Die katholische Kirche und die Wunder

Zwischen Offenbarung und Schweineblut

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Die stillende "Gottesmutter" ("Maria Lactans") ist ein beliebtes Motiv in der christlichen Kunstgeschichte (Hier der Ausschnitt einer Statue von 1380 aus dem Germanischen Nationalmuseum)
"Maria Lactans"

Mit den neuen Richtlinien für die Anerkennung übernatürlicher Phänomene hat der Vatikan seine Maßstäbe für göttliche Wunder verschärft. Seit Verkündung dieser Normen im Mai dieses Jahres wurden schon zwei angebliche Marienerscheinungen als "eindeutig nicht übernatürlichen Ursprungs" abqualifiziert. Eine dritte Offenbarung der Muttergottes hält den Prüfungen bis jetzt Stand.

Über 20 Jahre hinweg soll Maria der inzwischen verstorbenen Italienerin Pierina Gilli (1911 – 1991) immer wieder erschienen sein, etwa in der Kathedrale der Gemeinde Montichiari und im nahe gelegenen Ort Fontanelle. Dabei habe die Gottesmutter eine Reihe von Botschaften verkündet und die Gläubigen angewiesen, sie unter dem Titel "Rosa Mistica" ("Mystische Rose") zu verehren.

Der Ort der Erscheinung wurde rasch zur Pilgerstätte, doch die Anerkennung der katholischen Kirche ließ zunächst auf sich warten. Öffentliche Gottesdienste wurden in Fontanelle erst 2001 erlaubt. Nun hat die Glaubenskongregation im Vatikan die Verehrung der Erscheinung als unbedenklich eingestuft. In den von Pierina Gilli verbreiteten Botschaften hätten die Kirchenleute keine Elemente entdeckt, die der katholischen Lehre zu Glauben und Moral direkt widersprächen, schreibt der Leiter der Kongregation, die einmal die Inquisitionsbehörde war, Kardinal Victor Manuel Fernandez.

Weiter heißt es darin: "Auch negative moralische Aspekte oder andere kritische Aspekte sind in den Fakten im Zusammenhang mit dieser spirituellen Erfahrung nicht zu finden. Vielmehr lassen sich mehrere positive Aspekte finden, die in den Botschaften insgesamt hervorstechen, und andere, die eine Klarstellung verdienen, um Missverständnisse zu vermeiden." Damit stehen dem Bischof von Brescia als zuständigem Kirchenchef die nächsten Schritte zur Anerkennung der Erscheinung als Wunder offen. Die finale Entscheidung liegt beim Vatikan.

Nach Schweineblut-Vorfall untergetaucht

In einem anderen Fall kam die Glaubensbehörde kürzlich zu einem ablehnenden Urteil. Diesmal ging es um eine angeblich weinende Marienstatue und um Offenbarungen der Muttergottes, welche die Italienerin Maria Giuseppa Scarpulla verkündet hatte. Seit 2016 berichtete sie im Ort Trevignano (nahe Rom) von Erscheinungen Mariens, aber auch von Jesus und Gottvater. Der angebliche Schauplatz der Wunder, ein Hügel in der Gemeinde, wurde zum Ziel von Wallfahrten und zum Zentrum von Gebetsfeiern. Damit soll nun Schluss sein. Schon im März hatte der zuständige Bischof der Diözese Civita Castellana alle öffentlichen und privaten religiösen Veranstaltungen am Ort der angeblichen Offenbarungen verboten.

Die angebliche Seherin Scarpulla gilt als schillernde Persönlichkeit. Auch unter dem Namen Gisella Cardia bekannt, wurde sie in der Vergangenheit wegen Insolvenzbetrug zu zwei Jahren Haft verurteilt. Später soll sie mittels Schweineblut eine Madonnenstatue zum "Weinen" gebracht haben. Das behauptete zumindest ein Privatermittler 2023, und zeigte die Frau an. Medienberichten zufolge ist sie seither untergetaucht.

Öffentliche Verehrung untersagt

Auch einer angeblichen Marienerscheinung in Amsterdam versagten die Glaubenshüter die Anerkennung. Die Gottesmutter soll sich dort über einen Zeitraum von 1945 bis 1959 mehrfach der Seherin Ida Peerdmann offenbart haben. Dabei sei Maria als "Frau aller Völker" aufgetreten und habe angekündigt, dass der Papst sie demnächst als "große Miterlöserin, Mittlerin aller Gnaden und fürbittenden Allmacht an Gottes Thron vor den Augen aller Völker" anerkennen werde. Doch das widerspricht dem Dogma der katholischen Kirche – bis heute.

Schon 1956 hatte der damalige Bischof von Haarlem die öffentliche Verehrung Mariens untersagt, da die Übernatürlichkeit der Erscheinung nach kirchlichen Kriterien nicht festgestellt werden konnte. Eine Bekräftigung dieses Urteils lieferte 1974 die Glaubenskongregation des Vatikans. Zudem verbot sie 2005 die ursprüngliche Fassung eines Gebets, wie es die Gottesmutter angeblich verkündet haben soll.

Mitte Mai hatte der Vatikan eine Reform des Verfahrens zur Prüfung möglicher übernatürlicher Ereignisse verkündet. Seither ordnet der jeweils örtlich zuständige Bischof die Phänomene nach ihrer "Qualität" in sechs Kategorien ein. Die "höchste" Anerkennunggsstufe lautet "Nihil obstat", auf Deutsch etwa: "Nichts steht [der Verehrung, Anm. d. A.] entgegen" – noch kein endgültiges Urteil über die Übernatürlichkeit nach kirchlichem Verständnis, aber die Gläubigen dürfen das Phänomen religiös verehren. Das ungünstigste Urteil ist "Prohibetur et observantur", womit die Verehrung untersagt ist. Das letzte Wort in Sachen Wunder hat immer der Vatikan.

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