Veranstaltung mit Mina Ahadi zum Gedenken an Samuel Paty

"Es gibt nur universale Menschenrechte"

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Mina Ahadi vor dem Publikum in Heidelberg
Mina Ahadi vor dem Publikum in Heidelberg

Am 16. Oktober jährte sich der brutale Mord am französischen Lehrer Samuel Paty zum zweiten Mal. Am 16. Oktober lag außerdem der vermutlich gewaltsame Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in Teheran genau einen Monat zurück. Diese beiden Vorfälle mit religiös-fanatischen Hintergrund waren Anlass für den Themenabend mit der iranischen Menschrechtsaktivistin Mina Ahadi. Eingeladen hatten die Säkularen Humanisten – gbs Rhein-Neckar und die gbs-Hochschulgruppe Rhein-Neckar nach Heidelberg.

Angesichts der gegenwärtigen revolutionären Ereignisse im Iran hätte der Auftritt der bekannten Menschenrechtsaktivistin und Vorsitzenden des Zentralrats der Ex-Muslime kaum ein aktuelleres Thema finden können als "Frau in Freiheit? – Frau wagt Freiheit! Die Revolution der Frauen im Iran und ihre Folgen".

Mina Ahadi – ihr Leben bestand und besteht aus Kämpfen. Zuerst gegen das Schah-Regime im damaligen Persien – für Freiheit, für Menschenrechte. Dann gegen die Islamische Republik und ihre Mullahs – für Freiheit, für Menschenrechte. Dann als Partisanin in der Kurdenregion – für Freiheit, für Menschenrechte. Und nun ihr Kampf mit Worten, Aufklärung, Forderungen, Warnungen und Mahnungen, wieder für Freiheit und Menschenrechte.

Ahadi war zwar im Rahmen ihrer Kämpfe im Iran immer mit Frauen unterwegs, denn es ging immer auch um die Rechte der Frauen, von Kopftuch bis Steinigung. Und dennoch sagt sie immer wieder: "Es gibt keine östlichen oder westlichen Frauenrechte. Es gibt nur universale Menschenrechte. Die müssen überall und für alle gelten." Das sagt sie, weil ihr manche Aussagen – auch von Feministinnen aus der westlichen Hemisphäre, wonach kulturelle Unterschiede auch Unterschiede in der Behandlung von Frauen rechtfertigten – bitter aufstoßen. Mina Ahadi fällt es zunehmend schwer, die "Toleranz" gegenüber einem Regime, das schlicht dem Politischen Islam verpflichtet ist, zu verstehen. Sie widersprach hier auch ausdrücklich der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, die erst kürzlich wieder unterschieden habe zwischen dem Islam als Religion und dem Islamischen Regime im Iran: "Das ist falsch!"

"Wir wollten ein besseres Leben"

Bereits zu Schah-Zeiten war die Aktivistin auf der Straße. "Wir wollten ein besseres Leben, deshalb haben wir gegen den Schah und sein Regime protestiert." Und plötzlich fand sie sich – kurz vor dem Abschluss ihres Medizinstudiums – in einer islamischen Republik wieder. "Ich wusste gar nicht, wer dieser Chomeini war und woher er kam", wirkt sie heute immer noch ernüchtert. Danach griffen die Mullahs zuerst die Frauen an, indem ihnen Kleidervorschriften gemacht wurden und sie nicht weiter studieren durften. "Ich musste damals einen Tschador tragen. Das wollte ich aber nicht." Und ihr Kampf ging weiter, dieses Mal gegen das islamische Mullahregime. Ihr Ehemann wurde damals verhaftet – und mit anderen Gleichgesinnten hingerichtet. Nach ihr selbst suchte man ebenfalls, auch sie war zum Tode verurteilt worden. Sie musste ihre Heimat verlassen und kämpfte etwa zehn Jahre lang als Partisanin in Kurdistan.

"Es gibt keine östlichen oder westlichen Frauenrechte. Es gibt nur universale Menschenrechte. Die müssen überall und für alle gelten."

Die Todesstrafe und der Kopftuchzwang waren und sind für sie Machtinstrumente des Politischen Islam. "Geschlechterapartheid" nennt sie das. Besonders abscheulich fand Ahadi die Steinigung von Frauen. Sie habe das einmal mitansehen müssen, und fortan war es einer ihrer Schwerpunkte im Kampf gegen das Islamische Regime. Sie gründete das Internationale Komitee gegen Steinigung – und hatte Erfolg: Aufgrund großen internationalen Drucks schafften die Mullahs 2010 diese besonders barbarische Art der Todesstrafe ab.

Damals, so erzählt es Mina Ahadi, habe es insgesamt keine Solidarität im Land gegeben, weshalb der Widerstand gegen Ajatollah Chomeini und seine Schergen letztendlich erfolglos blieb und sich das Regime etablieren konnte.

Die jetzige Situation sieht Mina Ahadi anders. Da sind mutige Frauen auf der Straße, Frauen jeden Alters. Und auch die Männer haben sich dieses Mal solidarisiert. Seit über vier Wochen schon protestieren Menschen im gesamten Iran gegen das Regime. Sie wollen frei sein, keine Kopftücher tragen. Sie wollen, so die Überzeugung der Menschenrechtlerin, in einem westlichen säkularen Staat leben. Und von Europa und den anderen demokratischen Staaten erwartet und fordert sie, dass es mit den Mullahs keine Kompromisse geben dürfe. Ihr Appell: "Schließt ihre Botschaften, zieht eure Botschafter ab. Das ist kein normales politisches Regime wie andere. Es ist ein islamisches Regime, das man nicht anerkennen darf."

Auf die Frage, was wir tun können, antwortete Ahadi: Mischt euch ein, schreibt an eure Abgeordneten und fordert diese auf, keine Kompromisse mit diesem Regime zu schließen. Auch persönliche Sanktionen gegen die islamische Oberschicht, die ihr Geld im Westen habe und ihre Kinder hier studieren ließe. Die deutsche Außenministerin forderte sie auf, mit ihrer feministischen Außenpolitik ernst zu machen, denn dieser Islamismus sei per se frauenfeindlich. Und sie fügte hinzu: "Unsere Hauptidentität ist nicht Moslem oder Muslima, sondern Mensch."

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