We Want Sex (Equality)

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Screenshot wewantsex-derfilm.de

(hpd) In Großbritannien wird 1968 ein erbitterter Streit ausgetragen. Gegen die Konzernleitung, gegen die Politik, ja sogar gegen die Gewerkschaft kämpfen sie an – 187 Näherinnen aus dem Ford-Werk in Dagenham. Ihr Ziel: Gleiches Geld für gleiche Arbeit! In seiner Komödie „We Want Sex“ inszeniert der Brite Nigel Cole die wahre Geschichte mit erfrischender Leichtfüßigkeit und zeigt dabei vor allem eins: Der Kampf für eine gerechte Sache kann auch Spaß machen.

„Maaaaaaann!“ – ein gellender Schrei zieht die Aufmerksamkeit von 187 Frauen auf die Treppe, von der ein leicht verschüchterter Albert Passingham (Bob Hoskins) herab schreitet. Es ist ein heißer Tag an dem die Frauen ihrer Arbeit nachgehen. Sie sind Näherinnen im Fordwerk Dagenham, nahe London. Aufgrund der Hitze haben die meisten ihre Arbeitsanzüge bis in die Hüfte herunter gezogen, arbeiten bloß im BH. Als der ältere Herr den Raum betritt, ziehen sie ihre Anzüge wieder nach oben, über die Schulter. Hektisch sind sie dabei nicht, nein, durch ihre gelassene und offensive Art drängen sie den Mann sogar in die Defensive. Der Tenor von „We Want Sex“ ist nun klar: Hier haben die Frauen das Sagen.

Als die Konzernleitung trotz des bereits bestehenden Lohngefälles zwischen den Geschlechtern den Lohn der Frauen noch weiter drücken möchte, indem ihre Arbeit auf die von Ungelernten herabgestuft werden soll, beschließen die Arbeiterinnen einstimmig, für ihre Rechte zu kämpfen. Sie werden einen Arbeitskampf führen, den ersten (weiblichen) der Konzerngeschichte, und damit werden sie auch über die Grenzen der Fabrikmauer hinaus für mächtigen Wirbel sorgen.

Anfangs werden sie dabei noch von ihren männlichen Kollegen und ihren Familien unterstützt. Als sich die Lage zuspitzt, ändert sich aber auch deren Stimmung zunehmend und die Frauen sind auf sich alleine gestellt. Ihre Wortführerin ist Rita O’Grady (Sally Hawkins), zu Beginn eher unscheinbar und leicht einzuschüchtern. Im Laufe des Arbeitskampfes wächst sie rasant an den Herausforderungen und wird mehr und mehr zur Ikone für die gerechte Sache. Sie lässt sich den Mund nicht verbieten, hält sich nicht an überkommene Traditionen der Politik, führt Verhandlungen so erfrischend respektlos, dass ihr jeweiliges Gegenüber kaum weiß, wie es reagieren soll. Als sich sowohl die Konzernleitung aus den USA, als auch die britische Politik für ein Ende des Streiks einsetzen, gerät das Vorhaben aber aus der Bahn. Jetzt hängt alles von einem großen Gewerkschaftstreffen ab, bei dem abgestimmt wird, ob der Arbeitskampf der Frauen eingestellt werden muss.

Harter Alltag in grellen Farben

Ein Streik nahe London in den Swinging Sixties - Da passt der schicke Retro-Look der sechziger Jahre natürlich ganz wunderbar und so vermischt Nigel Cole in seinem schönheitsoperierten Sittenbild der Sechziger Hochsteckfrisuren mit Hot Pants und dem Traum vom Farbfernsehen zu einem grellbunt überzeichneten Comicstrip, der wohl nur noch wenig vom rauen Alltag der Industrievorstadt jener Tage widerspiegelt. Ebenso überdreht sind die meisten Charaktere angelegt – mehr Karikaturen von Positionen, denn vielschichtige Persönlichkeiten. Besonders deutlich wird dies bei den überzeichneten Gewerkschaftsvertretern, aber auch die Manager und Politikberater sind kaum mehr, als die stimmungsvollen Schatten ihrer Arbeitsstellen. Bei genauerem Betrachten fällt zudem auf, dass sich Cole bei der Zusammensetzung der Frauengruppe wohl mehr an dem Schema einer Girlgroup orientiert hat, als an der Realität: Da gibt es die erfahrene und vom Leben gezeichnete ältere Frau, die junge Schönheit, die von einer Modelkarriere träumt und das schüchterne Mauerblümchen, das sich im Verlauf des Filmes zu einer blühenden Farbenpracht entfaltet.

Auch wenn der Look des Films und der muntere, wenngleich wenig überraschende Pop-Sound der Sechziger, zwischen Rock, Soul und Reggae, einen Hauch von Vintage-Romantik erzeugen - so schön bunt und geordnet, wie die Welt in Dagenham zu sein scheint, ist sie dann aber doch nicht. Denn die Gesellschaft in „We Want Sex“ ist eine abweisende, zumindest gegenüber ihren Frauen. Patriarchalische Strukturen herrschen in Wirtschaft, Gesellschaft und Familie. Nur die Politik ist schon einen Schritt weiter, denn „der beste Mann“ (O-Ton!) im Kabinett des Premierministers – ist eine Frau.

Schweres Thema, leichte Kost

„We Want Sex“ besticht gerade durch die Leichtfüßigkeit, mit der das Thema „Gleichstellung“ angegangen wird. Obwohl die Frauen dafür kämpfen – und das müssen sie an allen Fronten – ist die Gleichstellung von Mann und Frau weit mehr als nur ein Kampfbegriff. Sie ist wird zum Recht erklärt, und „Rechte sind keine Privilegien!“, schreit die erzürnte Rita einmal heraus. Sie sind selbstverständlich. Zumindest sollten sie es sein. Und genau das transportiert „We Want Sex“ in seiner komödiantischen Leichtigkeit geradezu spielerisch. Überzeugend ist die Komödie vor allem dann, wenn sie ihren verschiedenen Frauentypen immer wieder den Freiraum lässt, die patriarchalischen Verhaltensweisen der Männer zu durchleuchten, ihre Stellung im System zu reflektieren und eigene Positionen auch gegen Widerstände zu vertreten.

Am Ende des Films, während des Abspanns, gewährt Nigel Cole einen Blick auf die realen Arbeiterinnen aus Dagenham. Hier sind originale Aufnahmen der Frauen zu sehen, die sich Ende der Sechziger zu den Vorfällen vor der Kamera äußerten. Ihnen haftet nicht jener schicke Retro-Look an, der den Stil von „We Want Sex“ bestimmt, sie sind echte, wahrhaftige Menschen. Hier trifft die Fiktion auf ihre reale Großmutter und stellt am Ende doch nochmal das Verhältnis von Wirklichkeit und Inszenierung in Frage. Und das ist auch gut so.

Ein gesellschaftliches Überdenken der sozialen Rollen von Mann und Frau wird „We Want Sex“ dadurch sicher nicht erreichen. Als komödiantisch-kritischer Kommentar und als Film mit starken Frauen-Charakteren funktioniert er allerdings hervorragend.

Sex steht für Gleichheit!

Der deutsche Titel führt derweil etwas in die Irre. „We Want Sex“ (Originaltitel: Made in Dagenham) klingt nach plumper Teenie-Klamotte und scheint kaum mehr als ein nett gemeinter Marketing-Trick zu sein, der ein emanzipatorisches Thema in das Werbe-Mäntelchen eines Sexfilmes steckt.

Einmal im Verlauf der Proteste trägt ein Transparent die Aufschrift „We want sex“. Ein Blick nach oben, die Falten des Transparentes etwas ziehen und rücken, schon heißt es: „We want sex equality“ – achso! Eine kleine Anekdote am Rande, und – wie auf der offiziellen Website zum Film zu lesen ist – eine, die sich damals wohl auch tatsächlich so zugetragen haben soll und den streikenden Frauen den etwas kruden Spitznamen der „We-Want-Sex-Girls“ einbrachte. Das stimmt mit dem übermütigen Titel etwas versöhnlich. Unpassend ist er trotzdem.

Sascha Schmidt

 

We Want Sex (OT: Made in Dagenham), Nigel Cole, Großbritannien 2010, 113 Minuten