Geschäftsgrundlage Unwissen

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Homöopathische Globuli / Foto © Leonora Schwarz (pixelio.de)

WIEN. (hpd) Homöopathen drängen an die Öffentlichkeit – und auf Unis. Längst sind sie zum Teil des Medizingeschäfts geworden. Die Pharmaindustrie hat homöopathische Präparate als Nischenprodukt entdeckt. Und viele Menschen halten es für schick, sich nicht nach den Methoden der diffamierten „Schulmedizin“ behandeln zu lassen sondern „alternativ“. Ohne zu wissen, wie homöopathische Behandlung funktionieren soll.

Franz und ich reden in unserem Stammcafe über, wie man sagt, Gott und die Welt. Über Gott weniger, wir sind beide Atheisten. Und irgendwie kommen wir auf die Esoterik zu sprechen. Von der hält er so wenig wie ich. „Wie hältst du’s denn mit der Homöopathie“, frag ich ihn. Irgendwie dämmert mir schon die Antwort. „Die ist gut, weil das ist zielgerichtete Medizin“, sagt er mir. „Wieso glaubst du das denn?“ „Naja, Magnesiumtabletten zum Beispiel. Eine Freundin von mir hatte Magnesiummangel und die Ärztin hat ihr die Tabletten verschrieben. Das war eine Homöopathin. Das ist keine Chemie und so.“ Möglicherweise, denke ich mir, hat die homöopathisch angehauchte Ärztin mal einen wachen Moment gehabt und als Schulmedizinerin fungiert. Ich erkläre Franz, dass Magnesiumtabletten keine homöopathische Medizin sondern klassische: „Wenn sie homöopathisches Magnesium bekommen hätte, dann nicht weil sie einen Magnesiummangel gehabt hat. Und außerdem wär das Magnesium so stark verdünnt gewesen, dass es nichts gegen den Magnesiummangel geholfen hätte.“ „Ach so, echt? Das glaub ich aber nicht“. Es geht eine gute Stunde hin und her. Franz schaut immer ungläubiger, als ich ihm schildere, wie Homöopathie angeblich funktioniert: Ein Kranker bekommt die Substanz (stark verdünnt), die tatsächlich oder angeblich die Symptome hervorruft, die ein gesunder Mensch bekommt, wenn er die Substanz einnimmt, die der Kranke gerade spürt. Vielleicht hab ich’s auch anders formuliert. „Und ich hab immer geglaubt, da kriegt man genau, was einem fehlt.“ Und dass Homöopathie nicht zwangsläufig bedeutet, dass keine Chemie drin ist, überrascht ihn genauso. Am Ende schüttelt er nur mehr den Kopf. „So ein Blödsinn das Ganze. Das hab ich gar nicht gewusst“. Da hatte ich ihm die Sache mit den Studien, die die Wirksamkeit dieses Wirksystems nicht belegen, noch gar nicht erzählt.

Mir ging’s als Jugendlichem ähnlich. Meine Mutter war der festen Überzeugung, Homöopathie sei Medizin auf pflanzlicher Basis und verträglicher als konventionelle Medikamente. (Was sie nicht daran hinderte, bei akuten Erkrankungen dann doch eher dem Antibiotikum zu vertrauen) Und natürlich war die Krankenkasse böse, die diese Mittel nicht bezahlte. Ich erinnere mich, dass ich einmal Zuckerkügelchen gegen Schlaflosigkeit bekommen habe. Der angegebene Wirkstoff – Koffein. Wie hoch die Potenzierung war, weiß ich nicht mehr. Vielleicht war das Koffein in einer nachweisbaren Konzentration vorhanden, vielleicht nahm ich reinen Zucker zu mir. Nach einigen Monaten waren die Schlafstörungen verschwunden. Hurrah – die Homöopathie hat geholfen. Meinte der Arzt. Das muss man eben länger nehmen. Ich kann mich nicht erinnern, dass er meiner Mutter jemals erklärt hätte, wie die Wirkungsprinzipien der Homöopathie sind. Vermutlich glaubt sie bis heute, dass das Pflanzenheilkunde ist. Mit Esoterik hat sie’s ja sonst auch nicht.

Die Leute wissen nicht, was sie einnehmen, halten es aber für wirksam

Zwei anekdotische Passagen. Ja. Nur, wenn man bedenkt, dass das zwei durchschnittlich gebildete Menschen sind, die beide keine Ahnung von einem Prinzip haben, das sie für sehr begrüßenswert halten, lässt sich erahnen, was die Durchschnittsbevölkerung über Homöopathie weiß. Umfragen decken das im Allgemeinen. Denen zufolge wissen selbst bei freundlicher Interpretation kaum mehr als 15 oder 16 Prozent der Bevölkerung, wie Homöopathie funktionieren soll. Umfragen über eine angeblich hohe Zufriedenheit der Patienten widerlegen das nicht. Sie belegen nur: Die Leute wissen nicht, was sie einnehmen, halten es aber für wirksam. Nachgefragt wird offenbar nicht. Bei der so genannten Schulmedizin ist das anders. Dort fühlen sich Ärzte meist verpflichtet, Patienten zu erklären, wie neue Medikamente funktionieren sollen. Vielleicht nicht immer bis ins letzte Detail und sicher nicht bei Standardmedikamenten, mit denen die Betroffenen schon Erfahrung gemacht haben. Aber immerhin.

Natürlich sollte man auch die Umfragen mit Vorsicht genießen. Sie werden im Regelfall von homöopathischen Verbänden in Auftrag gegeben. Und sie unterscheiden sich erheblich im Prozentsatz der Bevölkerung, der schon einmal homöopathisch behandelt worden sein will. Zwischen 45 und knapp 70 Prozent ist da alles drin. Nur – sofern überhaupt danach gefragt, was die Menschen über Homöopathie wissen, ist die gemeinsame Antwort: Nichts. Nur bei einem geringen Teil der Bevölkerung ist das anders.

Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass die Vertreter der homöopathischen Lehren wollen, dass das so bleibt. In den Umfragen etwa ist sehr häufig von „Homöopathie und Naturheilkunde“ die Rede. Das suggeriert einen Zusammenhang. Ähnlich bei der Seite homoeopathie.de. Wer sich informieren will, was diese Heilmethode sein soll, stößt zuerst auf die beiden Sätze: „Naturheilverfahren erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Auch die Nachfrage nach der Homöopathie steigt ständig, insbesondere, weil sie, richtig angewendet, nebenwirkungsfrei ist.“ Auf dem Info-Portal der österreichischen Homöopathen muss man erst ein wenig suchen, bis man zu einer Definition der Homöopathie gelangt. Diese ist, wenig überraschend, voll von Eigenlob und enthält nur die notwendigsten Informationen. Kritische Distanz zur eigenen Disziplin sucht man vergeblich. Immerhin ist von „Naturheilkunde“ wenig die Rede.

„Alumen“ und „Glonoinum“

Was ebenfalls gerne verschwiegen wird, sind die Zutaten homöopathischer Arzneien. Die haben eher wenig mit Pflanzen- oder Naturheilkunde zu tun. Koffein etwa lässt sich in Reinform nur chemisch gewinnen. Ähnliches gilt für viele mineralische Bestandteile wie Aluminium-Kalium-Schwefel, das unter Homöopathen als Alumen firmiert. Und dass Quecksilber auch lt. EU-Verordnung zu den zugelassenen „Wirksubstanzen“ gehört, erfährt man auch eher nur als ein des Latein einigermaßen mächtiger Leser mit ausgeprägtem Hang zur Informationsbeschaffung. Und die Vermutung erscheint zulässig, dass Homöopathen lieber darüber reden, dass sie etwa Basilikum und Majoran als Zutat verwenden als Nitroglyzerin. Letzteres ist auch Bestandteil zahlreicher „schulmedizinischer“ Medikamente. Firmieren tut es bei Homöopathen unter dem wesentlich harmloseren Ausdruck „Glonoinum“. Zugegebenermaßen Informationen, die die Homöopathen nicht verschweigen. Nur, wer kein Latein kann, ist bei den veröffentlichten Listen einigermaßen aufgeschmissen. Offensive Kommunikation sieht anders aus.

Einen sehr ähnlichen Eindruck bekommt man, wenn man die Presseaussendungen etwa der österreichischen Homöopathen durchliest. Dort ist viel von „natürlich behandeln“ die Rede, von Wirkstoffen wie der Meerzwiebel – vom Prinzip, dass ähnliches mit ähnlichem geheilt werden soll und von Verdünnungen und Potenzen erfährt man gar nichts. So werden es nie mehr als 15 oder 16 Prozent der Bevölkerung, die wissen, wie Homöopathie angeblich funktioniert. Dem Geschäft tut der Informationsmangel allerdings keinen Abbruch.

Christoph Baumgarten