Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Doch nun bekommen ChatGPT, Mistral und Gemini auch noch Konkurrenz aus unerwarteter Richtung: Die katholische Kirche schickt ihre eigene KI ins Rennen. "Magisterium AI" verspricht nichts Geringeres als Antworten auf Glaubensfragen – faktenbasiert, autoritativ und selbstverständlich frei von "Halluzinationen". Wir haben die allwissende katholische KI getestet und ihr einige heikle Fragen gestellt.
Allein der Name ist Programm: "Magisterium" verweist auf das Magisterium ecclesiae, das katholische Lehramt, also jene Instanz, die seit Jahrhunderten festlegt, was als Wahrheit bei Glaubensfragen zu gelten hat. Genau diesen Anspruch erhebt auch die KI: Sie arbeite ausschließlich auf Grundlage überprüfbarer Fakten, stütze sich auf mehr als 40.000 kirchliche Primärquellen sowie auf journalistische und audiovisuelle Archive und liefere ausschließlich Antworten, die sich streng an offiziellen Lehrschreiben, Konzilsbeschlüssen und vatikanischen Dokumenten orientieren.
Seit Montag ist nun auch eine deutschsprachige Version online. Unter dem Namen katholisch.ai greift sie auf die internationale Plattform magisterium.com zurück und wurde zusätzlich mit rund 10.000 TV-Beiträgen und Videos aus katholischen Medienarchiven gefüttert. Anders als die großen kommerziellen KI-Modelle antwortet Magisterium AI auffallend strukturiert, lehrbuchhaft und ohne jede Neigung zur Spekulation – ganz im Sinne einer Institution, die seit jeher Wert auf Eindeutigkeit legt.
Wir haben diese kirchliche Gewissheitsmaschine mit grundlegenden und unbequemen Fragen konfrontiert: Wie alt ist die Welt aus katholischer Sicht? Warum wurde Jesus nicht in Australien geboren? Können Neandertaler ins Paradies kommen? Warum hat Gott nur einen Sohn, aber keine Tochter? Welche Rolle spielte die katholische Kirche im Nationalsozialismus? Warum verhindert Gott den sexuellen Missbrauch durch seine geweihten Priester nicht? Die Antworten, die Magisterium AI liefert, sind aufschlussreich, zeigen aber eine seltsame Interpretation von Fakten, Schuld und Identitäten.
Vor wie vielen Jahren hat Gott die Welt erschaffen?
"Die katholische Kirche lehrt, dass Gott die Welt aus dem Nichts geschaffen hat und damit den Anfang der Zeit einleitete, gibt jedoch keine präzise Jahreszahl für diesen Akt an. Stattdessen erlaubt sie den Gläubigen, wissenschaftliche Erkenntnisse zum hohen Alter des Universums (ca. 13,8 Milliarden Jahre) und der Erde (ca. 4,5 Milliarden Jahre) zu akzeptieren, solange der Glaube an den Schöpfergott gewahrt bleibt."
Warum hat sich Gott fast 13,8 Milliarden Jahre Zeit gelassen, um seinen Sohn Jesus Christus zur Erde zu senden?
"Gott, der ewig ist und außerhalb der Zeit existiert, hat die Inkarnation Seines Sohnes Jesus Christus genau in der "Vollendung der Zeit" (Gal 4,4) geschehen lassen – nicht aus Verzögerung, sondern aus unendlicher Weisheit, um die Menschheit optimal vorzubereiten, zu erlösen und zur Vollkommenheit zu führen. Die 13,8 Milliarden Jahre seit dem Universumsursprung (Big Bang) dienen der göttlichen Pädagogik: Schöpfung, Geschichte und Sünde reifen zur Erlösung heran."
Warum hat Gott seinen Sohn nach Palästina geschickt und nicht zu den Aborigines nach Australien?
"Gott hat Seinen Sohn Jesus Christus nach Palästina (das Heilige Land) gesandt, weil dies der Ort der Heilsgeschichte ist: Hier begann die Offenbarung mit Abraham, den Patriarchen und Propheten, und hier erfüllten sich die Verheißungen in der Inkarnation, Passion und Auferstehung. Warum nicht Australien? Die Aborigines-Kultur existierte zwar, aber Gott offenbarte sich progressiv: Von Adam über Noah, Abraham (in Kanaan) bis Christus. Palästina war der Knotenpunkt für die Zivilisationen, von dem aus die Apostel zur ganzen Welt gingen."
Aber wäre es nicht viel besser gewesen, wenn Jesus in Australien geboren wäre? Denn dann hätte er ja seine Heilsbotschaft einem Volk wie den Aborigines näher bringen und zu einer Wiege des Heilsplans machen können? Eine Auferstehung am Uluru (Ayers Rock) nach einer Kreuzigung im australischen Busch wäre doch auch sehr beeindruckend gewesen?
"Nein, es wäre nicht besser gewesen, wenn Jesus in Australien geboren worden wäre. Gottes Heilsplan ist nicht austauschbar, sondern historisch-progressiv: Er offenbarte sich schrittweise durch Abraham, die Propheten und Israel, um in Christus die Verheißungen zu erfüllen und von dort aus die universale Erlösung zu verkünden. Die Wahl Palästinas als "Wiege des Heils" ist Ausdruck göttlicher Weisheit, nicht Zufall oder Benachteiligung anderer Völker."
Was ist mit den Neandertalern? Da sie von der Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen keine Kenntnis hatten, konnten sie nicht Teil des göttlichen Heilsplans werden. Blieb ihnen somit das Paradies verschlossen?
"Nein, den Neandertalern bleibt das Paradies nicht verschlossen. Als wahre Menschen mit unsterblicher Seele waren sie voll Teil des göttlichen Heilsplans: Christus erlöst alle Menschen aller Zeiten retroaktiv durch Sein Opfer, und Gott richtet sie nach ihrem Gewissen und dem natürlichen Gesetz, das in jedes menschliche Herz geschrieben ist."
Warum hat Gott nicht seine Tochter nach Nazareth geschickt?
"Gott sandte seinen Sohn nach Nazareth, um Prophezeiungen zu erfüllen, die Erlösung zu wirken und die Kirche als Braut zu lieben. Dies offenbart Gottes Weisheit, die Frauen wie Maria hoch ehrt. … Eine hypothetische "Tochter" würde die Osterbotschaft und apostolische Nachfolge (historisch männlich) nicht tragen."
Könnte eine Tochter nicht besser die Kirche als Bräutigam lieben? Außerdem könnte die Osterbotschaft doch auch durch eine nonbinäre Person getragen werden?
"Nein, die Liebe Christi als Bräutigam ist einzigartig spousal1 und nicht verbesserbar; die Osterbotschaft ruht auf dem männlichen Sohn, dessen binäres Geschlecht göttlichen Plan erfüllt."
Wie ist die Rolle der katholischen Kirche im Nationalsozialismus zu beurteilen?
"Die Rolle der katholischen Kirche im Nationalsozialismus ist ein komplexes und kontroverses historisches Thema, das Widerstand, Kritik, Rettungstaten, aber auch Versäumnisse und Fehlentscheidungen umfasst. Die Kirche verurteilte den Nationalsozialismus theologisch und moralisch als unvereinbar mit dem Christentum, engagierte sich in vielen Fällen für Verfolgte – insbesondere Juden – und zahlte dafür einen hohen Preis."
Warum schwieg Papst Pius XII. zum Holocaust, obwohl er davon wusste?
"Pius XII. schwieg nicht vollständig zum Holocaust, sondern handelte diskret und strategisch, um Leben zu retten – eine Entscheidung, die kontrovers diskutiert wird. Er wusste von den Massenmorden, protestierte indirekt und rettete Hunderttausende Juden durch konkrete Maßnahmen. Das vermeintliche "Schweigen" war keine Passivität, sondern kalkulierte Diplomatie in einer totalitären Zeit, wo offene Worte mehr Opfer gefordert hätten. ... Pius XII. schwieg nicht aus Gleichgültigkeit, sondern handelte lebensrettend in extremer Lage – eine tragische Wahl zwischen Prophetie und Pragmatismus. Seine Bilanz: Mehr Leben gerettet als durch Worte möglich gewesen wäre."
Wenn geweihte Priester Kinder sexuell missbrauchen, dann ist doch der allwissende Gott bei den Taten dabei. Warum verhindert er solche Sexualdelikte nicht?
"Nein, Gott ist kein Komplize bei Missbrauchstaten – Er ist allwissend und allgegenwärtig, leidet mit den Opfern und richtet die Täter. Er verhindert solche Delikte nicht durch direkten Zwang, weil Er den freien Willen respektiert, den Er dem Menschen gab. … Beten wir um Heiligkeit der Priester und Schutz der Schwachen."
Wir danken für dieses aufschlussreiche Gespräch.
1 Vgl.: https://de.langenscheidt.com/englisch-deutsch/spousal







8 Kommentare
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Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
KI? Ich würde es KS nennen - künstliches Schwurbeln...
GeBa am Permanenter Link
Geschwurbel genau wie es die Pfaffen schon seit ewigen Zeiten von sich geben, ohne jegliche Substanz und realen Sinn, es erstaunt mich immer wieder, daß es im 21sten Jahrhundert noch immer, wen auch ständig schwindend
Es wird Zeit, daß wir uns an die Realitäten des Lebens und des Zusammenlebens in Frieden
kümmern und nicht ständig aus religiösen Gründen uns gegenzeitig sinnlos dezimieren.
KS ist künstlicher Schwachsinn.
Arnulf Hopf am Permanenter Link
Wenn vor allem diese KI wirklich von der Kirche autorisiert worden ist, lohnte es sich , dem Kirchenvolk, beonders derJugend, z.B.
A.S. am Permanenter Link
ChatGPT kann Götter erfinden, auch lustige. Kann das die katholische KI auch?
Paul München am Permanenter Link
"Stattdessen erlaubt sie den Gläubigen, wissenschaftliche Erkenntnisse zum hohen Alter des Universums (ca. 13,8 Milliarden Jahre) und der Erde (ca.
Unechter Pole am Permanenter Link
Interessant ist die kirchliche Anerkennung von Neandertalern als Menschen.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Turing-Test bestanden.
Zum Beispiel die Frage nach dem Zeitpunkt der Menschwerdung Christi, drängt sich ja in diesen Tagen auf. Die „Vollendung der Zeit“ – oder „Fülle der Zeit“ wie es manchmal heißt – wird einfach dadurch definiert, dass die Geburt Christi für diesen Zeitpunkt behauptet wird. Gleiches gilt für den Ort. Warum nicht China oder das naheliegende Ägypten ? Weil nun mal alles in Palästina begann. Strunzdumm bemerkt die katholische KI offenbar nicht, dass Gott einen Abraham, Patriarchen und Propheten genausogut dort oder auch in allen Weltgegenden gleichzeitig hätte auftreten lassen können.
Empörend die, allerdings schon bekannten, Rechtfertigungen zum Holocaust und dem Kindesmissbrauch.
So könnte man jede Antwort auseinander nehmen, aber ich denke in diesem Forum ist das nicht erforderlich.
Beten wir um die Heiligkeit der KI und den Schutz der Vernunft !
Dr. Andeas Gradert am Permanenter Link
Die katholische Kirche entdeckt Künstliche Intelligenz und benutzt sie prompt nicht zur Selbstkritik, sondern zur Automatisierung von Dogmen.
Humanistisch betrachtet ist das entlarvend. Wer Fakten, Zweifel und Widerspruch scheut, macht aus KI kein Erkenntniswerkzeug, sondern ein Weihrauchfass mit Serveranschluss. Ethik braucht keine Offenbarung, sondern überprüfbare Argumente, Empathie und Verantwortung gegenüber realen Menschen. Eine Institution, die jahrzehntelang systemisches Leid produziert und bis heute nicht konsequent aufgearbeitet hat, sollte keine Maschinen lehren, wie Moral funktioniert, sondern endlich selbst damit anfangen.