Ein Leitfaden zum Kopftuch-Verbot

(4) Die Frage der Beamten wird hier nicht weiter diskutiert: es genügt der Hinweis (zusätzlich zu '3. b "und" '4. b. (1) - (9)), dass alle Personen, die entweder intern oder extern Einfluss oder Macht ausüben, nach dem berühmten Urteil eines britischen Richters, sogar die Vermutung einer eventuellen Parteilichkeit unmöglich machen müssen (Gordon Hewart (1924): "not only must Justice be done, it must also be seen to be done").
 
(5) Eine Verordnung für die Primar- und Sekundarschulen sollte selbstverständlich für die ganze Schule gelten. Der Vorschlag, ab dem Erreichen eines bestimmten Alters  (z. B. 16 Jahre) etwas zu verbieten oder zu erlauben, würde zur Diskriminierung von Schülern in derselben Klasse führen, und würde die Kontrolle der Anwendung dieser Regeln unausführbar machen.
 
(6) In den Grundschulen ist ein Verbot des Hijabs eine offensichtliche Notwendigkeit. Auch in vielen muslimischen Ländern ist es üblich, Kleidungsordnungen nur ab dem Beginn der Pubertät anzuordnen. Der Islam kennt keine Kopftuchverpflichtung für sexuell unreife Mädchen (auch nicht für Frauen nach der Menopause: S. 24, 60).
Ein Appell an die religiöse Freiheit ist in diesem Zusammenhang daher nicht möglich.
Aus unserer Sicht begeht man auch einen Verstoß gegen die Rechte des Kindes, wenn es während dieser Zeit der Unmündigkeit in eine Zwangsjacke gezwungen wird, aus dem es schwierig ist, sich später zu befreien. Als "Herr über das eigene Haupt" kann man so ein Kind natürlich nicht bezeichnen.

Grundsätzlich ist es in diesem Alter wichtig, dass die Kinder in den Schulen sich ausrichten auf das, was sie verbindet: Wir müssen jeden Anlass zur Isolation oder Diskriminierung in jeder Richtung vermeiden.
 
(7) Das Problem ist vor allem eins auf dem Niveau der Sekundarstufe. Obwohl die Rechte aus Art. 9 EMRK nicht in vollem Umfang gelten, weil diese Schüler in der Regel noch unter Vormundschaft stehen, erkennt man diesen aber ein gewisses Recht auf Mitsprache bei den sie betreffenden Angelegenheiten zu. Ein Verbot des Kopftuchs verlangt deshalb eine detaillierte Argumentation.
 
(a) Die Schule, insbesondere die Klassen in der Sekundarstufe, führt zu intensiven Kontakten zwischen jungen Menschen, die so stark sein können, dass sie sich ein Leben lang daran erinnern (davon zeugen die vielen Klassentreffen noch Jahrzehnte später). Dieser interne Zusammenhang ist eine Quelle von positiven Erfahrungen: die Interaktionen und Freundschaften, unabhängig von Muttersprache, ethnischer Zugehörigkeit oder Ideologie, können einen starken Einfluss in Richtung Toleranz und Gemeinsamkeit ausüben. Um sicherzustellen, dass alle Meinungen und Befindlichkeiten im gleichen Umfang berücksichtigt werden, ist es wünschenswert, dass keine Meinung in einer bestimmten Weise in den Vordergrund gesetzt wird.

Jahrzehnte lang waren Probleme in dieser Hinsicht nicht vorhanden. Das Aufkommen des Hijabs, und dies allein, hat diesen Konsens nun in mehreren Schulen durchbrochen.
Wie oben erläutert ('2, g, (3) - (5)) beschränkt das Kopftuch sich nicht in einer bloßen Bezugnahme auf eine bestimmte Herkunft  - wie das mit einem Kreuzchen, einem Sternchen, einem Händchen der Fatima oder einem (Freidenker-) Fackelchen an einer Kette, vielleicht der Fall sein könnte -: Es geht im Gegenteil hierbei um den Ausdruck einer fundamentalistischen Auslegung des Korans und der Sunna, die auch von vielen Muslimen nicht geteilt wird (siehe 2 b.-f.).

Das bedeutet, dass in Bezug auf verschiedene Überzeugungen und Einstellungen (auf die Mann-Frau-Beziehungen, die Evolution, die Homosexualität, etc.) Cliquen entstehen können, während im Unterricht jeder einzelne Schüler in Interaktion mit den Lehrkräften und allen Mitschülern zu einer autonomen, eigenen Meinung kommen sollte. Solche Gruppenbildung führt zu dem, was in Frankreich "Kommunitarismus" genannt wird und ist verhängnisvoll für eine offene, individuelle, persönliche Entwicklung junger Menschen.
 
(b) Die enge Beziehung innerhalb einer Schule oder Klasse oder einer Teilgruppe davon, kann auch negative Aspekte verzeichnen, wobei die gegenseitige Kontrolle zu Beeinflussung und Einschüchterung führen kann. So kann die Freiheit, z.B. kein Kopftuch zu tragen, die Evolutionstheorie zu verteidigen oder einen regen Kontakt mit Jungs zu haben, etc., in Gefahr kommen. Wer das Bestehen solcher Mechanismen bestreitet, hat keine Kenntnis von Gruppendynamik und hat keine Kontakte in der muslimischen Gemeinde (oder handelt einfach in böser Absicht). Solche Zustände werden durch die Betroffene als schmerzhaft wahrgenommen und bremsen die Entwicklung zu einem freien und solidarischen Erwachsenenwerden. Die Geschlossenheit der Gruppe und die Angst als "Verräter" zu gelten, verbunden mit der inneren Unsicherheit, verhindern oft dem Eingeschüchterten das Problem nach außen zu tragen.