Wie viel Mensch (er)trägt die Erde?

Die Zahl der Christen nimmt weltweit zu, doch der Islam in allen seinen Schattierungen wächst noch weit schneller. Zu diesem Ergebnis kommt das Washingtoner "Pew Research Center" (Pew) in einer Studie zur weltweiten Entwicklung der Religionen ("The Changing Global Religious Landscape"). Die Studie sieht drei Gründe für diese Entwicklung. Zum einen fällt die Geburtenrate der im Schnitt recht jungen muslimischen Weltbevölkerung schon heute höher aus als die von Angehörigen anderer oder keiner Religion. In der muslimisch geprägten Sub-Sahara-Zone und in Ägypten wächst die Bevölkerung im weltweiten Vergleich besonders rasant.

Ein weiterer Grund für die erwarteten Verschiebungen sind das Alter der Bevölkerung, ihre Herkunftsregionen und damit verbunden die Sterbequote. Niedrige Geburtenraten verzeichnen nicht nur die Staaten Europas, sondern auch asiatische Gesellschaften wie China, Japan oder Thailand. Die zitierte Studie sieht darin einen Grund für ein weltweites Schrumpfen des Buddhismus. Weltweit werden den Angaben zufolge auch andere Religionen wie der Hinduismus (2015: 15,1 Prozent der Weltbevölkerung), das Judentum (0,01 Prozent) sowie kleinere Volksreligionen (5,7 Prozent) relativ an Bedeutung verlieren. Sie legen zwar in absoluten Zahlen vorne, fallen proportional aber immer weiter hinter Christen und Muslimen zurück.

Schließlich berücksichtigt die Religionsstudie auch mögliche Konversion. Nicht jeder, der etwa als Christ zur Welt kommt, bleibt damit automatisch für den Rest seines Lebens Mitglied seiner Herkunftsreligion. Demnach kommt es beispielsweise in den USA recht häufig vor, dass Erwachsene die Religion ihrer Kindheit ablegen, in eine neue wechseln oder sich keiner organisierten Glaubensgemeinschaft mehr anschließen.

4. UNO: Zu wenig Zugang zu Verhütungsmitteln

Viele Frauen auf der Welt können nicht darüber entscheiden, wen sie heiraten, mit wem sie Sex haben und wie viele Kinder sie bekommen. Eine Studie des Bevölkerungsfonds der UNO (UNFPA) beziffert nun, wie viele Frauen davon betroffen sind. Demnach haben mehr als 200 Millionen Frauen weltweit keinen Zugang zu Verhütungsmitteln, obwohl sie eine Schwangerschaft eigentlich verhindern wollen.

Die Analyse gilt für 51 Industrie- und Entwicklungsländer, für die solche Daten zur Verfügung standen. Demnach haben nur 57 Prozent der Frauen, die in einer Beziehung leben, Zugang zu Verhütungsmitteln und gesundheitlicher Versorgung und können frei über die sexuelle Beziehung zu ihrem Partner entscheiden.

Die größte Freiheit haben Frauen in den untersuchten Ländern demnach in der Ukraine und auf den Philippinen, wo 81 Prozent der Frauen über ihr Sexualleben und Schwangerschaften entscheiden können. In Mali, Niger und Senegal gilt das dagegen nur für sieben Prozent der Frauen – der niedrigste Wert im Vergleich zwischen den 51 untersuchten Ländern. Deutschland wurde in der Untersuchung nicht berücksichtigt.

Je ärmer die Frauen sind, zeigt der Bericht, desto kleiner ist ihre Chance, an die Mittel zu kommen – das gilt sowohl in Industrie- wie auch in Entwicklungsländern. UNFPA-Geschäftsführerin Natalia Kanem sagte, ohne diesen Zugang fehle den Frauen die Macht, Entscheidungen über ihren eigenen Körper zu treffen. Etwa, ob sie schwanger werden wollten. Deswegen könnten sie auch nicht ihre eigene Zukunft gestalten.

Insgesamt haben heute deutlich mehr Frauen Zugang zu Verhütungsmitteln als noch vor fünfzig Jahren. Waren es 1969 noch 24 Prozent, so erhöhte sich die Zahl auf 58 Prozent im Jahr 2019, schätzen die Forscher. Das ist aber noch viel zu wenig, vor allem in den überwiegend muslimisch geprägten Ländern mit besonders hoher Geburtenrate.

5. Statt Verzichtsideologie mehr Aufklärung und faire Weltwirtschaft

Das Bevölkerungswachstum ist dort am höchsten, wo die Statistiken die größte Armut, vor allem die größten Defizite im Bildungs- und Gesundheitswesen ausweisen, und sinkt dort, wo die Alphabetisierungsraten unter Frauen stiegen und die Säuglingssterblichkeit gesenkt wurde. Um nach geeigneten Wegen zu suchen, Bevölkerungsentwicklung und Versorgung mit Lebensmittel, Wasser und wirtschaftlicher Infrastruktur in Einklang zu bringen, schauen wir uns an, wo Erfolge zu verzeichnen sind. Für den Rückgang der Geburtenziffern gibt es eine Vielzahl von Gründen, die sich gegenseitig beeinflussen.

  • Wie bereits mehrfach angesprochen, ist eine der zentralen Voraussetzungen für eine nachhaltige Bevölkerungspolitik eine grundlegend veränderte gesellschaftliche Rolle der Frauen in Familie, Wirtschaft und Gesellschaft. Hier ist ein radikaler Abbau gesellschaftlicher Verkrustungen ohne falsche Rücksichtnahme auf religiöse und kulturelle Traditionen unverzichtbar. Wo immer mehr Frauen Rechte, Bildungschancen und Berufsmöglichkeiten sowie Zugang zu Gesundheitsdiensten haben, bekommen sie später weniger Kinder, dafür aber bessere Zugänge zu Bildung, Arbeit und gesellschaftlicher Teilhabe. So hat in dem armen südindischen Bundesstaat Kerala die hohe Alphabetisierung von Frauen ihren Teil dazu beigetragen, die Fertilitätsrate deutlich unter den nationalen Durchschnitt zu drücken. Wie wichtig eine aktive Sozialpolitik ist, zeigt das Beispiel Thailand mit einem sehr moderaten jährlichen Bevölkerungswachstum von 0,7 Prozent im Jahre 2010. Unverzichtbarer Bestandteil einer solchen Politik sind auf die Menschen zugeschnittene Informationen sowie ein Zugang zur Geburtenkontrolle.
  • Eine wichtige Rolle – in der Geschichte der Industrienationen ebenso wie in den heutigen Entwicklungs- und Schwellenländern – spielt die Säkularisierung. Dieses hat dem Individuum mehr Verantwortung für das eigene Wohlergehen zuerkannt.
  • Eine zweite Voraussetzung für eine kluge Bevölkerungspolitik ist eine umfassende Bildung über Klassenschranken und Ethnien hinweg, die neue gesellschaftliche Optionen eröffnet und vor allem auch den Zugang zu Informationen über Geburtenkontrolle und Familienplanung ermöglicht.
  • Ein dritter Erfolgsfaktor ist die Erkenntnis vom Bedeutungswandel der Kinder. Waren sie früher vor allem in der Landwirtschaft von praktischem Nutzen für die Verrichtung der täglichen Arbeit und zur Versorgung im Alter, nimmt diese Betrachtungsweise fühlbar ab. Das kann aber nur gelingen, wenn es in den Ländern eine gewisse soziale Absicherung, insbesondere eine gesetzliche Altersvorsorge gibt. Durch die Reformen Bismarcks seit 1889 hatten auch Menschen ohne oder mit nur wenigen Kindern eigene Versorgungsansprüche. Länder, die einen vergleichbaren Weg der sozialen Absicherung gehen, machen positive Erfahrungen. Allerdings kann ein umfassender sozialer und kultureller Wandel nur von innen kommen. Er kann zwar von außen unterstützt, nicht aber angeordnet werden. Solange viele Kinder als göttliches Geschenk und/oder als Beweis für potenzgesteuerte Männlichkeit gelten, richten gute Worte und Verhütungsmittel nichts aus. Den entsprechenden Ländern muss aber klar gemacht werden, dass Migration keinen Ausweg bieten kann.

Moderne Familienplanung und ein Abbau alter patriarchaler Strukturen können auch armen Ländern eine Perspektive geben, die Geburtenzahlen in den Griff zu bekommen. Internationale Organisationen und nationale Regierungen sollten hier endlich ansetzen und sich über verwurzelte Widerstände – beispielsweise der Kirchen – und eine falsch verstandene Rücksichtnahme auf nicht schutzwürdige Traditionen hinwegsetzen.