Mit den neuen Richtlinien für die Anerkennung übernatürlicher Phänomene hat der Vatikan seine Maßstäbe für göttliche Wunder verschärft. Seit Verkündung dieser Normen im Mai dieses Jahres wurden schon zwei angebliche Marienerscheinungen als "eindeutig nicht übernatürlichen Ursprungs" abqualifiziert. Eine dritte Offenbarung der Muttergottes hält den Prüfungen bis jetzt Stand.
Über 20 Jahre hinweg soll Maria der inzwischen verstorbenen Italienerin Pierina Gilli (1911 – 1991) immer wieder erschienen sein, etwa in der Kathedrale der Gemeinde Montichiari und im nahe gelegenen Ort Fontanelle. Dabei habe die Gottesmutter eine Reihe von Botschaften verkündet und die Gläubigen angewiesen, sie unter dem Titel "Rosa Mistica" ("Mystische Rose") zu verehren.
Der Ort der Erscheinung wurde rasch zur Pilgerstätte, doch die Anerkennung der katholischen Kirche ließ zunächst auf sich warten. Öffentliche Gottesdienste wurden in Fontanelle erst 2001 erlaubt. Nun hat die Glaubenskongregation im Vatikan die Verehrung der Erscheinung als unbedenklich eingestuft. In den von Pierina Gilli verbreiteten Botschaften hätten die Kirchenleute keine Elemente entdeckt, die der katholischen Lehre zu Glauben und Moral direkt widersprächen, schreibt der Leiter der Kongregation, die einmal die Inquisitionsbehörde war, Kardinal Victor Manuel Fernandez.
Weiter heißt es darin: "Auch negative moralische Aspekte oder andere kritische Aspekte sind in den Fakten im Zusammenhang mit dieser spirituellen Erfahrung nicht zu finden. Vielmehr lassen sich mehrere positive Aspekte finden, die in den Botschaften insgesamt hervorstechen, und andere, die eine Klarstellung verdienen, um Missverständnisse zu vermeiden." Damit stehen dem Bischof von Brescia als zuständigem Kirchenchef die nächsten Schritte zur Anerkennung der Erscheinung als Wunder offen. Die finale Entscheidung liegt beim Vatikan.
Nach Schweineblut-Vorfall untergetaucht
In einem anderen Fall kam die Glaubensbehörde kürzlich zu einem ablehnenden Urteil. Diesmal ging es um eine angeblich weinende Marienstatue und um Offenbarungen der Muttergottes, welche die Italienerin Maria Giuseppa Scarpulla verkündet hatte. Seit 2016 berichtete sie im Ort Trevignano (nahe Rom) von Erscheinungen Mariens, aber auch von Jesus und Gottvater. Der angebliche Schauplatz der Wunder, ein Hügel in der Gemeinde, wurde zum Ziel von Wallfahrten und zum Zentrum von Gebetsfeiern. Damit soll nun Schluss sein. Schon im März hatte der zuständige Bischof der Diözese Civita Castellana alle öffentlichen und privaten religiösen Veranstaltungen am Ort der angeblichen Offenbarungen verboten.
Die angebliche Seherin Scarpulla gilt als schillernde Persönlichkeit. Auch unter dem Namen Gisella Cardia bekannt, wurde sie in der Vergangenheit wegen Insolvenzbetrug zu zwei Jahren Haft verurteilt. Später soll sie mittels Schweineblut eine Madonnenstatue zum "Weinen" gebracht haben. Das behauptete zumindest ein Privatermittler 2023, und zeigte die Frau an. Medienberichten zufolge ist sie seither untergetaucht.
Öffentliche Verehrung untersagt
Auch einer angeblichen Marienerscheinung in Amsterdam versagten die Glaubenshüter die Anerkennung. Die Gottesmutter soll sich dort über einen Zeitraum von 1945 bis 1959 mehrfach der Seherin Ida Peerdmann offenbart haben. Dabei sei Maria als "Frau aller Völker" aufgetreten und habe angekündigt, dass der Papst sie demnächst als "große Miterlöserin, Mittlerin aller Gnaden und fürbittenden Allmacht an Gottes Thron vor den Augen aller Völker" anerkennen werde. Doch das widerspricht dem Dogma der katholischen Kirche – bis heute.
Schon 1956 hatte der damalige Bischof von Haarlem die öffentliche Verehrung Mariens untersagt, da die Übernatürlichkeit der Erscheinung nach kirchlichen Kriterien nicht festgestellt werden konnte. Eine Bekräftigung dieses Urteils lieferte 1974 die Glaubenskongregation des Vatikans. Zudem verbot sie 2005 die ursprüngliche Fassung eines Gebets, wie es die Gottesmutter angeblich verkündet haben soll.
Mitte Mai hatte der Vatikan eine Reform des Verfahrens zur Prüfung möglicher übernatürlicher Ereignisse verkündet. Seither ordnet der jeweils örtlich zuständige Bischof die Phänomene nach ihrer "Qualität" in sechs Kategorien ein. Die "höchste" Anerkennunggsstufe lautet "Nihil obstat", auf Deutsch etwa: "Nichts steht [der Verehrung, Anm. d. A.] entgegen" – noch kein endgültiges Urteil über die Übernatürlichkeit nach kirchlichem Verständnis, aber die Gläubigen dürfen das Phänomen religiös verehren. Das ungünstigste Urteil ist "Prohibetur et observantur", womit die Verehrung untersagt ist. Das letzte Wort in Sachen Wunder hat immer der Vatikan.
6 Kommentare
Kommentare
Frank Sch. am Permanenter Link
An Peinlichkeit kaum zu überbieten.
Diese Himmelskomiker beleidigen jegliche Form von Intelligenz.
Roland Fakler am Permanenter Link
„Überall wo die Menschen unwissend sind, wird es Propheten, Inspirierte und Wundertäter geben.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Wann begreift die Menschheit endlich, dass es KEINE übernatürlichen Ereignisse gibt
völlig normalen natürlichen Dingen, welche jeder halbwegs intelligente Mensch sofort
durchschaut.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Ich kann diese Kriterien eigentlich nur als Marketing-Empfehlungen auffassen:
»Declaratio de non supernaturalitate: Der Bischof wird ermächtigt, auf der Grundlage konkreter Beweise (!) zu erklären, dass das Phänomen nicht als übernatürlich zu betrachten ist.«
Marketingempfehlung:
Anteil an Übernatürlichkeit gleich Null
Ungeeignetes Produkt; durch öffentliche Ablehnung versuchen, Reputation als vernünftig urteilende Instanz zu gewinnen.
»Prohibetur et obstruatur: Trotz einiger positiver Elemente sind die kritischen Aspekte und Risiken schwerwiegend. Der Bischof soll öffentlich erklären, dass das Festhalten an diesem Phänomen nicht zulässig ist.«
Marketingempfehlung:
Anteil an Übernatürlichkeit äußerst gering
kein gutes Produkt; nicht ins Angebot aufnehmen !
Vor Konsum wird gewarnt.
»Sub mandato: Kritische Punkte, die sich nicht auf das Phänomen selbst beziehen, sondern auf den Missbrauch durch Einzelne oder Gruppen. Der Heilige Stuhl betraut den Bischof oder einen Delegierten mit der pastoralen Leitung des Ortes.«
Marketingempfehlung:
Anteil an Übernatürlichkeit ungewiss
kann man versuchsweide und kontrolliert schon mal ins Angebot aufnehmen.
Hersteller bzw. Vertreiber muss überprüft werden
»Curatur: Kritische Elemente, aber eine weite Verbreitung des Phänomens mit nachweisbaren geistlichen Früchten. Von einem Verbot, das die Gläubigen verwirren könnte, wird abgeraten, aber der Bischof wird aufgefordert, das Phänomen nicht zu fördern.«
Marketingempfehlung:
Anteil an Übernatürlichkeit vermutlich so ungefähr aber nachweisbar
Das Produkt hat das Zeug zum Selbstläufer, Marketing ist aber vorerst nicht empfohlen;
Hersteller bzw. Vertreiber betreiben das Marketing, offenbar erfolgreich, in eigener Regie
»Prae oculis habeatur: Wichtige positive Zeichen, aber auch Elemente der Verwirrung oder mögliche Risiken, die eine sorgfältige Entscheidung und Dialog mit den Empfängern (z.B. Sehern) bestimmter geistlicher Erfahrungen erfordern.«
Marketingempfehlung:
Anteil an Übernatürlichkeit deutlich
Vielversprechendes Produkt; auf jeden Fall schon mal an prominenter Stelle ins Angebot aufnehmen.
Hersteller bzw. Verteiber muss trotzdem laufend überprüft werden.
»Nihil Obstat: Keine Gewissheit über die übernatürliche Echtheit, aber doch Anzeichen für ein Wirken des Heiligen Geistes.«
Marketingempfehlung:
Anteil an Übernatürlichkeit mindestens 50%
Unbedingt vermarkten; Fleißig die Werbetrommel rühren;
werbend darauf hinweisen: kann Spuren von Heiligem Geist enthalten !
Hersteller bzw, Vertreiber sind über jeden Zweifel erhaben
Heinz König am Permanenter Link
Nicht umsonst gilt Glauben als akzeptierter Wahn!
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Siehe das aufklärende Buch von Heinz-Werner Kubitza von 2017 mit dem Titel:
________________________DER GLAUBENSWAHN____________________________
Tetum Verlag