USA. (hpd) 2014 war ein bewegtes Jahr. In der Ukraine kam es nach langen Protesten erst zum Regierungswechsel und dann zum Bürgerkrieg. Russland ließ seine Truppen einmarschieren und den Kalten Krieg wiederaufleben. Gleichzeitig schaut die Welt besorgt auf den Nahen Osten, wo sich barbarische Massaker ereignen. Und dann brach auch noch die Seuche Ebola aus. Genug Diskussionsstoff für die Christliche Rechte.
Im März starb der radikale Prediger Fred Phelps. Der Leiter der Westboro Baptist Church war mit den Slogan “God hates fags” berühmt geworden. Die steigenden Todeszahlen im Irak und in Afghanistan bereiteten ihm große Freude. Seine Gemeinde besuchte stets die Beerdigungen amerikanischer Soldaten, um deren Familienangehörigen zu erzählen, dass Gott so die USA für ihre homosexuelle Politik bestrafe. Wegen seiner homophoben Ausbrüche war er selbst unter den meisten Evangelikalen verhasst. Diese behauptete, Phelps sei von der Homoloby gekauft, um durch seine Hetze konservative Christen schlecht aussehen zu lassen.
Zwar gab es oft genug Spannungen zwischen Christlicher Rechte und dem Weißen Haus, trotz aller Differenzen standen die Evangelikalen dennoch immer treu zu ihrem Vaterland. 2014 brachte hier die Trendwende. Viele Vertreter der Christlichen Rechten sehen nun in Putins Russland das große Vorbild. Noch in den 80er Jahren hatte der, bei den Evangelikalen beliebte, Ronald Reagan die atheistische Sowjetunion als “Reich des Bösen” bezeichnet. Dass der derzeitige russische Präsident eine KGB-Vergangenheit hat, sollte also eigentlich die Alarmglocken läuten lassen. Dennoch sind die Evangelikalen glücklich, dass Putin die Russisch-Orthodoxe Kirche gestärkt und Schwulen den Krieg erklärt hat. 2013 stieß das “Gesetz gegen homosexuelle Propaganda” auf Beifall im Bible Belt.
Nach den Euro-Maidan-Protesten kam es in der Ukraine zum Regierungswechsel. Im instabilen Land ist ein Bürgerkrieg ausgebrochen, der bis jetzt 5000 Todesopfer forderte. Putin nutzte die Schwäche des Nachbarlandes aus, um die Krim zu besetzen, die in einem fragwürdigen Referendum ihre Zugehörigkeit zu Russland bekundete. Zwar betete Glenn Beck dafür, dass Gott den russischen Präsidenten töten möge, um die USA zu schützen, in der Christlichen Rechten wurden jedoch Schuldzuweisungen an Obama laut.
Erik Rush beschuldigte Obama, in der Ukraine ein Nazi-Regime errichtet zu haben, um den 3. Weltkrieg auszulösen, der den Niedergang Amerikas einleiten solle. Scott Lively erklärte Putins Einmarsch auf der Krim zur Notwehr. Obamas Eintreten für Schwulenrechte in der Ukraine habe eine russische Gegenreaktion provoziert. Für die American Family Association erklärt sich die militärische Eskalation durch eine Drag-Show auf einem amerikanischen Armeestützpunkt. Dadurch hätte das US-Militär schwach gewirkt und Putin zur Invasion eingeladen. Don Feder schlug vor, die russischen Spezialeinheiten auf der Krim von schwulen US-Soldaten mit Dildos bekämpfen zu lassen.
Scott Lively äußerte seine Hoffnung, dass Putin den Marxismus in den USA besiegen könne. Er solidarisierte sich mit Russland, weil es die einzige Großmacht sei, die Homosexualität entschieden bekämpfe. Pat Buchanan begründete seine Sympathien für Putin mit dem Sieg von Travestiekünstler Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest. Franklin Graham lobte Russlands Unterstützung für Syriens Diktator Assad. Dieser sei der einzige Staatschef im Nahen Osten, der Christen nicht diskriminiere. Dass Assad gleichzeitig aber über 100.000 Menschen im syrischen Bürgerkrieg ermordete, besorgt Graham weniger.
Der World Congress of Families hielt sein diesjähriges Treffen im Kreml ab. Dass die russischen Politiker, die hinter der Einladung stehen, mit Sanktionen wegen der Ukraine-Krise belegt sind, schreckte die Evangelikalen offenbar nicht ab. Sie besuchten den Kongress dennoch.
Im August erschoss ein weißer Polizist den schwarzen Jugendlichen Michael Brown in der Stadt Ferguson. Der Todesfall führte zu einer Debatte über rassistisch motivierte Polizeigewalt. Diesen Monat ließ ein Gericht die Anklage gegen den Polizisten fallen, weil sie keine Anhaltspunkte für Fehlverhalten sah. In der Folge kam es zu Protesten und Ausschreitungen unter der afro-amerikanischen Bevölkerung in Ferguson. Die Christliche Rechte vermutete jedoch, dass Obama den Fall inszeniert habe, um einen Rassenkrieg zu schüren, oder die Waffen konservativer Christen zu beschlagnahen. Die gesamte Debatte diene nur dazu, eine Diktatur zu errichten. Bryan Fischer äußerte sich zur Angelegenheit. Brown sei vermutlich deswegen erschossen worden, weil durch das Rauchen von Marihuana oder durch dämonische Einflüsse aggressiv aufgetreten sei. Pat Robertson erklärte die ganze Angelegenheit zum Einzelfall, obwohl ähnliche Vorfälle regelmäßig in den USA auftreten.
Nicht nur in der Ukraine, auch im Nahen Osten hat sich die Situation verschärft. Die Kriege in Syrien um im Irak sind mittlerweile verschmolzen. Die Terrorgruppe “Islamischer Staat” gegründet als regionaler Ableger Al-Qaidas, hatte sich für selbständig erklärt und immer größere Gebiete erobert. Derzeit kontrolliert sie etwa ein Drittel der kombinierten Fläche Syriens und des Iraks. In ihrem Herrschaftsgebiet verübt die Miliz Massaker an Andersgläubigen, also Christen, Jesiden und Schiiten, tötet aber auch sunnitische Araber und Kurden, die sich ihr in den Weg stellen. Die Aussicht auf einen sicheren Zufluchtshafen für Terroristen und die Brutalität des neugegründeten Staates zwangen Obama zum Handeln. Seit dem September bombardiert das US-Militär die islamistische Miliz.
Bryan Fischer beschwerte sich, dass Obama mit seinen Angriffen den Jesiden helfe. Diese seien Teufelsanbeter. Damit hat Fischer die Argumente der Islamisten übernommen, die der kurdischen Religionsgemeinschaft vorwerfen, den Teufel zu verehren. Dennoch zeigte er sich gegenüber der Scharia versöhnlich, denn diese verbiete Abtreibung und Pornographie. Insofern sei die Bezeichnung “Großer Satan” für die USA im islamischen Raum korrekt. Der “Islamische Staat” sei Gottes Strafe dafür, dass die Amerikaner Homosexualität tolerierten, so Fischer.
Über das genaue Vorgehen ist sich die Christliche Rechte uneinig. Einige ihrer Vertreter forderten Muslime in den USA entweder zu überwachen, zu sterilisieren oder auszuweisen. Larry Klayman und Glenn Beck schlugen den Einsatz von Nuklearwaffen bzw. Vakuumbomben im Irak vor. Michele Bachman hoffte, dass die amerikanischen Bomber mit gezielten Luftschlägen die Führer der Miliz töten würden.
Das andere Lager vermutet, dass das Weiße Haus von der Muslimbruderschaft unterwandert ist. Obama bombardiere nur leere Häuser oder warne Terroristen, damit sie sich rechtzeitig vor den Bomben in Sicherheit bringen könnten. Sein wirkliches Ziel sei die Vernichtung des Regimes von Staatspräsident Assad. Ebenso ist auch die These verbreitet, dass Obama nur Krieg führe, um bei den Kongresswahlen im November besser abzuschneiden, oder weil er den permanenten Kriegszustand brauche, um in den USA besser gegen politische Gegner vorzugehen.
In diesem Jahr brach in Afrika erneut die Ebola-Seuche aus. Zahlreiche Vertreter der Christlichen Rechten sahen hierin eine göttliche Strafe, andere hingegen vermuteten politische Absichten. Phyllis Schlafly behauptete, dass Obama den Krankheitserreger im Land wünsche, damit Amerika ein bisschen mehr wie Afrika sei, Bryan Fischer hingegen meinte, dass Obama dies wünsche, um die USA für ihre rassistische Vergangenheit zu strafen. Larry Klayman hingegen vermutete, dass Obama islamistische Ebola-Selbstmordattentäter ins Land einreisen lasse. Andere Stimmen vermutete, dass Obama durch die bewusste Verbreitung der Seuche um Akzeptanz für seine umstrittene Einwanderungsreform werbe, oder hoffe durch Notstandsgesetze zum Diktator zu werden, da er laut Verfassung nach zwei Amtszeiten als Präsident abtreten muss.
Todd Kidcannon, republikanischer Politiker aus South Carolina forderte die betroffenen Dörfer in Afrika mit Napalm zu bombardieren. Schuld an der Seuche sei der unter Afrikanern weit verbreitete Kannibalismus.
In der Debatte um Obamas Einwanderungsreform wurden die Töne immer schriller. Kris Kobach, Staatssekretär von Kansas, warnte, dass eine hispanische Bevölkerungsmehrheit in den USA ethnische Säuberungen gegen Weiße durchführen könnten. Zudem wollten die mexikanischen Einwanderer Teile der USA abspalten und die alte Grenze aus der Zeit des spanischen Kolonialreiches wiederherstellen. Der texanische Abgeordnete Lamar Smith behauptete, dass die Demokraten nur deswegen so viele Einwanderer ins Land ließen, weil sie am Wahltag auf deren Stimme hofften. Michael Savage griff zu einer NS-Analogie. Genauso wie Hitler bestimmte Gebiete im Rahmen seiner Lebensraum-Politik deutsch besiedeln wollte, wolle Obama bestimmte Gebiete mexikanisch besiedeln. Die jüngsten Entscheidungen des Präsidenten kämen einem Bürgerkrieg gleich.
Im November fanden die Midterm-Elections statt, die als Stimmungstest für die Präsidentschaftswahlen 2016 gelten. Die Demokraten erlitten eine herbe Niederlage. Nach starken Verlusten haben sie nun weder im Repräsentantenhaus noch im Senat eine Mehrheit. Obama ist daher auf Kompromisse mit den Republikanern angewiesen. Seine großen politischen Projekte hat er bislang nicht verwirklichen können, es ist unwahrscheinlich, dass ihm dies in den letzten beiden Jahren seiner Amtszeit gelingt. Die Christliche Rechte forderte schnell die neuen Mehrheiten für ein Amtsenthebungsverfahren einzusetzen.
Unter den neuen Parlamentariern und Gouverneuren sind auch viele christliche Hardliner. Pastor Gordon Klingenschmitt, der durch seine extreme Homophobie auffiel, hat einen Sitz im Parlament von Colorado erobert. Durch die Begrenzung auf zwei Amtszeiten darf Obama selbst 2016 nicht mehr antreten. Auf republikanischer Seite läuft sich derzeit Jeb Bush warm. Der Bruder von US-Präsident Georg Bush bekundete sein Interesse daran, sich selbst ins Rennen ums Weiße Haus zu stürzen.