WÜRZBURG. (hpd) Mitten im scheinbar stark katholischen Würzburg wurde am 4. Juni 2015 die unterfränkische Regionalgruppe der Giordano Bruno Stiftung gegründet.
Das geschah nicht irgendwo in einem Hinterzimmer mit einer Handvoll Leute. Nein, schon mit der Gründung wollte man ein Zeichen setzen. Man traf sich im schönsten Raum Würzburgs, im Toscanasaal der Residenz.
Es fanden zwei Veranstaltungen direkt hintereinander statt. Einmal um 18.00 Uhr die eigentliche Gründungsversammlung. Und ab 19.30 Uhr eine öffentliche Vortrags- und Diskussionsveranstaltung.
Als Redner waren Herbert Steffen, der Stiftungsgründer, und der bekannte Religionskritiker Hamed Abdel-Samad eingeladen. Der Saal war voll, 130 Leute. Doch was die Erwartungen wirklich übertroffen hat, war die große Anzahl von Leuten, die schon um 18.00 Uhr kamen und zukünftig mitarbeiten wollen.
Es existiert nun eine starke Regionalgruppe der Giordano Bruno Stiftung für Unterfranken mit Sitz in Würzburg. Es wurde kräftigt diskutiert und nachgefragt. Herbert Steffen würdigte den 2014 verstorbenen Unterfranken Karlheinz Deschner. Er wurde seiner Zeit meist totgeschwiegen, von den Medien kaum beachtet. Wäre er ein paar Jahrzehnte später geboren, wäre er heute wohl regelmäßig in politischen Talkrunden im Fernsehen zu sehen und weit über die Grenzen Deutschlands bekannt.
Zudem scheint der alte Satz zu gelten: "Der Philosoph gilt im eigenen Lande nichts." Doch ohne ihn und seine Bücher gäbe es die Giordano Bruno Stiftung nicht. Sein bekanntestes Werk ist “Die Kriminalgeschichte des Christentums”.
In der neuen Regionalgruppe soll Karlheinz Deschner eine wichtige Rolle spielen und die Achtung bekommen, die ihm zu Lebzeiten verwehrt blieb.
Hauptredner des Abends war Hamed Abdel-Samad. Er sprach über den Islam und beantwortete im Anschluss sehr lange Fragen aus dem Publikum. Die Zuhörer waren begeistert.
8 Kommentare
Kommentare
Fabian Krahe am Permanenter Link
Herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"In der neuen Regionalgruppe soll Karlheinz Deschner eine wichtige Rolle spielen und die Achtung bekommen, die ihm zu Lebzeiten verwehrt blieb."
Dieser Satz hat mich zu Tränen gerührt - und den Herbert sicher sehr gefreut.
Viel Glück für die Unterfranken. Ihr seid auf einem guten Weg!
Christian Nentwig am Permanenter Link
Karl Heinz Deschner war der Auslöser, der mich vom Christentum befreit hat.
Voilá! "Abermals krähte der Hahn" Das war der Schlüssel, der meine GGlaubensvoliere aufschloss und ich geistig frei wurde...
Ich werde Karl Heinz Deschner nicht vergessen.
Selbstverständlich hat sein Monumentalwerk "Kriminalgeschichte des Christentums" einen Ehrenplatz in meiner Büchersammlung... Vollständig von Rowohlt.
Ich wünscher der Regionalgruppe viel Erfolg.
Christian Nentwig
Christoph Schwarze am Permanenter Link
Beeindruckend, was ich da in Würzburg, der Residenz des Bischofs am Fronleichnam erleben durfte: Ein Hochamt des Humanismus! Eine Sternstunde der Aufklärung!
Gabriele Röwer am Permanenter Link
"Nur Lebendiges schwimmt gegen den Strom." Karlheinz Deschner
Ich traue meinen Augen nicht: "Er [Karlheinz Deschner] wurde [sic!]seiner Zeit meist totgeschwiegen, von den Medien kaum beachtet."
Diese Behauptung ist so grotesk, dass sich eine Entgegnung eigentlich erübrigt - das Werk Deschners spricht für sich und zu jenen, die es kennen. Denen, die es, auch unter den hpd-Lesern, kaum oder gar nicht kennen, widme ich die folgenden Zeilen.
Auch Jonas Hopf weiß offenbar wenig von diesem Autor. Daher erlaube ich mir, einiges, pars pro toto, nachzureichen zur starken, zumal Medien-, voran Zeitungs-, aber auch Funk- und Fernsehresonanz auf sein über 50 Bücher umfassendes, teilweise in 12 Sprachen übersetztes Werk, Gesamtleserzahl weit über eine Million, Hunderte von Rezensionen (aus der Feder oft namhafter Gelehrter) seiner großen, teils epochalen Arbeiten, die, wie seine umfangreiche, in Auszügen von Deschners Töchtern in "Sie Oberteufel!" veröffentlichte Korrespondenz, im DLA Marbach einzusehen sind.
Bereits mit seinem Romanerstling "Die Nacht steht um mein Haus" (1956) wurde man hellhörig, ein ungewohnter Ton in der Adenauer-Ära, eine zornige Attacke auch auf beliebt-bequeme, ungebrochen gefährliche Denkschablonen; 1957 dann mit "Kitsch, Konvention und Kunst" ein Buch, das neue Maßstäbe in der Literaturkritik setzte, ein Buch, "durch das eine ganze Generation [auch ich] lesen lernte (Günter Maschke), gefolgt von "Abermals krähte der Hahn" (1962), einer die historisch-kritische Forschung moderner Theologen akribisch auswertenden Demaskierung der Grundlagen des christlichen Glaubens und seiner, vor allem frühen, Geschichte - dieses vielgerühmte "Standardwerk der alternativen Kirchengeschichte", wohl das bis in die Gegenwart folgenreichste seiner Werke, löste u.a. die erste große Kirchenaustrittswelle in den deutschsprachigen Ländern aus (in der Schweiz besonders forciert durch den "Mittler" seiner Bücher, den Philosophen und Journalisten Robert Mächler); 3 Jahre später dann machte Deschners "Mit Gott und den Faschisten" Furore, eine weitere Demaskierung kirchlicher Scheinheiligkeit, diesmal im Zeitalter der Weltkriege unter der Ägide des Faschismus; seit 1970 intensive Vorbereitungen für die Ausarbeitung dieser frühen Kirchenkritiken, kulminierend in der (mehrfach, zuletzt bei Alibri 2013 aufgelegten) umfangreichen neuzeitlichen "Politik der Päpste" und, tatkräftig begleitet vom Rowohlt-Lektor Hermann Gieselbusch, in der zehnbändigen "Kriminalgeschichte des Christentums"; für viele nicht minder bedeutsam sind seine landschaftspoetischen Werke (voran seine literarischen Liebeserklärungen an Franken) und sein besonderes Engagement für Tiere (z.B. "Für einen bissen Fleisch - Das schwärzeste aller Verbrechen"/ASKU-Presse Bad Nauheim; vgl. das Interview mit Susann Witt-Stahl https://vebu.de/themen/menschen/interviews/304-eine-revolution-waere-noetig):
Wer einen Blick in Deschners Website (deschner.info /Resonanz, Nachrufe u.a.) wirft, kann sich selbst ein Bild machen von der Fülle medialer Beachtung - Anerkennung wie Diffamierung - , die seinem immensen Werk, nicht zuletzt wegen dessen ungewöhnlicher, auch in seinen vielbeachteten Aphorismenbänden zum Ausdruck kommender, zuletzt von Willi Winkler in der SZ gewürdigter* Sprachkunst, zuteil wurde, geschaffen über Jahrzehnte hin ohne den Mitarbeiterstab wohlbestallter Professoren, ganz auf sich gestellt, gefördert durch Freunde, in den späteren Jahren durch Herbert Steffen, der, oft hervorgehoben, sich erst durch Karlheinz Deschners Kirchenkritik von der Catholica distanzierte bis hin zu Gründung der GBS.
Karlheinz Deschner - "Kaum beachtet"? Wohl kaum!
Auch die Neuauflagen kaum noch zugänglicher, teilweise nur noch antiquarisch zu Höchstpreisen (warum wohl?) erwerbbarer Werke dieses so unbequemen wie mutigen Einzelkämpfers in der Alibri-Reihe "Deschner-Edition" (auf die "Politik der Päpste" folgt in Kürze "Abermals krähte der Hahn") wie auch weitere demnächst folgende Publikationen aus Deschners Nachlass werden die Zeitlosigkeit des Oeuvres dieses kritischen Aufklärers und Radikal-Agnostikers dokumentieren.
* Vgl. eine der fulminanten Würdigungen Deschners durch Willi Winkler: http://michaelalthen.de/michael-althen-preis/der-gewinner-2013/
Rudolf Dieringer am Permanenter Link
Herzlichen Glückwunsch den Unterfranken zur Neugründung einer gbs-Regionalgruppe!!
Seien Sie versichert, dass auch in vielen anderen Gegenden Deutschlands Ihre Arbeit geschätzt und mit Sympathie betrachtet wird!! Alles Gute!
Hans Trutnau am Permanenter Link
Als ich das erste Bild sah, dachte ich, ist das nicht - in der Residenz in Würzburg? Was für ein schöner Ort.
Viel Erfolg der neuen gbs-Regionalgruppe und weiterhin eine so rege Teilnahme!
Horst Herrmann am Permanenter Link
Wahrscheinlich können Sie sich vorstellen, wie sehr mir Karlheinz Deschner fehlt. Ich kannte ihn seit fast vierzig Jahren.
Wer würde an diesen Jahrhundertkritiker heranreichen, dessen Sprachgewalt und Stilsicherheit unerreicht bleiben? Umso verdienstvoller das Projekt der Unterfranken, wenn auch, liebe Gabriele Röwer, zunächst einmal vieles verkürzt erscheint. Mediale Beachtung hat Karlheinz Deschner gewiss gefunden, auch sehr viele Leserinnen und Leser - und doch: Es war angesichts seiner Bedeutung viel zu wenig, es ist noch viel zu tun.