Mission in Wunstorf: Kirche kapert Schule

Sehr konservative Landesregierung

„Die Privilegien für die Evangelische Kirche sind nun ein Reflex der Forderung nach Gleichberechtigung“, erklärt Haupt weiter. Das Vorhaben, die IGS in Wunstorf zu kapern, sieht auch er kritisch und beurteilt den Plan als „höchst zweifelhaft“. Möglich wurde die Übernahme unter anderem auch, weil 2007 eine Erweiterung des Konkordats beschlossen wurde. Rund 100 Schulen betreibt die evangelische Kirche in Niedersachsen schon heute und zukünftig sollen es noch mehr werden.

Dass sich die Landespolitik hier in kommender Zeit grundlegend ändert, empfindet Haupt ebenfalls als unwahrscheinlich. Der nach der Versetzung des ehemaligen Ministerpräsidenten und bekennenden Evangelikalen Christian Wulff ins Amt des Bundespräsidenten heute das Bundesland regierende David McAllister sei „sehr konservativ“, meint er.

Kritiker und Gegner der Kirchen-IGS sehen klar den missionarischen Zweck bei der zukünftigen Umsetzung des kirchlichen Bildungskonzepts. Stadtratsmitglied Albert Schott meint zwar, er wolle das Vorgehen der Kirche hier sehr genau beobachten. Für Johannes Haupt und Ralfina Dicker ist die Lage schon jetzt eindeutig, denn alle Veröffentlichungen von Landeskirche, dem 2009 gegründeten Schulwerk und sogar das angekündigte Schulkonzept liefern kaum bestreitbare Belege.

Köder Islamunterricht

Ein Unterrichtsfach „Werte und Normen“ wird es an der kirchlichen IGS nicht geben, das ist sicher. Geplant ist stattdessen die religiöse Unterweisung von Schülern mit Eltern christlichen Glaubens. In Aussicht stellte die Kirche auch einen entsprechenden Unterricht auf Basis islamischer Lehren, gewisse Schülerzahlen vorausgesetzt.
Ralfina Dicker hält das für einen Köder, um Skeptiker unter den Einwohnern mit muslimischem Bekenntnis zu gewinnen. Ein wirklich integratives Konzept zur ethischen und weltanschaulichen Bildung aller Schüler, wie es für eine Integrierte Gesamtschule notwendig wäre? Fehlanzeige, meint sie.

In einem kircheninternen Strategiepapier von 2009 heißt es dazu: „Kirchliche Bildungsverantwortung richtet sich insbesondere darauf, Voraussetzungen und Strukturen zu schaffen, in denen die christliche Botschaft verstehbar und erlebbar werden kann. Spezifische Orte der Vermittlung religiöser Bildung sind Kindergärten, der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, evangelische Schulen, Universitäten, Kinderund Jugendarbeit, Konfirmandenarbeit und die Erwachsenenbildung.“

Beim Abschnitt „Die Missionarische Dimension der Bildung“ wird man noch konkreter: „Der christliche Glauben ist wesenhaft missionarisch mit dem Ziel, alle Menschen für den Glauben an Jesus Christus zu gewinnen und in der Überzeugung, dass dies ‚nicht aus eigener Vernunft noch Kraft‘ zu leisten ist, sondern auf das Wirken des Heiligen Geistes durch das Evangelium zurückgeht.“

Und auch in online verfügbaren Konzepten findet man unzweifelhafte Positionen: „Zwei Dinge sind es, worauf das gesamte Leben als Ziel ausgerichtet sein muss, nämlich Frömmigkeit und Bildung.“

Gegenüber lokalen Medien versucht man jedoch, diese offenkundige Tatsache mit Dementis zu vertuschen: „IGS missioniert nicht“, gibt die „Leinezeitung“ den Präsidenten des Landeskirchenamtes Hannover, Burkhard Guntau, für die lokalen Leser wieder. „Es geht uns nicht darum, Missionsschulen zu errichten, sondern wir wollen daran erinnern, dass Bildung ein wichtiges Thema der evangelischen Kirche ist“, heißt es in einer weiteren Erklärung der Kirche zu diesem Thema.

Ralfina Dicker und die kürzlich gegründete Initiative „Pro staatliche IGS“ weiß nun bereits die Zustimmung von Vertretern der Gewerkschaft ver.di auf ihrer Seite. Gerhard Preiss, Vorsitzender des Ortsverbands von ver.di, monierte laut „Leinezeitung“ die fehlende Befragung der Eltern zur arrangierten Schulübernahme.

Die Verfechter der Kirchen-IGS verweisen jedoch auf eine andere Umfrage, erklärt Ralfina Dicker. Im letzten Jahr hatte es eine „Umfrage“ bei einer öffentlichen Stadtratssitzung zu diesem Thema gegeben. Dort waren jedoch vor allem „Kommunalpolitiker und Kirchenfürsten“ anwesend, so Dicker. Auf der kurzfristig anberaumten Sitzung hatte man kräftig die Werbetrommel gerührt und die Befragung der Anwesenden schließlich als repräsentatives Stimmungsbild im Stadtrat verwendet, wo der Vertrag beschlossen wurde.