Der Papst hat Anfang des Jahres den Weg für die Heiligsprechung von Mutter Teresa bereitet, indem er eine angebliche Wunderheilung anerkannte, die sie nach ihrem Tod erwirkt haben soll. Das ruft in doppelter Weise Verblüffung hervor: einerseits wegen der Tatsache, dass die extrem zweifelhafte Geschichte mit der Wunderheilung einfach so akzeptiert wird, andererseits ob der zweifelhaften Leistungen der Frau. Naiverweise stellt man sich doch unter einer Heiligen eine Frau vor, die viel Gutes und nie Schlechtes getan hat. Diese Definition mag zwar nicht felsenfest sein, dürfte aber doch dem allgemeinen Gefühl entsprechen.
Beleuchten wir einmal beide Punkte.
Das Wunder
Bei Monica Besra wurden bei einer Ultraschall-Untersuchung im Krankenhaus von Balurghat Tuberkulose und eine Zyste an den Eierstöcken gefunden. Eine solche Zyste ist gut behandelbar, nur in wenigen Fällen ist eine Operation nötig. Nach einigen Monaten ambulanter Behandlung wurde Monica Besra im März 1999 für geheilt erklärt. Dr. Murshed, der Direktor des Krankenhauses und die behandelnden Ärzte Dr. Mustafi und Dr. Biswas erläuterten später, dass es sich um einen ganz normalen, nicht im Mindesten außergewöhnlichen Fall gehandelt habe.
Vielleicht abgesehen von der Tatsache, dass Dr. Murshed danach häufig mit Anrufen belästigt wurde, er möge doch das Wunder bestätigen.
Nun denkt man sich: da müssen doch Unterlagen existieren, Protokolle, Laboruntersuchungen, etc. Leider sind diese nicht mehr vorhanden. Die medizinischen Unterlagen wurden nach der Behandlung an eine Schwester Betta der Missionarinnen der Nächstenliebe (der Orden von Mutter Teresa) übergeben und sind seitdem verschwunden. Die Missionarinnen der Nächstenliebe gaben zunächst an, sie verlegt zu haben, änderten danach jedoch ihre Geschichte und behaupten inzwischen, die Unterlagen nie erhalten zu haben. Damit steht praktischerweise die Aussage von öhhh – ähm: eigentlich genau genommen niemandem gegen die Angaben der behandelten Ärzte. Sogar Monica Besra zog zwischendurch ihre Behauptungen zurück, nachdem die Nonnen die versprochene monetäre Unterstützung nicht geleistet hatten.
Aber: von solchen Kleinigkeiten lässt man sich nicht aufhalten. Wunderbarerweise finden sich an ihrer Stelle in der 34.000 Seiten umfassenden Sammlung angeblicher Wundertaten von Mutter Teresa die Aussagen diverser Ärzte, die angeben, die Heilung sei “wissenschaftlich unerklärbar”. Weniger wunderbar ist es, dass in dem Krankenhaus, in dem Monica Besra behandelt wurde, keiner diese (z.T. dort angeblich arbeitenden) Ärzte kennt.
Mit den tatsächlich behandelnden Ärzten, wie Dr. Ranjan Mustafi, wurde der Einfachheit halber gar nicht erst gesprochen. Und Monica Besra besann sich nach Erhalt einer großzügigen Spende der Mother Teresa Charitable Welfare Society und der Aufnahme ihrer 4 Söhne in eine Privatschule doch wieder eines Besseren. Halleluja! Es geschehen noch Zeichen und Wunder.
Man ist an der Stelle fast geneigt, mit den Ermittlern des Vatikans, den Nonnen und auch der Katholikin Monica Besra über das 8. Gebot zu sprechen, aber seien wir mal nicht so. Bei so einem leuchtenden Beispiel der Menschlichkeit, des gelinderten Leidens kann man schon mal ein paar Dutzend Augen zudrücken.
Mutter Teresa, die Heilige
Allerdings stößt man, wenn man ein wenig nachliest, abseits der Darstellung als Heilige schnell auf eine andere, eine fanatisch fundamentalistische Betrügerin. Der Journalist Christopher Hitchens blickte in seinem Essay "The Missionary Position: Mother Teresa in Theory and Practice" hinter die schöne Fassade und fand jenseits der schönen Bilder eine unschön unheile Welt; für ihn war Mutter Teresa ein Engel der Hölle.
Wobei das Ganze natürlich eine Sache des Blickwinkels ist. Wir, und wohl auch der inzwischen verstorbene Christopher Hitchens, erwarten uns von einer Heiligen, dass sie im Sinne humanistischer Ideale handelt und das Leben der Menschen besser macht. Aus unserer Sicht, auch wenn es vielleicht pathetisch klingt, sollte Leiden gelindert werden, die Armen aus der Armut geführt, die Kranken versorgt, wenn möglich geheilt, die Hungernden mit Nahrung versorgt werden.
Mutter Teresa hat das aber wohl nie interessiert. Ihre Zielsetzung war eine andere.
Der höchste Zweck des menschlichen Lebens besteht darin, in Frieden mit Gott zu sterben.
Die Kritik, dass in ihrem Heim an Hygiene mangele, dass Kranke keine Untersuchung, keine medizinische Versorgung, keine Schmerzmittel erhielten, dass z.B. Tuberkulosekranke neben anderen liegen und diese anstecken …, kommentierte Mutter Teresas folgendermaßen: "Wir sind keine Krankenschwestern, wir sind keine Sozialarbeiter, wir sind Nonnen."
Mutter Teresa ging es um die kirchliche Doktrin, das Seelenheil, nicht um das sonstige, körperliche Wohl der Kranken. Bei Hitchens und vielen anderen Kritikern löste das große Empörung und Abscheu aus. Inzwischen haben auch kanadische Wissenschaftler Wirken und Einfluss der Mutter Teresa einer genauen Untersuchung unterzogen und zeichneten in ihrer Arbeit ein sehr zweifelhaftes Bild, in der Kritik an der fragwürdigen Versorgung der Armen, den fragwürdigen, ultrakonservativen politischen Ansichten, fragwürdigen Kontakten, fragwürdigen Geschäftspraktiken aufgeworfen wurde und stellten auch die Frage: "Wohin sind die Millionen an Spenden für die Ärmsten der Armen verschwunden?"
Aber, nichtsdestotrotz: ob Mutter Teresa eine Heilige im Sinne der Kirche ist, muss man aus Sicht der katholischen Kirche beurteilen. Die humanistischen Maßstäbe, die wir anlegen, sind für die Kirche fast logischerweise bedeutungslos.
Und aus ihrem Blickwinkel hat Mutter Teresa zweifellos richtig gehandelt! Ist nicht das Seelenheil wertvoller als das körperliche Wohl? Das Leiden in der diesseitigen Welt wird in der jenseitigen Welt belohnt werden. Alle Ungerechtigkeit, alles Leiden zahlt sich aus, wenn man schließlich in den Himmel gelangt. Ist es da nicht besonders gut, wenn die Menschen möglichst viel leiden, wenn sie dafür die Belohnung des Ewigen Lebens im Himmel erhalten?
Das Mutter Teresa in diesem Sinne eine Heilige ist, lässt sich wohl am Einfachsten mit einem kleinen Zitat belegen:
There is something beautiful in seeing the poor accept their lot, to suffer it like Christ’s Passion. The world gains much from their suffering. (Es liegt etwas Schönes darin, die Armen ihr Schicksal akzeptieren zu sehen, es zu erleiden wie die Passion Christi. Die Welt gewinnt viel aus ihrem Leiden.)
Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Autoren von Psiram.
9 Kommentare
Kommentare
Florencia am Permanenter Link
Leider hat sie die Gnade Jesus nicht erkannt. Jesus hat Rettung aber auch Heilung versprochen
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Die Wunder des Christentums begannen vor 2000 Jahren mit der Geburt eines Kindes ohne Zutun eines Mannes und man wusste schon vor der Geburt, es wird ein Junge.
Birger A. am Permanenter Link
In der wissenschaftlichen Studie wurde klar bewiesen, daß den Sterbenden schmerzstillende Medikamente verweigert wurden, Spendengelder nicht mehr aufgetaucht sind, sogenannte Wunder stattdessen mit Medikamenten erzeug
Petra R. am Permanenter Link
Ich kann mich den Ausführungen von Birger A. nur anschließen.
HABEN WIR KEINE ANDEREN PROBLEME?
Klaus Bernd am Permanenter Link
Aus der sogenannten Homilie zur Heiligsprechung,
nachzulesen bei Radio Vatikan:
Dafür wurde sie letztlich heilig gesprochen von einem Papst, der Abtreibung als Mord bezeichnet. Am Rande bemerkt: Was soll das bedeuten, einen Fötus als "ärmlichsten (più misero)“ Menschen zu bezeichnen ?
Dass die „Heiligenfabrik“ auch eine „Wunderfabrik“ ist, dürfte kein Geheimnis mehr sein und das, obwohl jedes Wunder in aller Deutlichkeit das Theodizee-Problem aufzeigt, sagte es doch: GOTT könnte wenn er wollte, er will aber nur ganz, ganz selten. Hunderttausende (in Europa) Parkinson-Kranke müssen den dunklen Hintergrund bilden für eine einzige Wunderheilung; nur als Beispiel, die Wunder der MT geben ja gar nichts her!. Schlampig zusammengestoppelte und gekaufte Ausschussware.
Und das ganze Prozedere erinnert eher an den chinesischen Kaiserhof vergangener Tage: Keinesfalls darf man sich direkt an GOTT wenden, man wendet sich an einen Verehrer der Mutter seines Sohnes, diese wendet sich an ihren Sohn – vielleicht mit Hilfe des (un)leiblichen Vaters, des Heiligen Geistes - und dieser wiederum an seinen gesetzlichen Vater, den Kaiser.
Andrea Diederich am Permanenter Link
Mutter Teresa hat Spendengelder veruntreut.
Sie hat ihre Spender getäuscht, die glaubten für das Wohl von Kranken ihre Gelder zugute kommen.
Dies ist ein Straftatbestand.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Aber Heilge dürfen sich ja anscheint alles erlauben."
Dafür macht die Kirche sie zu Heiligen. Anständige Menschen verehrt man auch so...
Heinz-Jürgen Kl... am Permanenter Link
Veruntreuen von Spendengeldern habe ich beruflich in der Vergangenheit oft in Einrichtungen bei katholischen Nonnen beobachten können.
Gerald S. am Permanenter Link
Kann mir mal jemand die Adresse von dem Aussteller dieses ISO-Zertifikats "heilig" nennen ? Dann bring ich da mal mein schrottreifes Auto hin, ich glaub die Plakette ist mir sicher :-)