(hpd) Frauen, wird gerne verlautbart, sind benachteiligt. Daher gibt es einen internationalen Frauentag und der ist heute, sogar der hundertste. Ein „Ja, aber...“ von der Humanze Fiona Lorenz
International gesehen, kann ich unumwunden zugestehen, dass in vielen Ländern dieser Erde ein Frauenleben unangenehmer verlaufen kann als das eines Mannes. Sie läuft Gefahr, gesteinigt zu werden und ihre Stimme zählt nur halb soviel wie die eines Mannes, wenn sie das Pech hat, etwa im Iran zu leben. „Ehrenmorde“ an Mädchen und Frauen gehören zur fundamentalistisch-islamischen Kultur.
Dass es überhaupt niemandem in einer solchen diktatorischen Umgebung gutgehen kann, ob Frau oder Mann, in der man nicht lachen darf, keine freie Sexualität leben oder schwul sein darf, wie etwa in Uganda, ohne um sein Leben fürchten zu müssen: Frauen in solchen Ländern scheint es im Schlechten noch schlechter zu gehen als Männern.
Aber wir sind hier in Deutschland. Auch hier sollen Frauen benachteiligt sein. Ihnen will ich mich im Folgenden widmen, den Vertreterinnen meines Geschlechts, eines Zufallsprodukts, bei dem es ca. 50 : 50 stand, mit welchem man sich in diesem Leben zurechtzufinden hätte.
„Frauen verdienen weniger als Männer“; „Es gibt zu wenig Frauen in Führungspositionen“ – solcherart sind die gern gelesenen Schlagzeilen, die mal wieder bestätigen sollen, was wir alle seit Jahrzehnten eingetrichtert bekommen: Frauen sind benachteiligt! Deshalb brauchen wir Gleichstellungsbeauftragte und Sonderprogramme der Bundesregierung wie der Europäischen Union, um mehr Frauen nach oben zu bringen. Ob diese nun wollen oder nicht.
Die erste Frage, die man genau hier stellen könnte, wäre: Wollen Frauen überhaupt in Führungspositionen? Die zweite Frage lautet dann: Verdienen Frauen wirklich weniger als Männer, wenn sie die gleichen Qualifikationen vorweisen können? Und drittens, gewissermaßen damit eng verbunden: Was bekommen Frauen anstelle von Geld, wenn sie arbeiten?
Diesen drei Fragen will ich auf den Grund gehen.
Gleich vorneweg sei bemerkt, dass es sehr schwierig ist, an aussagekräftige Zahlen zu kommen. Allerorten wird eine Benachteiligung behauptet, doch nirgends fundiert belegt. Es werden Zahlen und Prozente genannt, ohne ausreichende Bezüge herzustellen. Die Zahlen wirken auf den ersten Blick meist verstörend, wie ein Blick auf die abweichenden Gehälter von Architektinnen zu Architekten oder von Bankkauffrauen zu Bankkaufmännern. Aber wenn man die unterschiedlichen Lebensbedingungen von Frauen und Männern in Deutschland berücksichtigt, merkt man schnell, dass es so einfach nicht sein kann.
Privatwirtschaft auf Selbstzerstörungsmodus?
Zum Beispiel das Statistische Bundesamt: Hier wird wenigstens nachvollziehbar dargestellt, dass die Geschlechter im öffentlichen Dienst nur 7,5 (2007) bzw. 7,1 Prozent (2009) auseinanderklaffen, im Vergleich zur Privatwirtschaft, die offensichtlich die teuren Männer (22,5-22,7 Prozent teurer als Frauen) bevorzugt einstellt – augenscheinlich hat die Privatwirtschaft einen Selbstzerstörungsmodus eingeschaltet, der sie zu dieser irrationalen Handlungsweise bewegt. Vielleicht haben diese Zahlen aber auch einen anderen, nachvollziehbaren Hintergrund.
Doch beim Statistischen Bundesamt wird man nicht wirklich fündig, wenn man diesem seltsamen Verhalten der Privatwirtschaft nachgehen will. Unter „Gender Pay Gap nach unternehmensbezogenen Merkmalen im Jahr 2006” lassen sich sehr viele Zahlen finden, Zahlen zum Gewerbe wie Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Verarbeitendes Gewerbe, Energie- und Wasserversorgung oder zum Baugewerbe, Zahlen zur Unternehmensgröße oder zum Einfluss der öffentlichen Hand – alles fein säuberlich nach Geschlecht. Aber welche Positionen Frauen und Männer in diesen Gewerben bekleiden – dazu findet sich in dieser Tabelle leider nichts.
Dasselbe trifft auf den “Gender Pay Gap nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen im Jahr 2006” zu. Der Bruttoverdienst in Euro nach West- oder Ostdeutschland, Vollzeit oder Teilzeit, Art des Arbeitsvertrags – alles fein säuberlich nach Geschlecht. Und doch ohne Aussagekraft. Denn die “Arbeitnehmer in leitender Stellung” verdienen nach Geschlecht zwar sehr unterschiedlich. Aber in welcher Ranghöhe wird geleitet? Werden hier Abteilungsleiterinnen mit Filialleitern verglichen, ähnlich wie Äpfel mit Obstbäumen? Werden hier Leiterinnen von Beratungsstellen mit Leitern von Großkonzernen verglichen, ähnlich wie Pfirsiche mit Bananenstauden? Kurzum – die Kreuzverweise fehlen, die Angaben sind zu eindimensional, um irgendeine fundierte Aussage zu erlauben.
(Interessant ist hier allerdings, dass die Gehälter von Männern und Frauen in Ostdeutschland weniger voneinander abweichen als in Westdeutschland. Wenn hier überhaupt jemand benachteiligt ist, dann die ostdeutschen Männer und Frauen: Sie verdienen weit weniger als die westdeutschen Männer, die nahezu 50% mehr verdienen!)
Die Unterscheidung aufgrund der persönlichen Merkmale wie Alter der Beschäftigten und Art des Schulabschlusses lassen sich auf Umwegen interpretieren: Je älter, desto größer der Abstand zwischen Mann und Frau. Dies lässt sich teilweise historisch erklären: Früher blieb die Frau zu Hause, der Mann arbeitete. Sie war weniger gut ausgebildet, stieg irgendwann wieder in einen „Dazuverdienerjob“ ein. Bei der Art des Schulabschlusses muss man wohl sogar einen größeren Umweg nehmen, schließlich heißt es ja immer wieder: Frauen haben einen Hochschulabschluss, Männer haben einen Hochschulabschluss, nachher verdienen aber die (armen, bedauernswerten, doch ebenso kompetenten) Frauen weniger als diese Männer (mit ihren Seilschaften).
Diskrepanzen aufgedeckt
Auf diese Diskrepanz kam das Bundesamt für Statistik gar selbst, indem es die eben zitierten Zahlen erneut untersuchte und die Ergebnisse in einer Pressemitteilung vom 25. Oktober 2010 präsentierte:
“Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Basis neuer Untersuchungen der Verdienststrukturerhebung 2006 mitteilt, sind rund zwei Drittel des Gender Pay Gap auf strukturell unterschiedliche arbeitsplatzrelevante Merkmale von Männern und Frauen zurückzuführen. Die wichtigsten Unterschiede sind dabei die zwischen weiblichen und männlichen Arbeitnehmern ungleiche Besetzung von Positionen sowie die zwischen den Geschlechtern unterschiedlich ausfallende Berufs- beziehungsweise Branchenwahl. Darüber hinaus sind Frauen eher teilzeitbeschäftigt und tendenziell schlechter ausgebildet.”
Ähnliches berichtet das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. - Na, das ist doch schon ein Ansatzpunkt, oder?
In welchen Fächern bilden sich Frauen und Männer denn aus? Und wer bildet sich anschließend eher weiter? Nun, da es mittlerweile etliche Programme gibt, die Mädchen und Frauen in MINT-Berufe hineinlocken wollen, ist schon klar, wo der Hase langläuft: Frauen sind auch heute noch weit mehr an (schlechter bezahlten) Sprach- und Kulturwissenschaften interessiert, wie das Statistische Bundesamt im Juni 2006 unter dem Titel „Frauen haben wenig Interesse am technischen Studium“ feststellte:
“Das Interesse der Studienanfängerinnen konzentrierte sich in 2005 nach wie vor auf die Fächergruppen Sprach- und Kulturwissenschaften mit einem Frauenanteil von 73% und Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften (66%). In den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (51%) war das Geschlechterverhältnis fast ausgeglichen.”
Inwieweit gerade der letzte Posten „Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“, innerhalb dessen es mit hoher Wahrscheinlichkeit Geschlechterunterschiede zwischen den Fächern gibt, einfach zusammengefasst wurden, kann ich hier leider nicht nachvollziehen.
Berufswahl nach wie vor geschlechtsspezifisch
Aus dem Statistischen Jahrbuch 2010 Bildung und Kultur geht außerdem hervor, dass – allen Emanzipations- und Gleichstellungsbestrebungen zum Trotz, welche von Mädchen und Frauen offensichtlich einfach ignoriert werden - im Jahre 2008 von den männlichen Ausbildungsberufen weit über die Hälfte den Fertigungsberufen zuzurechnen waren, bei den Frauen waren dagegen etwa Dreiviertel der Ausbildungsberufe den Dienstleistungsberufen zuzuordnen. Das Institut der deutschen Wirtschaft kam zu ähnlichen Ergebnissen.
In der im Statistischen Jahrbuch angeordneten Grafik kann man jedoch feststellen, dass Frauen 2008 in den höheren Schulabschlüssen überproportional vertreten sind: ohne Abschluss oder mit Hauptschulabschluss sind mehr Jungen, ab der Realschule aufwärts mehr Mädchen zu finden. Weshalb schreien Gleichstellungsbeauftragte nicht an dieser Stelle laut auf? Was stimmt an unserem Schulsystem nicht, in dem ganz offensichtlich Jungen benachteiligt sind?
Wenn aber Männer sich zum Studium entschließen, promovieren und habilitieren sie eher als Frauen. Das ist Fortbildung. Das sind weiterführende Hochschulabschlüsse, die nicht mit Diplom, Bachelor oder Magister in einen Topf geworfen werden sollten. Nebenbei bemerkt, kann man Promotionen und Habilitationen nicht mit Professuren vergleichen, da erstere einmalige Ereignisse sind, Professuren jedoch langjährige Inhaberschaften sind, die deren Freiwerden oder Schaffung voraussetzen. Deshalb sind entsprechende Zahlenspiele und Vergleiche unsinnig.
Besser bezahlt
Man kann sich selbstredend darüber streiten, weshalb „Frauenberufe“ weniger gut bezahlt werden als „Männerberufe“, doch ein Indiz könnte das höhere Risiko und der höhere Zeitaufwand sein, welche eher mit Männerberufen einhergehen. Männer legen auch längere Strecken zur Arbeitsstelle zurück als Frauen. Frauen bevorzugen offenbar Büroberufe, die mit ihren anderen Lebensbereichen kompatibel sind – und dies könnte die nichtmonetäre Vergütung sein, welche Frauen dazu bringt, eher abzuwinken, wenn ihnen jemals einer dieser zeitraubenden und anstrengenden Führungsposten angeboten würde. Andersherum sind Frauen in Führungspositionen nicht per se die angenehmsten Chefs und Kolleginnen, da die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht nichts über die Führungsqualitäten des Geschlechtsinhabers aussagt.
Weshalb Frauen ansonsten weniger willens sind als Männer, sich Posten mit höherem Verdienst zu erarbeiten, auch unter sonst gleichen Voraussetzungen, müsste ernsthaft geklärt werden. Stattdessen werden heute noch dieselben Plattitüden wie vor dreißig Jahren stereotyp wiederholt. Diese bringen jedoch offensichtlich keine nennenswerten Fortschritte (mehr) – wenn es diese überhaupt geben soll. Kann es denn sein, dass das, was Gleichstellungsbeauftragte und Bundesministerien von Frauen verlangen, von denen gar nicht gewünscht wird? Dass die normale Frau schon gleichberechtigt genug ist und gar nicht mehr haben will? Muss man sie dahinhieven in die Führungsposition, in den Ingenieur- oder Informatikberuf, ins Kanzleramt (oh, da sitzt ja schon eine)?
Weshalb Männer eher als Frauen bereit sind, sind in die Mühlen der Führungsposition zu begeben, fragt schon gar keiner. Es scheint selbsterklärend, dass jemand nach Geld, Macht, zu viel Arbeit, zu wenig Freizeit und einem frühen Tod strebt, während ihn die Witwe überlebt.
Wer zahlt eigentlich? - Vabanquespiele
Es geht Frauen also hierzulande doch prächtig – was wollen sie mehr? Sie können wählen gehen, sie können Abitur machen und studieren. Ihnen steht die Welt offen. Sie können ins Frauenhaus gehen, wenn sie geschlagen werden. Sie können ihre Kinder von klein an betreuen lassen, sie können Hartz IV, Unterhaltsvorschuss und Kindergeld beantragen, sie können Mutterschutz in Anspruch nehmen und auf diese Art ihre Kollegen in der Luft hängen lassen, wenn sie meinen, dass nur sie allein fähig sind, ein Kind zu erziehen, selbst wenn sie Ingenieurin, Verkäuferin oder Ägyptologin sind. Ach, wenn sich nur die Männer diese Position im Rahmen der Gleichberechtigung erkämpfen würden: Zuhause bleiben, ein Kind 24 Stunden am Tag erziehen, den Beruf vergessen und sich sagen: Irgendwann, irgendwann geh ich wieder zurück ins unangenehme Berufsleben.
Wer bezahlt eigentlich das Ganze?
Es sind die Väter der Kinder und der Vater Staat. (Bezeichnenderweise finden sich auf Anhieb keine Gesamtzahlen zu Unterhaltsleistungen in Deutschland.)
Während Frauen sich darüber beschweren, dass sie im Beruf nicht mehr Fuß fassen können (weil sie ziemlich lange zu Hause geblieben sind, sich nicht fortgebildet haben, allen Ernstes erwartet haben, ihre Stelle würde eigens für sie anderthalb Jahre vakant gehalten?), sind ihre kinderlosen Kolleginnen und Kollegen sowie jene, die alles unter einen Hut bringen, an ihnen vorbeigezogen.
Als ich einmal einer befreundeten Gleichstellungsbeauftragten gegenüber äußerte, ich würde, wenn ich einen kleinen Betrieb hätte, keine Frau im gebärfähigen Alter einstellen, aus Furcht, diese würde meine Firma ruinieren, da sie das ganze Recht auf ihrer Seite hätte, regte diese sich selbstredend fürchterlich darüber auf. Aber so ist es. Junge Frauen einzustellen ist aus Unternehmersicht riskant. Bleiben sie zu Hause, wenn sie ein Kind bekommen oder nutzen sie – wie es deutsche Frauen nur zögerlich tun – Kinderbetreuung, nehmen ihre Arbeit ernst und tragen hier Verantwortung auch den Kollegen und der Firma gegenüber? Wer weiß – es ist ein Vabanquespiel. Und so beißen Frauenrechte jene, die sie schützen sollen, hinterrücks sonst wohin.
Auch das Argument der angeblich besser vernetzten Männer steht im Gegensatz zu den angeblich besseren sozialen Kompetenzen von Frauen. Wenn Frauen so super mit anderen Menschen können, weshalb können sie sich nicht vernetzen, wenn es um die Arbeit geht?
Wären Frauen also tatsächlich die billigeren Arbeitskräfte bei selber Qualifikation und sogar besseren sozialen Fähigkeiten, würde doch jeder Unternehmer sie mit Kusshand einstellen und diese teuren, emotional rückständigen Männer sofort davonjagen.
Also...
Frauenrechte gibt es genug, so mein Plädoyer. Dank den Pionierinnen des Feminismus sind Frauenrechte in Deutschland selbstverständlich. Sie werden weidlich genutzt, zum Teil missbraucht, zum Teil ignoriert. Im internationalen Vergleich mit den eingangs erwähnten Ländern lebt uns hier in Deutschland die Durchschnittsfrau kuscheliger als der Durchschnittsmann. Will sie nicht arbeiten, wird sie Hausfrau und/oder Mutter. Das darf sie, das ist gesetzlich legitimiert, das zahlt schon irgendeiner.
Wer hierzulande Frauen weiterhin als Opfer sieht und verkauft, übersieht dabei, dass sie vielfach eben nicht wollen, was sie wollen sollen. Statt vom Staat und Arbeitgebern zu fordern, sie mögen Frauen fördern und ihnen die Pöstchen hinterhertragen, sollten wir von den Frauen selbst mehr fordern, sie in die Pflicht, in die Verantwortung nehmen. Es gibt eben Anforderungen des Arbeitsmarktes –Arbeitgeber wollen und müssen gegen konkurrierende Arbeitgeber bestehen. Die Bedingungen des Arbeitsmarktes in Frage zu stellen und diese gegebenenfalls menschenfreundlicher zu gestalten, ist eventuell notwendig oder wenigstens wünschenswert. Aber ein Unternehmen kann nicht funktionieren, wenn es zu viele Rücksichten auf die vermeintlich Schwächsten nimmt. In anderen Ländern, in der ehemaligen DDR geht und ging es auch: Frauen haben gearbeitet und arbeiten wie Männer. Ohne Sonderrechte, sondern als gleichwertige Mitglieder der Arbeitswelt.
Jedes Geschlecht hat sein eigenes Päckchen zu tragen, ebenso wie jeder Vertreter eines sozialen Status, einer Alterskohorte oder einer Nationalität. Letztlich sind andere Personenkreise weitaus mehr benachteiligt als Frauen, wenn es um den Zugang zu Bildung oder zur gesellschaftlichen Teilhabe geht. Schließlich haben sämtliche Pisa-Studien gezeigt, dass in Deutschland vor allem die soziale Herkunft darüber entscheidet, welche Lebenschancen ein Kind erhält. Kurz: Neue Interpretationen braucht das Land!
Fiona Lorenz