Erasmus und die Finanzen

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2 Euro Münze der Niederlande / Abbildung: Koninklijke Nederlandse Munt

Amsterdam. (hpd) Der Humanist Erasmus von Rotterdam (1466-1536) ist seit Kurzem im europäischen Geldverkehr unterwegs: Am Montag, den 24. Januar wurde die erste 2-Euro-Münze mit seinem Bild in den Niederlanden geschlagen. In diesem Jahr feiert sein bekanntestes Buch "Lob der Torheit" in der Tat seinen 500 jährigen Geburtstag.

Die Arbeit ist immer noch aktuell, sei es nur wegen der meisterhaften Verspottung der Menschen, die dumm und kurzsichtig ihre eigenen Interessen verfolgen wie auch damals die Regierende, die Würdenträger, die Finanziers und besonders die religiösen Eliten.

 

Laut Jan Geens, der Autor eines dazu im Humanistischen Canon erschienenen Artikels über Erasmus, versuchte Erasmus während seines ganzen Lebens Humanismus und Christentum zu einer Synthese zu gestalten. Er kämpfte dabei in der Tat gnadenlos und satirisch gegen Missbräuche der Kirche und gegen Heuchelei. In "Lob der Torheit“ ruft er durch den Mund von Moria, die Göttin der Torheit, zur Reform der Kirche und zur Wiederherstellung ihrer ursprünglichen christlichen Werte auf. Dadurch bereitete er den Weg der Reformation vor. Das Werk von Erasmus und seine Persönlichkeit werden, so Jan Geens, durch Mäßigung, Friedfertigkeit und eine undogmatische ethische Religiosität gekennzeichnet.

Das Lob der Torheit entstand dabei eher zufällig. Auf seiner Rückreise über die Alpen, im Sommer 1509, denkt er nach über das was er in Italien der Renaissance und in Rom insbesondere, gesehen und erlebt hat. Es gefiel ihm, dass er bald seinen guten Freund und Förderer Thomas Morus in London treffen würde. Dabei kam ihm die Idee um Moria, die Göttin der Torheit, aufzuführen und sie offenherzig in aller Freiheit ihre Sicht auf die Welt und der Menschheit, auf den Reichtum und die Macht von Kirche und Staat, darstellen zu lassen. Eigentlich schrieb er das Werk, das nie zu einer langwierigen Predigt verkommt, als eine Art belustigende Unterhaltung. Dort wo er es vorlas, hat er aber jedes Mal einen großen Erfolg. Im Jahre 1511 wurde es in Paris gedrückt und während seines Lebens erfuhr es 45 Nachdrucke. In ganz Europa ist es eines der meistgelesenen und bewunderten Werke geworden, das Generationen zum Denken gebracht hat und eine Weltsicht mit offenem Geist und gesundem Menschenverstand lehrte.

Moria, auch als Dame Stultitia oder die Torheit bekannt, führt immer das Wort: Sie spricht überlegen, distanziert, nüchtern und manchmal brutal. Ständig wechselt sie von den dümmsten Ideen und Beispielen zu den meist ernsten. Zwei Themen kreuzen sich immer: Die heilsame Verrücktheit, welche die wahre Weisheit enthält und die eitle Weisheit, die reine Torheit ist. So zeichnet Erasmus ein denkwürdiges Porträt der Menschheit durch die Lobrede der Torheit über sich selbst.

Die Arbeit entstand einerseits auf dem Hintergrund einer Wiederbelebung der klassischen humanistischen Sicht des Altertums auf den Menschen. Auf der anderen Seite spielt der interne Kampf gegen den sich überlegen fühlenden Katholizismus eine Rolle. Der Kampf, der vielen Menschen, die nach einer mehr volksnahen Auslegung des Christentums und nach einer Form der Emanzipation und Freiheit, befreit von allen Zwängen und Dogmen, suchten. Die Torheit macht sich in ihrer Rede deshalb immer lustig über nicht nur Fürsten und Höflinge, einfaches und abergläubisches Volk, sondern vor allem über Kardinäle und Bischöfe, über Nonnen und Mönche, über Philosophen und Theologen. Sie nennt sie intolerante, selbstgerechte Haarspalter und Demagogen.

In vielen Passagen kehrt sich Erasmus gegen äußere religiöse Symbolen. Alle Formen des äußerlichen Glaubens müssen es entgelten: Heiligen-, Reliquien- und Bilderanbetung, auffallendes Beten und Wallfahrten. In seinen Augen sind es völlig unnötige Zeichen der Gottesfurcht. Doch er will dies niemandem verwehren: Wenn jemand meint, er brauche das, dann muss es möglich sein.

Durch den Mund der Frau Stultitia spricht er als Humanist, Verfechter des freien Willens und der Toleranz. Eigentlich widersetzt er sich der Heuchelei des christlichen Europas seiner Zeit und fordert Reinheit, Aufrichtigkeit und echte Freundschaft. Die wahren Zutaten der Humanitas sind bei Erasmus Gelehrtheit, Höflichkeit, Freundlichkeit, gute Manieren, die Kunst der Diskussion und der Toleranz.

Erasmus zeigte sich als ein Befürworter der Reform und plädierte für eine Rückkehr zu den grundlegenden Werten des Christentums. Wie Luther wollte Erasmus eine reine Religion, befreit von der Scholastik und des Aberglaubens. Er wollte die vielen Missstände in der Kirche allmählich und mit Maßen beseitigen, ohne die Einheit der katholischen Kirche zu brechen. Die Lehre von der Prädestination, die den freien Willen einschränkt, die im Protestantismus und der reformierten Kirche entwickelt wurde, wies der Humanist Erasmus scharf zurück. Viele betrachten das "Lob der Torheit“ wie ein Leuchtfeuer, das geholfen hat den Weg für die Reformation freizumachen. Die Reformation, ursprünglich als Reform der katholischen Kirche von innen entworfen, bekam in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Gesicht in Nordwest-Europa mit Führern wie Martin Luther, Huldrych Zwingli und Johannes Calvin. Eigentlich war sie schon im Mittelalter als Protest gegen verschiedene Missbräuche, wie Ablässe, Geldsucht, Machtbegierde und Schmeichelei entstanden. Diese werden auch im „Lob der Torheit“ von Frau Stultitia mit Sarkasmus und Humor bedacht und angeprangert.

Diese erasmische Gesinnung, wie sie im „Lob der Torheit „ zum Ausdruck kommt, drang später in das öffentliche Leben der Niederlande tief ein. Seine tolerante und humanistische Lehre wirkte nach ihm in politischen Persönlichkeiten wie Wilhelm von Oranien und seinen Assistenten Marnix van St. Aldegonde und Johan de Witt, ebenso bei Autoren aus dem 17. Jahrhundert wie Joost van den Vondel und PC Hooft und Gelehrten wie Dirck Volkertsz Coornhert, Hugo Grotius, Christian Huygens und Baruch Spinoza.

Manche Beobachter meinen daher, dass die Prägung der Erasmusmünze als ein Zeichen der doch noch bestehenden Tradition des kritischen Humanismus in der niederländischen Kultur zu verstehen ist: eine sarkastische Versymbolisierung der europäischen Finanzkrise also.

Die Euromünze kann übrigens ab sofort über die Website der Königlichen Niederländischen Münze bestellt werden.
 

Rudy Mondelaers