LEIPZIG. (mpg) Bei vielen Primatenarten stimulieren visuelle Signale der Weibchen das Paarungsverhalten der Männer. So geben die auffällig gefärbten Schwellungen im Ano-Genitalbereich vieler Arten Hinweise auf die Empfängnisbereitschaft der Weibchen. In einer Studie des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben die Primatenforscherin Pamela Heidi Douglas und Kollegen erstmals die Beziehung zwischen Sexualhormonen und Sexualschwellungen freilebender Bonobos untersucht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Weibchen innerhalb der maximalen Schwellungsphase seinen Eisprung hat, ist demzufolge sehr viel geringer als bei den nah verwandten Schimpansen. Die Schwellungen sind also kein zuverlässiges Fruchtbarkeitssignal für die Männchen. Möglicherweise können die Weibchen dadurch leichter ihre eigenen Interessen bei der Partnerwahl verfolgen.
Untersuchungen an verschiedenen Primatenarten deuten darauf hin, dass die zyklischen Veränderungen der Sexulaschwellungen "zuverlässige" Signale sind und Beobachtungen zum Verhalten der Männchen scheinen diese These zu stützen. Große Sexualschwellungen stimulieren nicht nur das Paarungsverhalten, sondern lösen auch Konkurrenzverhalten unter den Männern um den Zugang zu den Weibchen aus. Aus evolutionsbiologischer Perspektive lautet das Fazit: Männer die ihr Investment an den zyklischen Veränderungen der Sexualschwellungen orientieren, verbessern nicht nur ihren Paarungs- sondern auch ihren Reproduktionserfolg.
Bonobos (Pan paniscus) gehören zu den Arten, bei denen Weibchen Sexualschwellungen ausbilden. Mehr noch, im Vergleich zu anderen Arten tendieren weibliche Bonobos zu besonders großen Schwellungen und einer ausgedehnten Phase maximaler Schwellung, haben also den visuellen Stimulus "maximiert". Für wissenschaftliche Untersuchungen zur Funktion von Signalen weiblicher Sexualität ist diese Art deshalb besonders interessant.
In ihrer Studie klassifizierten die Forscher den Schwellungszustand erwachsener Weibchen täglich nach einem standardisierten Verfahren. Korrespondierend dazu sammelten sie Urinproben der Weibchen, um über die Messung von Östrogen- und Progesteron-Metaboliten den Zeitpunkt der Ovulation zu bestimmen.
Ziel war es, die Größenveränderungen der Sexualschwellungen über den Zyklus hinweg mit Änderungen der Hormonkonzentration zu vergleichen und auf diese Weise die Beziehung zwischen visuellem Signal und Ovulationszeitpunkt zu bestimmen. Die Forscher wollten herausfinden, warum weibliche Bonobos mehr als andere Primaten in ihren Sex Appeal investieren. "Obwohl das Sexualverhalten weiblicher Bonobos seit langer Zeit auf enormes wissenschaftliches Interesse stößt, ist dies die erste Studie, die Fragen nach der reproduktiven Bedeutung der Sexualität genauer unter die Lupe nimmt", sagt Ko-Autor Gottfried Hohmann.
Schwellungen sind unzuverlässigeres Signal als bei Schimpansen
Die Studie ergab zunächst eine überraschende Variabilität hinsichtlich der Dauer der Phase maximaler Schwellung: Der Schwellungszustand höchster Intensität variierte zwischen einem und 31 Tagen. Noch wichtiger als die zeitliche Varianz ist ein anderes Ergebnis: Nur in jedem zweiten Zyklus lag der hormonell bestimmte Ovulationszeitpunkt innerhalb der Phase maximaler Schwellung. "Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Weibchen innerhalb der maximalen Schwellungsphase an einem bestimmten Tag der maximalen Schwellungsphase auch tatsächlich seinen Eisprung hat, ist sehr viel geringer als bei den nah verwandten Schimpansen", sagt Ko-Autor Tobias Deschner, und Pamela Heidi Douglas fügt hinzu: "Was auch immer die Sexualschwellungen weiblicher Bonobos mitteilen mögen, ein zuverlässiges Signal für erhöhte Empfängnisbereitschaft sind sie nicht."
Die geringe Übereinstimmung zwischen visuellem Signal und Ovulationszeitpunkt machen das Paarungsverhalten der Männer zum Lotteriespiel. Monopolisierung von Weibchen zur Phase erhöhter Konzeptionsbereitschaft durch ranghohe Tiere ist unter diesen Bedingungen praktisch nicht möglich. Wenn Männchen nicht mehr über Aggressionen um den Zugang zu den Weibchen konkurrieren, könnten die Weibchen ohne männlichen Widerstand viel einfacher ihre eigenen Interessen bei der Partnerwahl durchsetzen.
Die Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die Evolution weiblicher Sexualität unserer nächsten Verwandten und veranschaulichen in eindrücklicher Weise das Wettrüsten zwischen den Geschlechtern. Männliche und weibliche Individuen versuchen auf unterschiedlichen Wegen, ihre Fortpflanzungsstrategien zu optimieren. Die zeitliche Verlängerung des attraktiven Signals reduziert zwar nicht die Attraktivität der Weibchen, wohl aber den Informationsgehalt für die Männchen. Darüber hinaus sind die Ergebnisse ein weiterer Beleg dafür, dass Signale nicht immer dem korrekten Informationstransfer, sondern der Manipulation des Partners dienen. (TD, GH, HR/HR)