier nachgesagt wird. Die Besänftigung der Naturgeister freilich oder die kultische Verehrung eines Totems – in der Regel auf dem Wege tierlicher Opfergaben -, dient zu nichts anderem, als dass der Mensch sich selbst gefahrlos der Natur bedienen bzw. sie sich nutzbar machen kann.