Rezension

Von der AfD zu Pegida, von Wutbürgern zu Brandstiftern

Der Politikwissenschaftler Hajo Funke legt mit "Von Wutbürgern und Brandstiftern. AfD – Pegida – Gewaltnetze" ein Buch zum aktuellen Rechtsruck in Deutschland mit skizzenhaften Beobachtungen vor. Der Autor liefert einen plastischen Eindruck von der Entwicklung und macht dabei auch das damit einhergehende Gefahrenpotential deutlich, allerdings mehr als aufrüttelnde Beschreibung, weniger als wissenschaftliche Studie.

Bei den letzten Landtagswahlen konnte die AfD herausragende Zustimmungswerte verbuchen. Pegida brachte in Dresden zeitweise 20.000 Menschen auf die Straße. Und die Anzahl fremdenfeindlich motivierter Gewalttaten insbesondere gegen Flüchtlinge stieg stark an. Diese Entwicklung macht deutlich, dass man in der Gesellschaft von einem politischen Rechtsruck reden kann und muss. Den Erscheinungsformen und Hintergründen dieser Entwicklung will der Politikwissenschaftler Hajo Funke in seinem Buch "Von Wutbürgern und Brandstiftern. AfD – Pegida – Gewaltnetze" nachgehen. Er versteht es als eine Darstellung, welche die aufgezeigte Entwicklung nachzeichnen will: "Diese im Juli 2016 abgeschlossenen Notizen sind eine skizzenhafte Zwischenbilanz, die zahlreiche öffentliche Beiträge bündelt" (S. 10). Es geht demnach nicht um eine politikwissenschaftliche Studie, Funke nimmt vielmehr seine Leser mit auf eine Reise in ein rechteres Deutschland. Dabei stehen als Akteure die AfD, Pegida, aber auch die Neue Rechte im Zentrum.

Am Beginn macht der Autor auf den Kontext von Unbehagen auch über die Gefahren eines islamistischen Terrorismus und deren Ideologisierung und Transformation hin zu einer Akzeptanz von flüchtlingsfeindlicher Gewalt aufmerksam. Die Entleerung von Demokratie und die neoliberale Abstiegsgesellschaft fördere derartige Tendenzen. Davon ausgehend beschreibt Funke zunächst das Aufkommen von Gewaltbereitschaft und Gewaltexzessen insbesondere in Ostdeutschland. Dem folgen Ausführungen zu Pegida, dem "Protest der Wutbürger" (S. 49). Er macht hierbei auch auf die ansonsten häufig ignorierten Ableger in anderen Bundesländern aufmerksam, hat man es bei diesen doch häufig mit eindeutig rechtsextremistischen Strömungen zu tun. Dem folgt ein längerer Abschnitt zur AfD, wo nach kurzen Betrachtungen zur Entstehungsgeschichte ebenfalls der Blick auf die Entwicklung in verschiedenen Bundesländern geworfen wird. Diesmal finden auch mit Baden-Württemberg und dem Saarland westliche Landesverbände größere Aufmerksamkeit.

Funke meint die AfD sei "rechtspopulistisch in der Methode, rechtsradikal in der Substanz" (S. 73), d.h. die Partei schüre Stimmungen mit noch gemäßigtem Tonfall, sei aber von der Grundausrichtung her noch viel deutlicher positioniert. Nimmt man seine Definition hinzu, dann meint der Autor damit eine Auffassung, die "weit weg von den Standards rechtsstaatlich freiheitlicher Demokratie" ist, die "Demokratie aber nicht in allen Facetten in Frage" (S. 179) stellt.

Besondere Aufmerksamkeit widmet Funke hier auch Björn Höcke, der einen "völkischen Rassismus" (S. 86) vertrete, und Marc Jongen, der als "Parteiphilosoph" (S. 111) gelte. Danach geht es noch kurz um die "Neue Rechte", wobei die "Identitären" und das "Institut für Staatspolitik" im Zentrum stehen. Und schließlich fragt der Autor nach den Konsequenzen: Hier kommt Funke noch einmal auf den Anfang seiner Ausführungen zurück, sieht er doch in der sozioökonomischen Entwicklung nicht nur einen Bedingungsfaktor für die aktuelle Entwicklung, sondern auch ein Rezept dagegen. Dies wäre ein sozialeres Europa.

Der Autor hat selbst zu Beginn des Buches nur von einer Skizzierung der erwähnten Entwicklung gesprochen. Insofern darf man die Erwartungshaltung nicht zu hoch hängen. Es liefert eine überaus informative Darstellung zu den Veränderungen, die mit den Stichworten AfD, Pegida und fremdenfeindlicher Gewalt in den letzten drei Jahren verbunden waren. Dabei merkt man dem Autor seine nachvollziehbare emotionale Empörung immer wieder an, gleichwohl wäre hier und da mehr nüchterne Sachlichkeit angebracht. Irritiert ist man gelegentlich über die Begriffswahl von "rechtsextrem", "rechtsradikal" oder "neue Rechte". Zwar findet sich im Anhang ein Glossar, aber bezogen auf die gemeinten Bestrebungen wären gesonderte Erläuterungen sicherlich noch hilfreich gewesen. Höcke ist für den Autor ein "völkischer Rassist". In der Tat bewegt sich dieser AfD-Politiker ideologisch häufig genug schon im Bereich des Rechtsextremismus. Ist dies aber die richtige Bezeichnung? Wenn ja, dann müssten Höcke und sein Flügel insgesamt auch anders bewertet werden.

Hajo Funke, Von Wutbürgern und Brandstiftern. AfD – Pegida – Gewaltnetze. Unter Mitarbeit von Ralph Gabriel, Berlin 2016 (Verlag für Berlin-Brandenburg), 184 S., 16,00 Euro