Mehr als 10.000 Fördermitglieder

Jahresrückblick der Giordano Bruno Stiftung

"Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch." Mit diesem Hölderlin-Vers kommentierte gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon den bemerkenswerten Anstieg der Stiftungsaktivitäten und Fördermitgliedszahlen im Jahr 2018. In den vergangenen zwölf Monaten ist die Zahl der "Freunde und Förderer der Giordano-Bruno-Stiftung" um mehr als 1500 Personen gewachsen, womit die gbs im "Jahr der Menschenrechte" erstmals von über 10.000 Fördermitgliedern unterstützt wurde.

Bei einem Arbeitstreffen am Stiftungssitz "Haus Weitblick" in Oberwesel gaben Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon und gbs-Geschäftsführerin Elke Held einen Überblick über die Aktivitäten und Entwicklungen des Jahres 2018, in dem sich die Stiftung anlässlich des 70. Jubiläums der UN-Menschenrechtserklärung den Schwerpunkt "Verteidigung der Menschenrechte" gesetzt hatte. Dies waren die Highlights der letzten zwölf Monate aus Stiftungssicht:

1. Quartal: "Frauen dürfen hier nicht träumen", die Debatte um den Schwangerschaftsabbruch und die "Tanzlizenz an Karfreitag"

2018 verzichtete die gbs auf ihren traditionellen Neujahrsempfang. Stattdessen stellte sie am 14. Januar im "Haus Weitblick" die Autobiographie "Frauen dürfen hier nicht träumen" vor, in der Rana Ahmad (Mitbegründerin der "Säkularen Flüchtlingshilfe") ihr Leben als Atheistin in Saudi-Arabien, ihre Flucht über die Balkanroute und ihre teils verstörenden Erfahrungen in Deutschland schildert. Eine Woche später präsentierten Rana Ahmad, Ute Soldierer (Sprecherin) und Michael Schmidt-Salomon (Moderator) das Buch ein zweites Mal in der Urania Berlin. Kurz darauf eroberte "Frauen dürfen hier nicht träumen" erfreulicherweise einen Platz auf der SPIEGEL-Bestsellerliste, wodurch die Menschenrechts-Anliegen der "Säkularen Flüchtlingshilfe", deren Gründung die gbs im vorangegangenen Jahr unterstützt hatte, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden.

Im Februar forderte die gbs anlässlich einer Debatte im Deutschen Bundestag über die (noch immer nicht erfolgte) Abschaffung des Straftatbestands der "Werbung für den Schwangerschaftsabbruch" (§ 219a StGB) eine grundlegende Revision der deutschen Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch. Auslöser der Debatte um § 219a StGB war das Strafverfahren gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel (siehe hierzu auch den kurzen Bericht von der zweiten Verhandlung im Oktober 2010).

Ebenfalls im Februar veröffentlichte das (von der gbs gegründete) Institut für Weltanschauungsrecht einen ausführlichen Kommentar zu dem Suizidbeihilfe-Gutachten von Udo Di Fabio. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte das Gutachten in Auftrag gegeben, um die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom März 2017 zu umgehen, demzufolge das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Menschen in extremen Notlagen den Erwerb eines tödlich wirkenden Betäubungsmittels erlauben muss. Das ifw attestierte dem ehemaligen Verfassungsrichter Di Fabio eine "wissenschaftlich unsaubere und tendenziöse Arbeitsweise" und erinnerte die politisch Verantwortlichen daran, dass sich "auch das Gesundheitsministerium an geltendes Recht" zu halten habe.

Im März erteilte die gbs in Kooperation mit dem bfg München eine "Tanzlizenz" für bundesweite "Heidenspaß-Partys an Karfreitag". Grundlage dafür war und ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2016, das besagt, dass das in einigen Bundesländern strikt verfolgte "Tanzverbot an Karfreitag" nicht gilt, wenn der Tanz "Ausdruck eines weltanschaulichen Bekenntnisses" ist. Zeitgleich mit der Tanzlizenz veröffentlichte die gbs den Videoclip "Das Wort zum Karfreitag", mit dem interessierte Diskothekenbesitzer den weltanschaulichen Charakter ihrer Veranstaltung zweifelsfrei dokumentieren können.

Wenige Tage später feierte die Stiftung das 10-Jahres-Jubiläum der "Rettung des kleinen Ferkels". Im März 2008 wäre das religionskritische Kinderbuch "Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel" beinahe auf den "Index für jugendgefährdende Medien" gelandet und als "das wohl erste Kinderbuch ab 18" in die Geschichte eingegangen.

2. Quartal: 200 Jahre Marx, der 1. Deutsche Ketzertag und das Söder-Kreuz

Am 14. April fand der "Marsch für die Wissenschaft" in 15 deutschen Städten statt, der von der gbs - wie bereits im vorangegangenen Jahr - nicht nur ideell, sondern auch finanziell unterstützt wurde. Neben den "klassischen" Demonstrationen erprobte der "March for Science 2018" auch andere Formate (u. a. die "Science Arena" auf dem Frankfurter Römerberg), um dem politischen Trend zu "alternativen Fakten" und "postfaktischen Argumenten" entgegenzuwirken.

Zum 200. Geburtrag von Karl Marx am 5. Mai 2018 veröffentlichte die Giordano-Bruno-Stiftung die wichtigsten religionskritischen Argumente des Philosophen, die bei den offiziellen Marx-Feierlichkeiten peinlichst ausgespart wurden (vgl. den hpd-Bericht "Marx macht mobil"). Bereits eine Woche zuvor hatte der Wissenschaftsjournalist und Bestsellerautor Jürgen Neffe (Mitglied des gbs-Beirats) seine viel gelobte Biographie "Marx – Der Unvollendete" am Stiftungssitz in Oberwesel vorgestellt.

Vom 9. bis 12. Mai richtete die gbs in Kooperation mit dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) den "1. Deutschen Ketzertag" in Münster aus. Die Veranstaltungsreihe unter dem Motto "Suche Streit – Für eine vernünftige Streitkultur" fand parallel zum "101. Deutschen Katholikentag" statt, der sich selbst das Motto "Suche Frieden" gegeben hatte. Die Vorträge von Ingrid Matthäus-Maier, Philipp Möller, Michael Schmidt-Salomon, Günther "Gunkl" Paal, Johann-Albrecht Haupt, Maximilian Steinhaus, Rüdiger Vaas, Daniela Wakonigg, Hartmut Zinser sowie "Bruder Spaghettus" von der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland wurden teilweise live im Internet übertragen und können über die Website des Ketzertages weiterhin abgerufen werden.

Pünktlich zum Inkrafttreten der neuen Kreuz-Verordnung in Bayern am 1. Juni 2018 veranstalteten die Giordano-Bruno-Stiftung und der Bund für Geistesfreiheit (Bayern) einen "Aktionstag für ein weltoffenes Bayern und einen weltanschaulich neutralen Staat". Im Zentrum der Aktion stand eine Karikatur, die zeigte, wie der bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder mithilfe einer Säge das deutsche Grundgesetz auf Kreuzform herunterschneidet. Die von dem Düsseldorfer Künstler Jacques Tilly (gbs-Kuratorium) eigens für die Aktion gezeichnete Karikatur war in der ersten Juni-Woche vielerorts in München zu sehen und fand in den Medien (u. a. in der Tagesschau) breite Beachtung.

3. Quartal: 99 Jahre Verfassungsbruch, Menschenrechte im Zeitalter der Digitalisierung und der Anfang vom Ende des kirchlichen Arbeitsrechts

Im Juli fand am Stiftungssitz das gbs-Regionalgruppentreffen mit 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt, die "Bundeszentrale für politische Bildung" veröffentlichte einen Grundsatztext über "Bioethik im Evolutionären Humanismus" und die gbs eine englischsprachige Version der Doku "10 Jahre Ex-Muslime"; "10 Years of Resistance against Political Islam".

Zum "99. Geburtstag des demokratischen Verfassungsstaates" am 14. August (Inkrafttreten der Weimarer Verfassung am 14.8.1919) brachten gbs und ifw einen "Verfassungsbruch-Ticker" an den Start, der Sekunde für Sekunde anzeigt, wie lange die führenden Politikerinnen und Politiker Deutschlands das Gebot der weltanschaulichen Neutralität des Staates bereits missachten. Zeitgleich erschien der rechtsphilosophische Aufsatz "Der blinde Fleck des deutschen Rechtssystems", der klarstellt, dass die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger noch immer durch "irrationale, empirisch unbegründete und weltanschaulich parteiische Rechtsnormen" beschnitten werden – und zwar von der "Wiege bis zur Bahre, ja sogar darüber hinaus, nämlich vom Embryonenschutz bis zum Friedhofszwang".

Im September veröffentlichte die gbs die Broschüre "WIE muss Technik? Zur Verteidigung der Menschenrechte im Zeitalter der Digitalisierung", die einen komprimierten Überblick über die ethischen Herausforderungen gibt, welche mit dem zunehmenden Einsatz digitaler Algorithmen einhergehen. (Am Ende des Jahres griff die gbs das Thema noch einmal als Mitveranstalter des prominent besetzten "Stuttgarter Zukunftssymposiums" auf, das unter dem Motto "Mensch werden im Maschinenraum" über die Chancen und Risiken der "Künstlichen Intelligenz" debattierte (vgl. hierzu den Veranstaltungsbericht auf hpd.de).

Erfreut reagierten die Experten des Instituts für Weltanschauungsrechts (ifw) im September auf das wegweisende Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), das die Kündigung eines Chefarztes wegen "fehlender Loyalität" zur katholischen Kirche als verbotene Diskriminierung nach Art. 21 der Charta der Europäischen Union gewertet hat. Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied im ifw- und gbs-Beirat sowie Sprecherin der "Kampagne gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz") wertete das Urteil als den "Anfang vom Ende des kirchlichen Arbeitsrechts in Deutschland".

4. Quartal: #unteilbar, Strafanzeigen gegen katholische Missbrauchstäter und die "Säkulare Woche der Menschenrechte"

Anfang Oktober veröffentlichte die (von der gbs getragene) "Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland" (fowid) eine neue Übersicht über die gesellschaftliche Verteilung die Religionszugehörigkeiten. Demnach verlor die römisch-katholische Kirche 2017 269.000 Mitglieder in Deutschland, die evangelische Kirche (EKD) sogar 394.000. Nach fowid-Angaben stellten die Konfessionsfreien Ende 2017 mit 37 Prozent den größten Bevölkerungsanteil in Deutschland. Mit deutlichem Abstand folgten die Katholiken (28 Prozent), die Protestanten (26 Prozent), die konfessionsgebundenen Muslime (5 Prozent) sowie die Mitglieder sonstiger Religionsgemeinschaften (4 Prozent).

Mitte Oktober unterstützte die gbs die Berliner Großdemo #unteilbar, bei der mehr als 240.000 Menschen ein Zeichen für "eine offene und solidarische Gesellschaft" setzten. Dieses Engagement stieß vereinzelt auf Kritik, nachdem einige Medien (u. a. Spiegel online) die Beteiligung der gbs prominent erwähnt hatten. Die Stiftung ging auf die Kritik in mehreren Stellungnahmen ein.

Ende Oktober stellten sechs renommierte Juraprofessoren in Verbindung mit dem Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) deutschlandweite Strafanzeigen gegen Sexualstraftäter der katholischen Kirche und forderten Ermittlungsverfahren in allen deutschen Diözesen. Die Aktion, die vorab vom SPIEGEL vermeldet wurde, stieß nicht nur auf breite mediale Resonanz, sondern führte auch dazu, dass einige Staatsanwaltschaften inzwischen tatsächlich Ermittlungsverfahren eingeleitet haben.

Die Menschenrechtsaktivitäten der Stiftung im Jahr 2018 (zu denen u. a. auch die Rettung eines säkularen Bloggers aus Bangladesh zählt) fanden ihren Höhepunkt in der "Säkularen Woche der Menschenrechte", die unter dem Motto "Weltbürger statt Reichsbürger" vom 11.–18. November in Berlin stattfand. Den Auftakt machte eine Veranstaltung mit Richard Dawkins und Michael Schermer in der Urania Berlin, die rund 800 Gäste anzog (siehe hierzu auch das exklusive hpd-Interview mit Richard Dawkins). Am darauffolgenden Tag stellte die gbs ihre neue Broschüre "Die Menschenrechte - Wie sie entstanden sind und warum wir sie verteidigen müssen" im Haus der Bundespressekonferenz vor. "Islam und Menschenrechte – verschiedene Kulturen, dieselben Probleme?" war das Thema einer gut besuchten Podiumsdiskussion, an der u. a. Hamed Abdel-Samad (gbs-Beirat) und Mina Ahadi (Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime) mitwirkten (siehe u. a. diese Video-Dokumentation der Säkularen Flüchtlingshilfe). Nach zwei Filmabenden zur Erinnerung an den hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer und den "Weltbürger Nr. 1" Garry Davis (hpd-Bericht, Spiegel-Online-Kommentar) endete die Menschenrechtswoche mit einer sehr aufschlussreichen Debatte über den "säkularen Staat der Zukunft", an der u.a. Bettina Jarasch (Bündnis 90/Grüne) und Ingrid Matthäus-Maier (SPD) teilnahmen.

Um dieses Thema wird es auch bei der Feierstunde zum 70. Jahrestag der UN-Menschenrechtserklärung am 10. Dezember in Hamburg gehen, mit der das "Jahr der Menschenrechte" der Giordano-Bruno-Stiftung ihren Abschluss findet. Jacqueline Neumann (ifw) und Michael Schmidt-Salomon (gbs) werden in der "guten Stube Hamburgs", dem "Haus der Patriotischen Gesellschaft von 1765" u. a. über das "Menschenrecht auf einen weltanschaulich neutralen Staat" sprechen – ein Thema, das die gbs im kommenden Jahr in besonderem Maße beschäftigen wird.

Eine Erfolgsbilanz

Der obige Jahresrückblick vermittelt nur einen Teil der Aktivitäten, die 2018 im Stiftungsumfeld stattgefunden haben (eine ausführlichere Darstellung erfolgt im Tatigkeitsbericht der Stiftung, der im Frühjahr/Sommer 2019 erscheinen wird). gbs-Vorstand und -Geschäftsführung zeigten sich erfreut über die Entwicklungen des vergangenen Jahres. Zwar sei man besorgt über die Bedrohung der Menschenrechte durch den weltweiten Vormarsch von Nationalisten und Fundamentalisten (daher auch die Aktion "Weltbürger statt Reichsbürger!"), doch hätten diese identitären Kräfte in Deutschland bislang (trotz der Erfolge der AfD) kaum Fuß fassen können. Auch die Säkularisierung schreite in der deutschen Bevölkerung (vor allem bei den Jüngeren) immer weiter voran, was die Religionsgemeinschaften zunehmend zum Einlenken zwinge. So habe die Evangelische Kirche Bayerns kürzlich erst entschieden, rückwirkend zum 1. Januar 2018 auf das "besondere Kirchgeld in glaubensverschiedenen Ehen" zu verzichten, gegen das die gbs in Zusammenarbeit mit dem ifw mehrere Musterprozesse geführt hatte.

Stiftungsgründer Herbert Steffen zeigte sich besonders glücklich darüber, dass die gbs bereits im November 2018 die "magische Grenze" von 10.000 Fördermitgliedern überschritten hat: "Ich hatte immer gehofft, aber nicht unbedingt damit gerechnet, dass ich das noch erleben werde. Wie es scheint, muss ich mir nun neue Ziele setzen ..."

Erstveröffentlichung auf der Webseite der Giordano Bruno Stiftung (dort mit vielen Fotos).