Das nächste Projekt bitte ...

BERLIN. (hpd) Es steht – je nach Sichtweise – zu befürchten bzw. zu erhoffen, dass sich der Jubilar, Manfred Isemeyer, auch an seinem heutigen 60.

Geburtstag   zumindest gedanklich, wenn nicht gar dienstlich damit beschäftigt, welches neue Projekt das sowieso schon breite Profil des Humanistischen Verbandes Berlin noch weiter verbreitern, den Umsatz um ein weiteres Milliönchen erhöhen und die Beschäftigtenzahl weit über die Tausenderzahl heben könnte. Während andere mit Sechzig ans Altenteil und an arbeitsrechtliche Narrenfreiheit denken und sich sagen, Ihr könnt mich mal ..., sagt er sich garantiert, erwartet dies nicht, her mit der Schule, macht das Hospiz größer, eröffnet das zweite Hotel ...

Offene Türen

Ich erinnere mich an unsere erste Begegnung unmittelbar nach Gründung des HVD Anfang 1994 in der Hobrechtstraße: Büro offen, mit Klaus Sühl (damals Bundes- und Landesvorsitzender) über Akten sitzend, ... komm rein, nimm Platz, was können wir für Dich tun (ihn kannte ich nur aus der Lektüre von „diesseits“ schon zu DDR-Freidenkergründungszeiten; Sühl schon länger aus gemeinsamen Forschungen zur historischen Arbeiterkultur). Noch heute sind die Türen (falls nicht gerade beraten wird) stets offen, wenn er auch in die 3. Etage der Wallstraße gezogen ist, wo der Verband inzwischen fast vier Etagen besetzt und schon die Personalgröße der Finanzbuchhaltung zeigt, dass hier ein Mittelbetrieb seinen Hauptsitz hat.

Ich wusste damals schon, dass ich irgendwann wegen Mangel an Bedarf von der Uni fliegen würde (was dann Anfang 1997 geschah) und war auf der Suche nach bezahlter Arbeit. Jedenfalls fiel bei mir die Entscheidung, die „Dissidenten“ zu schreiben, und bei ihm ein typischer Satz: Er wolle sich kümmern. Heute weiß ich, dass dies alles bedeutet und ihn zu nichts verpflichtet, wenn er auch den hilfreichen Eindruck vermittelt (jedenfalls an Menschen, die stets positiv denken), er werde sich bemühen.

Kümmern kann viel bedeuten. Es kann, wenn man nicht nachfragt, versickern; es kann zu „es wird nichts“ führen; jedenfalls findet es immer zu einem fast biblischen Ende (Jakobus 5, 12): „Es sei aber Euer Ja ein Ja und das Nein ein Nein, auf daß Ihr nicht unter das Gericht fallet.“ Und das gilt dann auch – punktum, Geschäftsführerwort. Gerecht ist, wer alle gleich behandelt. Wer mosert, dem droht Liebesentzug, seine schwerste Strafe.

Was ein „GF“ so den ganzen Tag lang macht ...

Zunächst, Manfred Isemeyer begann als Autodidakt. Mir liegt die aktuelle Stellenbeschreibung vor, die im Folgenden benutzt wird, denn inzwischen hat er ausgewiesene erfolgreiche Managementerfahrungen und unternehmerische Fähigkeiten (Initiative, Kreativität, Entscheidungsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen) ebenso unter Beweis gestellt wie Kommunikationsfähigkeit, verbunden mit Integrations- und Verhandlungsfähigkeit und betriebswirtschaftliche sowie juristische Kenntnisse. Denn so ein „GF“ ist Vorstandsberater, Gremienbetreuer, Außenminister, Interessenvertreter, Gesamtkoordinator und interne Führungskraft.

Der „GF“ hat sich – für den „Betrieb HVD Berlin“ – einen beachtlichen Apparat geschaffen, der die Verbandsorgane, Kommissionen und Arbeitsgruppen betreut (manche sagen „beherrscht“), Grundsatzangelegenheiten und Satzungsänderungen für den Vorstand erarbeitet, Pläne und Jahresberichte erstellt, Projekte konzipiert, Programme schreibt, Schwerpunkte setzt, Mitarbeiter führt, Verträge ausarbeitet, Sitzungen vorbereitet, Protokolle verantwortet, Vollzug durchsetzt, den Markt beobachtet, das Budget verwaltet, den Verkauf anheizt, die gesamtverbandliche Politik koordiniert, die Medien unterrichtet usw. usf. – Es ist mir einfach zu viel ...

Neuem eine Chance geben

Manfred Isemeyer studierte Sozialarbeit und politische Wissenschaften in Kiel und Berlin und schloss ab als Diplom-Pädagoge und Politologe. Seit 1983 ist der „GF“ im Dienst (Achtung, noch ein Jubiläum steht an: 25 Jahre!). Er erhielt 2003 den Bundesverdienstorden und heiratete 2007 demonstrativ humanistisch – ein lang Suchender und zum Heiraten spät Berufener.

Er ist demonstrativ nur im HVD organisiert, also kein Multi-Atheist. So viel ich weiß, gehört er – Freizeitvereine zählen nicht – vereinsmäßig nur noch der Humanistischen Akademie Berlin eV. und dem hpd eV. an, wo er Schatzmeister ist. Die Geschichtsseite der gbs-Homepage vermeldet lapidar wie, diese Geschichte begann: „26.01.06 Treffen des GBS-Vorstands und Kuratoriums in Hamburg mit den HVD-Repräsentanten Dr. Horst Groschopp und Manfred Isemeyer. Vereinbarungen über die künftige Zusammenarbeit: Gemeinsame Trägerschaft von fowid sowie Einrichtung und Unterhaltung eines Humanistischen Pressedienstes (hpd) mit selbständig arbeitender Redaktion“. Daraus wuchs dann die HUMAG, dann der hpd.eV.

Damit ist der für mich wichtigste Zug seines Wirkens unter den Säkularen angesprochen, für den ein Bundesvorsitzender, der jetzt „Präsident“ ist und der ebenfalls dies und das will, nur dankbar sein kann, sei es der hpd, die Sichtungskommission, die „Wende“ im Verhältnis zur Jugendweihe usw. usf. – er schreitet mutig aus und auch hier ist wichtig: Das gesprochene Wort gilt und vertrauliche Telefonate erledigen, was zu erledigen ist. Er hat sicher eine innere freidenkerische Mission, die nach außen den Laden größer gemacht hat.

Haus der Freien und Willigen

Die „offene Tür“ ist Symbol für Ermutigung und Zeichen dafür, dass sich der „GF“ aus humanistischer Überzeugung heraus um andere Menschen bemüht und der in besonderer Weise zum kulturellen Zusammenwachsen Deutschlands beigetragen hat.

Das ist ein Kapitel für sich, nämlich zu erkennen, dass er begriff, welche Chancen im Beitritt der DDR zur Bundesrepublik gerade in Berlin lagen. Er war wohl einer der wenigen, der verstand, dass die Wiedervereinigung erst einsetzte als andere meinten, sie sei schon da. Auch hier auffällig das Bemühen um Menschen, die im DDR-Freidenkerverband organisiert oder gar Hauptamtliche waren, die eine humanistische Einstellung mitbrachten, einen Kopf zum eigenen Denken und den Willen, es sich und anderen zu beweisen. Das gelang. Ohne die Ostfrauen – mit Verlaub und fortdauerndem Respekt vor den männlichen wie weiblichen Wessis – keine Sozialstationen und keine Kindergärten und keine neuen Jugendfeiern und was weiß ich noch alles ... vor allem keine „Oberverwaltung“ und keine „Freiwilligenarbeit“ ohne die arbeitsamen Damen des großen Hauses.

Als die Berliner Senatorin Knake-Werner am 22. September 2003 Manfred Isemeyer den Orden an die Brust heftete, sagte sie völlig berechtigt:

Er „fördert in außerordentlicher Weise die Freiwilligenarbeit und engagiert sich sehr für die Belange der Ehrenamtlichen. Sein Interesse für soziale Fragen und ehrenamtliche Arbeit bildete sich schon während der Jahre aus, in denen er in der 'Sozialistischen Jugend Deutschlands Die Falken' tätig war.
Diese soziale Einstellung hat seinen Studienwunsch und später seinen beruflichen Werdegang geprägt. ... Seinen Anregungen und Initiativen ist das freiwillige, bürgerschaftliche Engagement ... zu verdanken, deren Arbeit zentraler Bestandteil der Arbeit des Humanistischen Verbandes zum Nutzen der Bevölkerung ist. Denn sie betreuen Kranke, Sterbende, Behinderte sowie Kinder und Jugendliche. ...
Manfred Isemeyer unterstützte den Aufbau neuer, vom Staat unabhängiger freidenkerischer Organisationen in den neuen Bundesländern. Insbesondere verhalf er der in der DDR verbreiteten Jugendweihe zu einem von demokratischer Kultur geprägten Neuanfang.“

Flinke Feder

Manfred Isemeyer ist einer der wenigen im HVD, die neben ihrer ja nicht gerade geringen Arbeit schreiben – richtige Wissenschaft. Die Chefredakteurin unserer „diesseits“ hat für den heutigen Anlass zwanzig Artikel in unserer Verbandszeitschrift gezählt. Mindestens drei wichtige Bücher sind zu nennen: „100 Jahre Jugendweihe“ (1989; mit Klaus Sühl), „Metropole des Humanismus: das atheistische Berlin“ (2005), „Humanismus ist die Zukunft“ (2006). Die ersten Publikationen, auf die ich gestoßen bin, stammen aus dem Jahr 1972. Da gab er für den Berliner Freidenkerverband Schriften heraus. Inzwischen gibt es eine extra Mitarbeiterzeitung ...

1978 veröffentlichte er seine Diplomarbeit (an der FU Berlin) zu einem Thema, das ihn wohl auf sein Wirken vorbereitete: „Zur Theorie und Praxis politischer Arbeiterbildung. Entwurf von Bildungsmodellen für die außerschulische politische Jugendarbeit mit Arbeiterjugendlichen, dargestellt am Beispiel der SJD Die Falken.“ Da die Freidenker damals erkannten oder später durch ihn erkennen mussten, dass, wer nur auf Jugendweihen baut, keine Mitglieder bindet, die mehr wollen, wurde daraus Jugendarbeit und später, vor nunmehr 24 Jahren, Lebenskunde. Aus dem Jahr 1981 ist die Schrift „Zwischen ’rotem Pfadfindertum’ und ’politischem Kampfverband’“ – sie signalisiert die „Wende“.

Als Redakteur von „humanismus aktuell“ (auch so ein gezieltes Projekt mit ihm) möchte ich darauf verweisen, dass die bisher 21 Hefte einige Artikel von ihm enthalten und dass in der „Szene“ und deren Geschichte niemand Bescheid wissen kann, ohne da reinzuschauen. Hier die Überschriften der Artikel mit den Heftnummern in Klammern:

  • Hochzeit auf Hawaii (2)
  • Humanismus zwischen Gemeinnützigkeit und Gewinnstreben (3)
  • Jugendfeier des HVD (7)
  • Humanistische Zukunftsdebatte (10)
  • Zur Finanzierung der Weltanschauungsverbände in Deutschland (12)
  • Freigeistige Bewegungen in der Bundesrepublik 1945-1990 (20).

Spätestens an dieser Stelle ist zu erwähnen, dass ohne Manfred Isemeyer und seinem Sinn für Geschichte, die Person Max Sievers weniger erforscht wäre, es das „Kulturhistorische Archiv“ nicht gäbe, nicht die Ausstellung (und das Buch) „Kein Jenseits ist, kein Aufersteh’n“, nicht die Ausstellung (und Broschüre) „Humanismus – Geschichte und Gegenwart“ und nicht die bisher drei Foto-Ausstellungen, bestückt mit Bildern, die er fotografiert hat.

Da er gern die Welt bereist, kann man sich die ansehnliche Sammlung vorstellen. Und da ich nebenan zu meinem Arbeitszimmer das „Redaktionsbüro Gabriele Groschopp“ zu sitzen habe und die Klage, „verdammt, wo ist das Bild“, nicht mehr hören will, kann ich nur in ihrem Namen ausrufen: Jetzt ist das Projekt „Bildarchiv des HVD“ dran und ein Lehrgang, „Wie verwalte ich meine Bilddateien so, dass ich finde, was ich suche?“ – z.B. ein Bild des „GF“.

Glückwunschadresse

Machen wir es abschließend offiziell:

Sehr geehrter Herr Isemeyer,
sehr geehrter Herr Vorsitzender der Humanismus Stiftung Berlin,
sehr geehrter Herr Landesgeschäftsführer,
lieber Freund,
lieber Manfred,

der organisierte Humanismus in Deutschland hat Dir viel Einsatz von Lebenszeit zu verdanken. Was einmal bleibt, das sind Werke – auch Deine. Diese sind zu besichtigen, zu lesen und anzufassen. Der Humanistische Verband Deutschlands, der Bundesverband, dankt Dir – sicher im Namen aller Mitglieder – für Dein unermüdliches Engagement. Bleibe gesund, bleibe uns gewogen und beschäftige uns, denn wir wissen, dass auch Du Dich einsetzt. Wir wissen nicht, was Du demnächst tun wirst, aber wir wissen, was Du garantiert nicht tun wirst, nämlich unsere humanistische Sache vernachlässigen.

In diesem Sinne wünschen wir Dir und den Deinen eine schöne Feier.

Dr. Horst Groschopp
Präsident des HVD

Viele Grüße
Dein Kollege Horst G.