Schule in Polen:

Weniger Religion, mehr "gesunder Menschenverstand"

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Polens Bildungsministerin will den Religionsunterricht an Schulen halbieren. Nur noch eine statt derzeit zwei Stunden Religionsunterricht an öffentlichen weiterführenden Schulen, das hat Polens Bildungsministerin Barbara Nowacka jetzt per Verordnung festgeschrieben. Doch die katholischen Bischöfe kündigen Protest an.

Als Begründung verweist die linksliberale Politikerin auf den "gesunden Menschenverstand". Bislang würden Schülerinnen und Schüler im Fach Religion mehr Unterricht erhalten als etwa in Biologie, Chemie, Physik, Gesellschaftskunde zusammengenommen. Das zu ändern ist erklärtes Ziel von Nowacka; vielmehr solle die Schule "bestmöglich auf die Zukunft vorbereiten, auch die berufliche".

Zudem soll die Benotung in dem Fach nicht mehr in den Notendurchschnitt eingehen. Die Verordnung sieht weiter vor, den Religionsunterricht in die erste oder letzte Schulstunde des Tages zu legen, damit abgemeldete Schüler erst später zur Schule kommen brauchen oder früher nach Hause gehen können.

Der Religionsunterricht ist in Polen freiwillig, die Nachfrage nimmt zusehends ab. Dennoch ist die Kürzung ein starkes Signal im traditionell religiös geprägten Polen, wo sich noch immer über 70 Prozent der Bevölkerung einer christlichen Konfession zurechnen, die überwiegende Mehrheit katholisch.

Die polnische Bischofskonferenz hatte bereits im Dezember Protest angekündigt. Nach Ansicht der Kirchenvertreter verstößt die neue Regelung gegen eine Vereinbarung zwischen dem Staat Polen und dem Vatikan. In Nowackas Verordnung sehen sie einen "rechtswidrigen Akt", der ohne Einvernehmen der Kirche und der Gläubigen beschlossen worden sei. Zudem schränke die Kürzung das verfassungsmäßig garantierte Recht der Eltern ein, ihre Kinder in Einklang mit dem Glauben zu erziehen. Der Sprecher der polnischen Bischofskonferenz, Leszek Gesiak, kündigte im Fernsehsender Polsat News an, eventuell weitere rechtliche Schritte zu unternehmen. Und Wojciech Polak, Erzbischof von Gniezno, sagte in einem Interview, seine Kirche wolle gemeinsam mit anderen – erheblich kleineren – Konfessionen über eine Klage beim Verfassungsgericht beraten.

In Gesprächen mit der Regierung bestanden die Bischöfe darauf, dass an Grundschulen auch künftig die beiden Wochenstunden Religionsunterricht beibehalten werden sollen. Hinsichtlich der weiterführenden Schulen forderten sie, dass alle Schüler entweder das Fach Religion oder Ethik belegen müssen. Das ist in Nowackas Verordnung nicht vorgesehen. Wie der Religions- ist auch der Ethikunterricht freiwillig, allerdings wird Ethik nur an wenigen Schulen angeboten.

Während die Kirchenchefs toben, findet in der Bevölkerung die Kürzung des Religionsunterrichts großen Zuspruch. Laut einer Befragung im August 2024 waren 56 Prozent dafür, die Stundenzahl auf eine Stunde pro Woche zu reduzieren. 31,8 Prozent waren dagegen, 12,2 Prozent unentschieden.

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