Richard Dawkins diskutierte in New York mit seiner prominenten früheren atheistischen Mitstreiterin Ayaan Hirsi Ali. Sie war zum Christentum konvertiert. Und bezeichnet das Christentum als Bollwerk gegen den Islam und andere Weltbilder, die drohten, das westliche "Gottesvakuum" auszufüllen. Ein spannendes Streitgespräch.
"Ayaan, ich habe dich immer für einen der mutigsten Menschen gehalten, die ich kenne. Wie konntest du dich einer solchen Schwäche hingeben?" Richard Dawkins schrieb diesen Satz in einem offenen Brief an eine sehr gute Freundin. Eine Freundin, die mit ihm, dem renommierten britischen Evolutionsbiologen, einen langen Weg zusammen mit den sogenannten Neuen Atheisten gegangen war. Und jetzt das: die frühere Muslimin, spätere Atheistin, war ein weiteres Mal konvertiert. Nunmehr zum Christentum. Dawkins, so zeigt es sein offener Brief, war offensichtlich entsetzt. Und er hängte ein Postskriptum an seine Zeilen: "PS: Möchtest du ein aufgezeichnetes Gespräch führen, welches wir beide auf unseren sozialen Medien veröffentlichen können?"
Sie wollte. Zu eben diesem Gespräch ist es jetzt in New York gekommen. Bei der "Dissident Dialogues Conference" ging es nicht nur um die persönliche Entscheidung der gebürtigen Somalierin Ayaan Hirsi Ali, nunmehr an den christlichen Gott zu glauben, sondern auch um die politische Funktion, die sie diesem Schritt beimisst: Dass das Christentum ein Bollwerk gegen den Islamismus sei.
Moderator Freddie Sayers fragt Ali, wie es sein könne, dass sie, die sie doch Religionen abgelehnt habe, sich auf einmal als Christin sehe. Die Antwort: Sie sei nicht zum Glauben gekommen durch irgendein spektakuläres Ereignis, auch wenn sie das besser gefunden hätte. Sie habe in einer persönlichen Krise gesteckt, mit Depressionen und Angstzuständen. Ihre Therapeutin habe von einem spirituellen Bankrott gesprochen. In ihrer Verzweiflung habe sie angefangen zu beten. Da habe es einen Wendepunkt gegeben, sie habe sich zu etwas Höherem verbunden gefühlt.
Richard Dawkins gesteht seiner Freundin zwar zu, dass dies eine bewegende persönliche Geschichte sei, hakt aber offensiv nach: "Und nun gehst du in die Kirche. Und du hörst dem Pfarrer zu. Bemerkst du nicht, wieviel Unsinn er redet? Nimmst du das wirklich ernst, dass Jesus der Sohn Gottes ist? Dass Jesus von den Toten auferstanden ist? Dass er von einer Jungfrau geboren wurde?"
Zu Dawkins’ Verblüffung antwortet Ali: "Für mich klingt das, was der Pfarrer sagt, nicht weiter unsinnig. Es ergibt Sinn und ist erfüllt von der Weisheit aus Jahrtausenden." Dawkins mag das nicht glauben. Er wisse ja, dass sie das Christentum für ein Bollwerk gegen den Islam halte. Das akzeptiere und unterstütze er ja, sie sei halt eine "politische Christin".
Ali bekräftigt das. Die Geschichte der westlichen Zivilisation sei hauptsächlich christlich geprägt. Den Kräften von außen, insbesondere der Ausbreitung des Islam, müsse die Botschaft der westlichen Zivilisation entgegengehalten werden. Und das sei im Kern das Christentum. Schon in ihrer Erklärung, in der Ali im vergangenen November ihre Konversion zum Christentum öffentlich gemacht hatte hatte sie geschrieben, Islamismus könne nicht nur mit säkularen Werkzeugen bekämpft werden. Sie sprach von einem "nihilistischen Vakuum", man müsse den Menschen im Westen etwas anbieten gegen Weltbilder, die China, Russland oder Iran vertreten. "Wenn wir nicht etwas Bedeutungsvolles anbieten, dann fürchte ich, wird sich die Erosion unserer Zivilisation fortsetzen.“ Glücklicherweise müsse man sich da in dem Abwehrkampf gar nicht nach etwas Neuem umschauen. „Das Christentum hält all das bereit."
Der Islam sei eine böse Religion, pflichtet ihr Dawkins bei. Aber das Christentum sei auch ganz und gar nicht freundlich. Er spricht von "theologischem Bullshit". Das Christentum sei besessen von der Sünde, von der Erbsünde. Das Konzept, dass die Menschen in Sünde geboren sind und dass dies geheilt werden solle, indem Jesus gekreuzigt und für all unsere Sünden bestraft wird, sei eine "moralisch sehr unerfreuliche Idee".
Ali sieht das anders: Für sie ist das Christentum "besessen von der Liebe". Das zeigten auch ihre Erfahrungen aus ihrer Zeit als Atheistin. Vor Muslimen habe sie durch Leibwächter geschützt werden müssen, Christen hingegen hätten ihr Briefe geschrieben: sie sei fehlgeleitet, man bete für sie.
Dawkins kann es nicht fassen, versucht es noch mal. "Wenn du Christin bist, musst du das ganze Paket nehmen. Dann musst du auch daran glauben, dass Jesus von den Toten auferstanden ist."
Ja das glaube sie, antwortet Ali und erklärt: "Wenn es etwas sehr viel Mächtigeres gibt als uns, das alles erschaffen hat, dann sind Auferstehung und andere Wunder doch keine große Sache." Aber das sei ihre persönliche Überzeugung. Und sie kommt wieder auf den grundsätzlichen gesellschaftlichen Wert zu sprechen, den das Christentum für sie habe. Weil das Christentum aus den Schulen und Universitäten verbannt worden sei, gebe es ein Gottesvakuum. Und dieses Vakuum werde von anderen gefüllt. "Es gibt heute sehr böse Kräfte, die die Herzen, Köpfe und Seelen der jungen Menschen besetzen." Der Atheismus helfe da nicht weiter. Der sage ja nur, es gebe keinen Gott. Das Christentum hingegen habe ein Rezept, wie man sich mit dem Universum und den Mitmenschen verbinden könne.
Dawkins gesteht zu, dass auch er ein kultureller Christ sei, ein in der christlichen Kultur aufgewachsener Mensch. Aber er halte das Christentum für Unsinn. Und doch fügt er hinzu: "Ich glaube, dass, wenn zum Beispiel in Afrika christliche und muslimische Missionare um Anhänger werben, dann bin ich beim Team Christentum." Dennoch glaube er, dass man keine Religion brauche. Wenn aber doch, dann lieber das Christentum als irgendetwas anderes.
Was Ali fantastisch findet. Sie jubelt: "Richard Dawkins ist im Team Christentum." Aber diesen Weg will Dawkins denn doch nicht mitgehen. Nicht christliche Werte, sondern rationaler säkularer Humanismus und Aufklärung - das seien die Werte, auf die es ankomme.
Aber diese Werte hätten sich doch im Christentum entwickelt, behauptet Ali. "Die Aufklärung passierte doch in christlichem Kontext, nicht in China, nicht im Nahen Osten." Dawkins widerspricht: Säkularer Humanismus sei eine Reaktion gegen das Christentum gewesen.
Und wie reagiert Dawkins auf Alis Vorwurf, der Atheismus habe nichts im Angebot gegen "böse Mächte, die das Gott-Vakuum füllen wollen"? Dawkins spricht zwar auch von einem bösartigen Virus. "Doch wollen wir das wirklich bekämpfen durch eine Impfung mit einer milderen Form des Virus?" Da sei es doch besser, man entscheide sich gegen jedes Virus und für Aufklärung und rationales Denken. "Wir haben säkularen Humanismus, wir haben Rationalität, wir haben Moralphilosophie. Auf dieser Basis entscheiden wir, was moralisch ist und was nicht. Wir müssen auf unsere Moral nicht noch einen Haufen übernatürlichen Unsinn draufsatteln."
Er glaube, dass alle Religionen falsch seien, er sei immer nur daran interessiert gewesen, was wissenschaftlich wahr ist. Und wenn der Vorwurf laute, der Atheismus könne keine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens geben, antwortet Dawkins: "Ich für meinen Teil habe verschiedene Dinge gefunden, die meinem Leben Sinn und Zweck geben. Da ist die Wissenschaft, und in meinen Büchern habe ich mein lebenslanges Streben nach dem Sinn und Zweck allen Lebens dargelegt. Dann gibt es die menschliche Liebe, die Schönheit eines Kindes, ein tropisches Bad unter dem Sternenhimmel, ein hinreißender Sonnenuntergang, ein Schubert-Quartett. Es gibt die Kunst und die Literatur der ganzen Welt. Die Wärme einer innigen Umarmung."
Hinweis: Auch Michael Shermer, Wissenschaftshistoriker und Gründer der Skeptics Society, hatte Ayaan Hirsi Ali in einem Offenen Brief auf ihre Konversion zum Christentum geantwortet und dabei ähnlich argumentiert wie Richard Dawkins.
37 Kommentare
Kommentare
Bernd Neves am Permanenter Link
"Wir haben säkularen Humanismus, wir haben Rationalität, wir haben Moralphilosophie".
Das ist richtig, und das ist gut. Aber eins haben "wir" nicht, zumindest nicht zwangsläufig, oder "wir" kommunizieren es nicht genug: Empathie.
Rationalität und Moralphilosophie können, wie Religion sowieso, ohne Empathie sehr schnell in Tyrannei umschlagen.
Die Christen haben haben bezüglich Empathie ein scheinbares Angebot der Zuwendung, welche allerdings an eine Bedingung geknüpft ist. Diese Bedingung heißt "glaube!". In existentiellen sozialen und seelischen Notlagen, in der die Ratio leicht unterlaufen werden kann, kann auch solch ein Angebot akzeptabel erscheinen. Denn der Mensch ist in erster Linie ein emotionales und soziales Wesen und erst in zweiter Linie ein rationales.
Man könnte einwenden, dass im säkularen Humanismus das Empathieangebot im Wort "Humanismus" implizit eingeschlossen sei. Zumindest ist dieses Angebot aber nicht offensichtlich. Da muss man sich schon selbst um sein Seelenheil kümmern.
René am Permanenter Link
Das ist ja Unsinn! Empathie ist doch ein völlig natürliches, evolutionär gewachsenes Phänomen!
Roland Fakler am Permanenter Link
Ein Märchen gegen ein anderes zu stellen, kann für einen aufgeklärten Menschen keine Lösung sein, auch der Atheismus kann nur Teil einer Weltanschauung sein.
Werner Helbling am Permanenter Link
Alle Religionen werden zur Volksverdummung und Manipulation/Hirnwäsche der gesamten Menschheit seit jahrtausendenden missbraucht. Damit kann und wird jede Schandtat, jedes Verbrechen, jeder Krieg gerechtfertigt.
Streminger Gerhard am Permanenter Link
Warum sollten die Vorstellungen von der Menschwerdung Gottes und der Sündhaftigkeit des Menschen ein Bollwerk gegen den Islamismus sein? Aufklärung, Empathie und Wahrheitsliebe sind es.
Streminger Gerhard am Permanenter Link
Meines Erachtens sind diese christlichen Vorstellungen nicht nur kein Bollwerk gegen den Islamismus, sondern BEFEUERN ihn eher.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
So wie es Dawkin beschreibt in dem Satz, nicht christliche Werte, sondern rational säkularer Humanismus und Aufklärung- das seien die Werte, auf die es ankomme.
A.S. am Permanenter Link
Frau Ali hat Angst, nachvollziehbare und berechtigte Angst vor dem Islam.
Das ist praktische Psychologie im Alltag, geschuldet den Unzulänglichkeiten des menschlichen Verstandes.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Ayaan Hirsi Ali übersieht erstaunlicherweise, dass das Christentum in seiner heutigen Form lediglich die domestizierte Form einer sich selbst verabsolutierenden moralisch unhaltbaren und menschenunwürdigen Religion is
Und warum? Weil es durch die Aufklärung und ihre Verbreitung domestiziert worden ist, die in der Tat - wie Dawkins richtig sagt - als Gegenbewegung zur geistigen und moralischen Unterdrückung durch das Christentum entstanden ist. Die frühen französischen Aufklärer wie Diderot, d'Holbach und Helvetius waren in allererster Linie Christentumskritiker.
Gegenbewegung gegen den Islam? Wie naiv! Auch hier beim hpd ist seit Jahren immer wieder hervorgehoben worden, dass sich gerade die katholische Kirche wohl durch eine wohlwollende Haltung gegenüber dem Islam ausrechnet, eine generell wieder stärkere religiöse Grundhaltung zu erzeugen, ein joint venture sozusagen, von dem alle Großreligionen profitieren sollen. Der gemeinsame Gegner ist nach wie vor der Säkularismus, die Aufklärung und der werteorientierte Humanismus neuerer Prägung.
Ich will gern zugestehen, dass eine solche Position für den Einzelnen oft nicht einfach durchzuhalten ist und manchmal auch gänzlich unzugänglich. Ebenso verschwindet mit Areligiosität nicht jedes menschliche spirituelle Bedürfnis. Aber dass ausgerechnet Hirsi Ali dem Trugschluss verfällt, nicht säkularer Humanismus, sondern die "Konkurrenz der Religionen" sei der richtige Weg, das lässt mich einigermaßen fassungslos zurück. Und auch, wie wenig sie dem säkularen Humanismus zutraut! Und beim Begriff des "politischen Christentums" läuft es mir kalt den Rücken herunter ...
Wir erinnern uns - die letzte große "Konkurrenz der Religionen" in unseren Breiten mündete in eine Katastrophe, die heutzutage als Dreißigjähriger Krieg bezeichnet wurde. Wenn das Christentum nicht "eingehegt" wäre heutzutage würde sich Hirsi Ali wohl wundern, wie ähnlich es dem Islam in seinem Dogmatismus und seinem Absolutheitsanspruch über die Menschen wieder wäre.
Michael Fischer am Permanenter Link
Ayaan Hirsi Ali war eben in Wahrheit immer nur eine fanatische Anti-Islam Aktivistin. Bei derartigen Exzentrikern muß man immer auf alles gefasst sein.
Kein wirklicher Atheist käme jedenfalls im Verlauf einer psychischen Krise auf die Idee zu beten.
Paul München am Permanenter Link
Stellt sich die Frage, ob Dawkins diese Entwicklung bei Frau Ali nicht früh erkannt hat und tatsächlich überrascht wurde. So etwas ereignet sich doch nicht von heute auf morgen.
Uli Schoppe am Permanenter Link
Das ist einfach eine Variation auf den Kampf der Kulturen. Humanistisches Denken hat sich nicht wegen sondern trotz des Christentums entwickelt.
Helmuth Dau am Permanenter Link
Frau Alis Weg scheint mir nicht ungewoehnlich - ein bischen enttaeuschend schon, denn sie war ja so eine Art Vorzeigeatheist.
Dass ihr ganz persoenlich der Rueckgriff auf transzendentale Unterstuetzung fehlte, verstehe ich bei dem Lebenslauf und wuensche ihr viel Glueck im Christentum.
Ihre Meinung, die ganze Gesellschaft muesse an der Transzendenz genesen, ist ein politischer Irrtum, was wir, die Atheisten, zu beweisen haben.
Natuerlich sind so gut wie alle Glaubensinhalte hanebuechen. Da stimme ich Dawkins zu, aber wir Rationalisten froenen auch einem Glauben, naemlich dass es zu jedem Raetsel eine Loesung gibt, die sich ohne Rueckgriff auf Transzendenz ergeben wird, wenn ueberhaupt. Das zu falsifizieren ist wohl genau so schwer, wie die Existenz von Loesungen im Transzendenten zu beweisen.
Gesellschaftlich halte ich den Rueckgriff auf transzendente Loesungen fuer fatal, weil er solchen Unfug wie die Religionen gebiert. Der nahe Osten laesst gruessen.
SG aus E am Permanenter Link
Richard Dawkins "glaube, dass alle Religionen falsch seien, er sei immer nur daran interessiert gewesen, was wissenschaftlich wahr ist." – O.K., kann man so stehen lassen.
Worüber ich wirklich stolpere, ist dieser Satz: "Der Islam sei eine böse Religion, pflichtet ihr Dawkins bei." – O sancta simplicitas!, kann ich da nur noch sagen. Zu mehr fehlen mir die Worte.
==warrior_of_re... am Permanenter Link
Ein Christ kann sich besser vermarkten als ein Atheist, jetzt wo der Neue Atheismus ja schon laenger aus der Mode gekommen ist und vielen seiner frueheren Anhaengern eher peinlich ist. Intellektuelle (wie z.B.
Und Ali... ist nicht alles was man aus ihr macht. Sie war immer schon eine Opportunistin, die wusste wie sie sich verkauft. Gelogen hat sie schon bei ihrer Asylbewerbung und ihrer Lebensgeschichte. Erst war sie links, dann wurde auf einmal rechts als es dort mehr zu holen gab. Sie hat Menschen erzaehlt was sie hoeren wollen, und manche Menschen wie Niall Ferguson sind ganz hingerissen von ihr. Aber was hat sie konkret erreicht? Die Christen koennen sie gerne haben, so eine Christin aus rein politischen Erwaegungen ohne richtigen Glauben.
Evil Ernie am Permanenter Link
Wie kommen Sie darauf dass in Jahren der anhaltenden, höchsten Kirchenaustrittszahlen der "Neue Atheismus" aus der Mode gekommen sei? Und wem ist was genau peinlich, da habe ich wohl einiges verpasst?
==warrior_of_re... am Permanenter Link
Wer den Atheismus der letzten Jahre verfolgte, müsste das eigentlich wissen.
Grob zusammengefasst:
Spätestens seit "elevatorgate" (2011?) ist ein Schisma eingetreten ist, in
dem die Neuen Atheisten sich gespalten haben in:
* "social justice warriors" (sprich: linke Aktivisten), für die sich Atheisten
für Antirassismus, Feminismus, Anti-Homophobie, Anti-Transphobie etc. einsetzen
sollten (das Konzept Atheism+). In kurzer Zeit haben in ihren Kreisen (z.B. bei
FreeThoughtBlogs) diese Themen Religionskritik in den Schatten gestellt. Oft
erkennt man nur noch an Namen wie reason.com, Secular Talk usw., wo der
ursprüngliche Schwerpunkt lag. Insgesamt sind diese Leute die deutliche
Mehrheit. Manche von ihnen, wie z.B. PZ Myers haben sogar einen regelrechten
Hass auf ihre einstigen Verbündeten entwickelt.
* die alte Garde, die weitgehend dasselbe erzählt wie vor 15 Jahren und sich
eher für Rationalität und Religionskritik interessiert. Zu ihren gehören die
vier oder fünf "horsemen", also Menschen wie Dawkins, Harris, Pinker, Krauss.
Allerdings gelten sie mittlerweile als extrem islamophob, auch frauenfeindlich,
und nicht zuletzt transfeindlich und ihr Publikum ist stark geschrumpft.
Die Bedeutung des Neuen Atheismus hat stark abgenommen (siehe
https://slatestarcodex.com/2019/10/30/new-atheism-the-godlessness-that-failed/).
Das liegt vor allem daran, dass der Atheismus aus der kulturellen Supermacht USA
importiert wurde, wo man zu Zeiten von George Bush (der ja meinte, Gott habe
seine Irak-Invasion unterstützt) und Bin Laden nicht ausschließlich links,
sondern auch von rechts zumindest mit dem Islam ein gemeinsames Feindbild hatte.
Die Angst vor einem angeblichen Gottesstaat evangelikaler Christen ist ohnehin
alt, obwohl ihr Einfluss seit ihrem Höhepunkt vor ca. 30 Jahren abnimmt.
Islamkritik ist aber mittlerweile Hassrede, und viele people of colour (nicht
nur braune Muslime, auch die große Mehrheit der Schwarzen) glauben an Gott,
sodass man von diesem Feindbild abgerückt ist (außer bei weißen Evangelikalen).
Ja, Atheismus ist peinlich. Kennen Sie den Reddit-Atheisten mit seiner Fedora
(https://knowyourmeme.com/memes/in-this-moment-i-am-euphoric)? Glauben Sie immer
noch wie Hitchens, dass Religion das größte Übel auf der Welt ist oder wie
Harris, dass alle Christen die Bibel wörtlich nehmen? Tim O'Neill ist hier zu
nennen, denn seine Kritiken am Geschichtsbild der Neuen Atheisten sind gut
aufgenommen worden (https://historyforatheists.com/). Jemand wie Tom Holland
liegt halt eher im Trend. Heute fordert man nicht mehr wie einst Dawkins, man
solle religiöse Menschen auslachen. Stattdessen hält man Religion zwar oft
für Unsinn, sagt das aber nicht so deutlich (also wie vor dem Neuen Atheismus).
Kirchenaustritte machen keine Atheismuswelle. Die Giordano-Bruno-Stiftung ist ja
nicht schuld an der Missbrauchsmisere, dem Vergreisen der Kirchen, der Kritik an
der katholischen Lehre zu Frauen und Schwulen. Den Trend zur Säkularisierung
gibt es auch im Ausland, ja sogar in muslimischen Ländern. Immer mehr Deutschen
ist Religion schlicht gleichgültig. Das heißt, sie wollen nicht darüber
diskutieren, und sie glauben auch nicht, dass mit ihrem Verschwinden ein
goldenes Zeitalter der Vernunft anbrechen wird.
Paul München am Permanenter Link
"Glauben Sie immer noch wie Hitchens, dass Religion das größte Übel auf der Welt ist"
Meinerseits bin ich überzeugt, dass Religion der größte (!) Schwindel und Betrug der gesamten Menschheitsgeschichte ist, somit kann man es sehr wohl als größtes Übel bezeichnen.
Es gibt keine Götter, keine Engel, kein Paradies und keine Hölle.
Franz Edler am Permanenter Link
Das können wir dann ja getrost abwarten ob es stimmt.
Paul München am Permanenter Link
Mehr fällt Ihnen dazu nicht ein? Denken Sie, dass Zeus, Hera, Poseidon oder Hestia existieren? Nein? Warum nicht? Aber der christliche Gott existiert, weil er sich vor tausenden Jahren einmal offenbart hat.
Dann musste er feststellen, dass sich die Menschen zerstreiten über die korrekte Interpretation seiner Bibel. Anstatt dass er dagegen etwas unternommen hätte, sieht er bis heute lediglich zu, wie sich die Menschen deswegen gegenseitig umbringen. Dies ist GENUG BEWEIS, dass AUCH der christliche Gott nur eine Erfindung ist wie alle anderen Götter!
Franz Edler am Permanenter Link
Wenn sie den Gott der Bibel wirklich kennen würden, dann wäre ihnen vieles klar.
Aber so ist es ihnen offenbar angenehmer und weniger schmerzhaft, als wenn man sein Weltbild ändern müsste.
Paul München am Permanenter Link
Herr Edler, leider haben Sie meine Frage nicht beantwortet, sondern sind ausgewichen. Existieren Zeus und Hestia?
Franz Edler am Permanenter Link
Ich habe nicht erkannt, dass ihnen das wichtig ist.
Meine Antwort: Natürlich existieren Zeus und Hestia NICHT!
Evil Ernie am Permanenter Link
Na, der war gut, warum auch sollte das nicht stimmen?
Da können Sie getrost warten, bis es zu spät und das Leben verschwendet ist.
Franz Edler am Permanenter Link
Es ist gerade umgekehrt.
Jesus hat nämlich EWIGES LEBEN versprochen.
Das ist viel länger als die paar Jährchen hier.
Paul München am Permanenter Link
Herr Edler, Sie bringen es exakt auf den Punkt, Jesus hat ewiges Leben VERSPROCHEN, ob das Versprechen eingehalten wird, ist eher zweifelhaft. Im Hinduismus gibt es den Glauben an (mehrfache) Wiedergeburt.
Franz Edler am Permanenter Link
Für sie ist es zweifelhaft. Für mich nicht.
Evil Ernie am Permanenter Link
Nein, ist es nicht und dieses Versprechen haben in tausenden von Jahren Götterevolution schon hunderte vor ihm gemacht. Ich kennen keinen Jesus, mir hat er nichts versprochen.
Franz Edler am Permanenter Link
Also ich kenne Jesus und habe heute schon viel mit ihm gesprochen.
Ich bin deshalb schon wieder extrem fröhlich.
Da denke ich dann nicht mehr über Kanibos im Amazonas nach.
Paul München am Permanenter Link
Ernstgemeinte Frage: woher wissen Sie, dass Jesus Ihnen zuhört, hat er Ihnen geantwortet?
Und wie soll das funktionieren, wenn gleichzeitig tausende Gläubige mit Jesus sprechen?
Ebenfalls ernstgemeint: fragen Sie ihn doch bitte, wann er seine Wiederkunft geplant hat.
Franz Edler am Permanenter Link
Zur ersten Frage: Das spürt man, wenn man Glauben hat. Darauf kommt es an.
Zur zweiten Frage: Ein Gott, der mit einem Wort das ganze Universum geschaffen hat, kann das.
Evil Ernie am Permanenter Link
Für aufgeklärte, vernunftbasierte Wesen sind Ihre Kommentare tatsächlich immer schwerer zu ertragen.
2. Ein Gott der das "kann" kann aber nicht für Frieden unter seinen hungernden, sich gegenseitig abschlachtenden Kindern sorgen? Die Theodizee läßt grüßen. Dann kann er wohl nicht, oder will einfach nicht. Wer will so etwas anbeten?
3. Auch wenn ich mich wiederhole: Kein Mensch kann mehr nachvollziehen, was ein Zimmermann vor 2000 Jahren wirklich gesagt hat, wenn es ihn denn überhaupt gegeben hat - auch Sie nicht. Davon abgesehen beantwortet das die gestellte Frage auch nicht. Aber man muss davon ausgehen, dass Ihr imaginärer Freund Ihnen diese Frage auch nicht persönlich beantworten wird.
Paul München am Permanenter Link
Herr Edler, "mit jemandem sprechen" heißt gemäß allgemeinem Verständnis, dass BEIDE abwechselnd sprechen. Also nochmal die Frage: hat Jesus Ihnen bei Ihren zahlreichen Gesprächen auch mal geantwortet?
Und was die in Aussicht gestellte Wiederkunft anbelangt, nach zweitausend Jahren könnte Jesus es sich evtl. anders überlegt haben?
Paul München am Permanenter Link
Dass "Gott .. mit einem Wort das ganze Universum geschaffen hat", ist lediglich eine Behauptung, denn niemand war dabei, der diese Behauptung bestätigen könnte!
Evil Ernie am Permanenter Link
Vielen Dank für die ausführliche Antwort, fand ich sehr interessant.
Aber es wird doch sehr viel verallgemeinert und versucht unterschiedliche Schubladen zu bedienen.
Und natürlich haben sie dann unterschiedliche politische Ansichten, etc., diese spielen aber für ihre religiöse Richtung und Definition ebenfalls keine Rolle.
Es ist doch so, dass Religiöse, Gläubige versuchen, den Atheismus zu diskreditieren, indem sie versuchen ihn mit allen möglichen Richtungen und Strömungen zu verknüpfen. So ist es für sie einfacher, Feindbilder aufzubauen.
In deren beschränktem Weltbild ist es schlicht nicht vorstellbar, dass Religion für viele Menschen einfach überhaupt kein Thema ist.
Ja, womöglich ist dieser "Reddit-Atheist" peinlich, aber auch da könnte man differenzieren, sonst wird es wirkich peinlich ;)
Und auch ja, die gesamte Menschheitsgeschichte betrachtet, finde ich durchaus, dass Religionen noch immer eines der größten Übel der Menschheit sind. Was nicht automatisch heißt, dass es nicht noch andere große Übel gibt.
Das goldene Zeitalter der Vernunft wird nicht kommen, zumindest nicht mit Homo Sapiens. Aber es ist vorstellbar, dass es etwas friedlicher auf diesem Planeten wäre.
Jörg Heep am Permanenter Link
Schon Aristoteles erklärte in seiner Nikomachischen Ethik, dass der Mensch, als vernunftbegabtes Wesen (logon echo) von Natur aus befähigt ist, gutes von schlechtem Handeln zu unterscheiden.
Das ist älter als das Christentum.
Thomas von Aquin und Augustinus haben später Aristoteles' Nikomachische Ethik übertragen um die christliche Ethik zu beschreiben. Nur, wo Aristoteles den Verstand postuliert, postulieren sie Gott.
Ergo, wer an Gott glaubt, gibt seinen Verstand ab.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Der letzte Satz, das Ergo ist absolut richtig, nur tut das kaum jemand freiwillig, sondern unter dem Zwang der frühkindlichen Indoktrination und der massiven geistigen Erpressung