MÜNCHEN. (hpd/press) "Du frustrierte Bosporuspussy", schrie der Herr in der San Francisco Coffee Company (SFCC) die zwei jungen türkischen Frauen an. Zuvor hatten sie sich in ihrer türkischen Muttersprache im, stark von Touristen frequentierten, Café am Odeonsplatz in München unterhalten.
Dann passierte, nach der Beschreibung auf der Facebook Veranstaltung "Flashmob: Sirtakiprotokoll gegen Alltagsrassismus", folgendes: Ein gut situierter Herr mittleren Alters forderte die beiden Frauen auf, sie sollten aufhören sich laut auf Griechisch zu unterhalten. Als sie dann erwiderten, dass das Türkisch sei, kam die Reaktion prompt: "Das ist doch auch so eine Scheißsprache. Scheißvolk!" Von nun an "kannte er […] kein Halten mehr". Als die Situation drohte zu eskalieren, wandte sich eine der Frauen an das Personal und traute ihren Ohren nicht als sie sich von einer Angestellten höheren Ranges anhören musste: der Herr habe seinen Kaffee ja auch bezahlt, also hätte er genauso ein Recht darauf zu bleiben. "Ermutigt durch diesen Zuspruch fielen nun bei dem Mann sämtliche Hemmungen und er fuhr fort, in seinen Hasstiraden" und beschimpfte sie als "frustrierte Bosporuspussy", entnimmt man der Facebook Seite den weiteren Verlauf der Situation. Als dann eine der Frauen auch lauter wurde, musste sie sich von derselben Angestellten anhören, sie solle nicht so laut sein, sie vertreibe sonst die anderen Gäste. Was für eine grandiose Pervertierung der Situation, möchte man fast sagen.
Nachdem die Frauen, wenn sie schon nicht auf Unterstützung durch das Café hoffen durften, sich hilfesuchend an die anderen Gäste wandten und deren Meinung dazu hören wollten, erwiderte niemand etwas, einige setzten sich lediglich weg. Als der Mann damit drohte die Polizei zu holen und das den Frauen nur Recht war, erkannte er womöglich die Situation und verließ das Café mit den Worten: "Ihr werdet hier rausgeschmissen werden! Nicht nur aus diesem Café, sondern aus dem gesamten Land!" Die beiden Frauen waren fassungslos über das Verhalten des Café-Personals und der Gäste in einer Weltstadt.
Was der Herr und die SFCC nicht wissen konnten: sie hatten zwei gut vernetzte Künstlerinnen vor sich. Zu diesem Netzwerk gehörte wohl auch das bekannte Münchner Kollektiv "Import Export". Schon zwei Tage nach dem Vorfall wurde über die Facebook Seite von "Import Export" ein Flashmob angekündigt. Das Kollektiv meint dort zu diesem verbalen Übergriff: "Dies ist erschütternd und zeigt, wie sehr Anfeindungen und Diskriminierungen in dieser Gesellschaft schon von den Medien, von der Politik betrieben und bagatellisiert werden und von der breiten Masse geduldet und schweigsam ertragen, ja oft sogar teilweise still und heimlich, mancherorts aber auch schon unverhohlen und laut mitgetragen werden."
Am Donnerstag 19 Uhr versammelten sich dann ca. 200 Personen vor der SFCC. Die Band Unterbiberger Hofmusik eröffnete den Flashmob mit dem – in eigener Kreation bayrisch abgewandelten – türkischen Volkslied "Dere geliyor – ja schee blau". Danach ging man zu einem griechischen Sirtaki über. Ca. 20 Minuten tanzten und lachten die Menschen Arm in Arm vor der SFCC. In der darauffolgenden kleinen Kundgebung ermunterte einer der Musiker die Anwesenden zu ihnen zu kommen, wenn sie auch eine derartige Situation erleben sollten. Sie würden dann schon dafür sorgen, dass Alltagsrassismus nicht unentdeckt bliebe.
Die SFCC entschuldigte sich auf der "Sirtakiprotokoll" Facebook Seite bei den Künstlerinnen für das Verhalten seiner Angestellten und zeigte sich auch sonst sehr betroffen von diesem Vorfall. SFCC kündigte dort auch an, die Flashmob Aktion zu unterstützen und bot jedem Teilnehmer unter dem Code Wort "Nein zu Rassismus" kostenlosen Eistee an. Die Aktion wurde von allen Teilnehmern als sehr gelungen und äußerst positiv bewertet.
Erstveröffentlichung: Pressenza
6 Kommentare
Kommentare
Müller am Permanenter Link
Was haben diese Vorkommnisse mit dem Begriff Rassismus zu tun? Griechen, Türken sind keine eigene Rasse.
Defragmentierung am Permanenter Link
Bitte erst informieren, bevor Sie hier, ausgerechnet HIER (!), Ihre PEGIDA--Parolen abliefern.
"Unabhängig von seiner Herkunft kann Rassismus jeden Menschen betreffen. Die Konvention der Vereinten Nationen unterscheidet nicht zwischen rassischer und ethnischer Diskriminierung."
Wie gesagt, das war 1978! Nach fast 40 Jahren kann man Ihnen so wirklich nur noch ein freundliches, aber bestimmtes, "Guten Morgen!" zurufen.
Auch Ihr Vorwurf des "mundtot zu machen", entbehrt jeder Grundlage. Inwiefern werden Sie in Ihrer Meinungsfreiheit beschnitten? Ich kann hier Ihre "unliebsame Ansichten" doch lesen. Meinungsfreiheit bedeutet aber nicht, dass Ihre Äußerungen sakrosankt wären. Auch dieser Irrtum ist, exakt wie Ihr oben beschriebener, immer nur bei einer ganz bestimmten Klientel zu bemerken. Ein Zufall ist dies sicher nicht!
Sim am Permanenter Link
@ Müller
Gut. Nennen wir es eben Fremdenfeindlichkeit wenn es die Sache besser beschreibt.
Da Sie ja mit keiner Silbe auf die eigentliche Aktion eingegangen sind würde ich gerne nachfragen. Wie finden sie das wenn man Leute anpöbelt die sich des Verbrechens schuldig gemacht haben in einer Nichtlandessprache zu kommunizieren? Ist das tatsächlich ein Anlass für Kritik und muss man die so rüberbringen? Soll hier womöglich der Herr mundtot gemacht werden welcher ja nur fremdenfeindlich aber ja wohl bitte nicht rassistisch motiviert agierte? Ist es das was sie sagen wollen?
Und ist das wirklich das Hauptproblem was sie mit dem ganzen Artikel haben?
@ Topic
Ich finde die Tanzaktion eine sehr schöne Idee. Solchen xenophoben Stinkstiefeln muss man klar zeigen, dass sie isoliert sind. Schlimm wird es wenn sich wie hier, Bedienung und Gast, zwei dieser Leute treffen und sich gegenseitig Rückendeckung geben.
G. R. Müller am Permanenter Link
Den besagten Vorgang am Odeonsplatz, habe ich bewußt nicht kommentiert, sondern der zunehmend inflationäre Gebrauch des unscharfen Begriffs Rassismus war der Grund für meine Replik.
Auf den Kommentar Ihres Vorredners zu meiner Replik werde ich auch nicht weiter eingehen, mir fällt dazu nur ein: Dumm-dreist-arrogant.
Defragmentierung am Permanenter Link
Sorry, aber das ist symptomatisch für München. Ich war in meinem Leben 4 mal in München. Bei jedem dieser Besuche wurde ich selbst Opfer oder Zeuge von rassistischen oder homophoben Übergriffen. Jedesmal!
Es ist aber schön zu lesen, dass es wohl endlich Widerstand gegen den 30er Jahre "Flair" in Bayern gibt. Gratulation zu der gelungenen Aktion!
Muhandis79 am Permanenter Link
Alles klar, das sind ganz typische tägliche Situationen in einem Münchner Straßencafe. Leute, was soll diese Hasstriade auf München? Derartige Berichte bringen weder Lösungsansätze noch fallbezogen Gerechtigkeit.