Was ist Islamismus und wie erkennt man ihn?

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Islamistische Extremisten auf einer Demonstration mit Plakataufschriften wie "Köpft alle, die den Propheten beleidigen" und "Unsere Toten sind im Paradies, eure Toten sind in der Hölle!"
Islamistische Extremisten auf einer Demonstration

Islamismus ist eine ultra-religiöse, ultra-konservative Ideologie, die Menschenrechte, die Moderne und Errungenschaften wie Parlamentarismus und Gleichberechtigung ablehnt. Trotzdem findet er Apologeten auch in Deutschland. Eine Antwort auf meine Kritiker.

Da unter einem meiner Artikel davon die Rede war, dass ich hier im Humanistischen Pressedienst "islamfeindliche Artikel" veröffentlichen würde und dürfte, und dass die Kurzzusammenfassung meiner "gesammelten Werke" "Alles Islamisten!" wäre, möchte ich die Chance nutzen, nochmals zu erklären, was Islamismus und Islamisten ausmacht und was eben auch nicht.

Dabei soll es nicht um die konkrete kommentierende Person gehen und schon gar nicht darum, diese vorzuführen. Stattdessen soll die gestellte Frage "Wie unterscheiden wir, wer Islamist ist und wer nicht?" ernst genommen und beantwortet werden. Ob das die konkrete Person dann überzeugt oder nicht, wird sich zeigen und ist dabei nebensächlich.

Der Islamismus ist eine historisch gesehen recht junge Entwicklung, die sich als anti-moderne Reaktion auf die Herausforderungen der Moderne ab den 1920er Jahren in Ägypten entwickelt. Der Islam ist da bereits über 1.300 Jahre alt. Der Islamismus versucht, den relativen Bedeutungsverlust der islamischen Welt des Nahen und Mittleren Ostens, der im Mittelalter dem christlichen Europa militärisch und wissenschaftlich überlegen oder mindestens ebenbürtig war, religiös zu erklären.

Der Islamismus übernimmt dafür eine Dekadenz-Erzählung, wie wir sie auch aus rechtsextremistischen Kreisen im Europa der 1920er Jahre kennen, und verbindet sie mit ähnlichen Erzählungen der islamischen Tradition aus dem späten 13. Jahrhundert, insbesondere des Autors Ibn Taimiya.

Ein angeblicher Verfall der Sitten führt zu einer Schwächung des Gemeinwesens, mit dem man sich dann den relativen Bedeutungsverlust der eigenen Kultur gegenüber anderen geopolitischen Mächten erklärt. Anstatt auf gesellschaftliche Organisationsformen, wirtschaftliche Voraussetzungen und technische Entwicklungen zu blicken, begibt man sich auf ein Feld, das man heute "Kulturkampf" nennen würde.

Was Islamisten von einfachen Muslimen in aller Welt unterscheidet, ist, dass der Islamismus einen politischen Anspruch erhebt, das Leben von Muslimen und selbst Un- oder Andersgläubigen in seinem Einflussbereich zu regulieren. Er erhebt den Anspruch Herrschaftsform zu sein, was "der Islam" nicht tut und was von der Mehrheit der Muslime abgelehnt wird. Oft geschieht dies in umfassender Form, die alle Lebensbereiche betreffen soll. Zu glauben, dass es im Islam keine Trennung von Politik und Religion gäbe ist schon der erste Schritt Islamisten auf den Leim zu gehen, die diese Behauptung gerne aufstellen. Ein Beispiel hierfür ist Hasan al-Banna, der Gründer der Muslimbruderschaft.

Was Islamisten von einfachen Muslimen in aller Welt unterscheidet, ist, dass der Islamismus einen politischen Anspruch erhebt, das Leben von Muslimen und selbst Un- oder Andersgläubigen in seinem Einflussbereich zu regulieren.

Insofern ist auch die mir untergeschobene Aussage "Alles Islamisten!" falsch. In keinem meiner Artikel habe ich behauptet, dass alle Muslime Islamisten seien, oder dass "der Islam" derartiges fordern würde. Stattdessen wird die häufig von Islamisten verwendete Aussage übernommen, dass alle Kritiker des Islamismus "Islamfeinde" seien. Eine Aussage, die vor allem muslimische Kritiker des Islamismus und Ex-Muslime trifft. Wenn man bedenkt, dass "Apostasie" (also der Abfall vom Glauben) nach konservativen Auslegungen des Islam mit dem Tode zu bestrafen ist, dann stellt sich schon die Frage, ob die westlichen Islamismus-Apologeten wissen, was sie tun.

Woran erkennt man aber nun Islamisten? Nun ja, man hört ihnen zu oder liest ihre Werke. Wer ein Kalifat fordert, wer "den Islam" zur Grundlage des Zusammenlebens machen möchte oder Parlamentarismus und Demokratie als "unislamisch" ablehnt, der ist Islamist. Wer die Scharia als Grundlage einer Staatsordnung implementiert sehen möchte oder sich eine Theokratie oder ein Kalifat wünscht, ist Islamist. Wer hingegen seine Religion im friedlichen Nebeneinander der Religionen und Weltanschauungen auslebt und sich keine theologische Basis der Gesetzgebung wünscht, der ist es nicht.

Deshalb habe ich auch nie behauptet "Alles Islamisten!" sondern habe spezifische Organisationen und Autoren angeführt. Egal ob die Muslimbruderschaft, Hasan al-Banna (ihr Gründer), Sayyid Qutb (einer ihrer Vordenker) oder Mohammed Amin al-Husseini, von dem es Bilder mit seinem Idol Adolf Hitler gibt, es handelt sich keineswegs um "progressive Linke", wie Judith Butler noch 2006 in Bezug auf die Hamas (ein Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft) behauptete.

Ich finde es erschreckend und es will mir nicht in den Schädel, wie gerade linke, sich als progressiv verstehende Menschen mit einer solchen Ideologie gemeinsame Sache machen können und wollen. Wie Heidi Reichinnek, die 2016 eine "programmatische Einbeziehung" auch reaktionärer Kräfte forderte oder eben kürzlich die Berliner Jungsozialisten, die den Begriff "Islamismus" nicht mehr verwenden wollen, weil er angeblich den Islam als Ganzes stigmatisieren würde, ganz im Sinne der Kräfte, die schon immer "Islamophobie" als Schutzschild vor sich hertragen.

Der Islamismus ist eine ultra-reaktionäre Ideologie (im politischen Äquivalent würde man von rechtsextrem sprechen), welche die Menschenrechte, Demokratie, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit ablehnt. Seine Opfer sind größtenteils liberale Muslime und Ex-Muslime. Mit diesen sollten wir uns solidarisch zeigen.

Ich weiß nicht, ob ich mit dieser Erklärung jemanden überzeugen konnte. Aber wer Näheres zu meinen Positionen zum Islamismus erfahren möchte, kann gerne in meinem Buch "Im Namen Allahs?" nachlesen. Dort kommen entsprechende Autoren in ihren eigenen Worten ausgiebig zu Wort. Es sollte in jeder Universitätsbibliothek zu finden sein.

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