Gegenseitige Versicherung der SPD-Christen

„Es ist doch wichtig, dass die Kirchen bleiben“

Alois Glück, der erst mit Zustimmung der katholischen Bischöfe zum ranghöchsten Laien des katholisch organisierten Deutschlands aufstieg, vertrat das ökumenische Prinzip. Er hatte den leichteren Part, da die Katholiken, trotz Herrn Thierse und Frau Nahles, nicht die Mehrheit der SPD-Wähler nach Religionen stellen.

So blieb er im Konventionellen, zitierte Habermas und konnte auch nicht auf das unvermeidliche, in seiner Absicht verfälschte Böckenförde-Zitat verzichten, dass der Staat auf Voraussetzungen beruhe, die er nicht aus sich selbst heraus schaffen könne. Im Übrigen war er der Meinung, dass die Bedeutung der Religionen wieder zunehmen würde. Auch in den schwierigsten Phasen der Missbrauchskandale in der katholischen Kirche, sei die überwiegende Meinung, die an ihn herangetragen wurde, stets gewesen: „Es ist doch wichtig, dass die Kirchen bleiben.“

Seine Schlussfolgerung daraus ist, dass von den Kirchen erwartet werde, dass sie eine Instanz der Orientierung, der Wertebildung darstellen würden. Das zeige sich u. a. auch darin, dass neuerdings Religionsvertreter zum Weltwirtschaftsforum nach Davos eingeladen werden.

Für das Verhältnis von Staat und Kirchen gibt es seiner Ansicht nach drei Fixpunkte:

  1. Wesentlich sei die Trennung von Staat und Kirche, damit beide unabhängig blieben. Das Schlimmste sei ein „Gottesstaat“. Religionsfreiheit muss durch den Staat garantiert und geschützt werden. Staatliche Gesetze seien der Maßstab für alle Bürger, nicht Glaubensvorstellungen.
  2. Der Zweck von Religionen geht über einen gesellschaftlichen „Nutzen“ hinaus, Religion sei Kern der europäischen Kultur, brauche aber die Akzeptanz unterschiedlicher Auffassungen.
  3. Die Kirche, insbesondere seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, will zu einer humaneren Gesellschaft beitragen, für alle Menschen, im Wechselspiel von Nächstenliebe und Gottesliebe. Zentral sei dabei der „Dienst am Menschen“, die „Diakonie“. Und gerade der Rückbezug über die Irrungen des Nationalsozialismus brauchte nach dem Zweiten Weltkrieg das Korrektiv der Kirchen. Auch darin seien die Kirchen, insbesondere die katholische Kirche, der Anwalt der Menschen.

Die Wandlungen der drei K’s

Gegenüber den früheren drei K’s (für Frauen: Kirche, Küche, Kinder) die Alois Glück jedoch nicht erwähnte, ständen für die katholische Kirche heute drei K’s: Kompass, Kompetenz und Kompromissbereitschaft, denn die Fragen einer Identität würden auch religiös beantwortet und im Übrigen sei der Körperschaftsstatus der Kirchen eine angemessene Form der Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirchen.

In der anschließenden halben Stunde für Fragen aus dem Publikum gab es ein paar besonders erwähnenswerte Themen.

 

Auf die Frage, ob die Gefahr der Fundamentalisierung nicht nur für Religionen, sondern auch für atheistische Auffassungen gelte, gab Dr. h.c. Wolfgang Thierse, Vizepräsident des Deutschen Bundestages und Mitglied im Sprecherkreis des Arbeitskreis der Christinnen und Christen in der SPD, der den ersten Teil der Tagung moderierte, zum Besten: „Meine Erfahrung in der DDR besagt: Atheismus kann eine besonders böse Form der Religion sein.“

Damit wir behalten, was wir haben...

Auf die Frage, woher denn eigentlich das Kirchengut stamme, verwies Jürgen Schmude darauf, dass das 1803 enteignete Kirchengut überwiegend aus Spenden und Stiftungen stamme. Ansonsten hätten auch weltliche Fürsten geraubt und sich Güter gewaltsam angeeignet. Das sei aber im Dunkel der Geschichte nicht mehr so genau so klären und man hätte heute einen Rechtsfrieden. Für den Verlust des Kirchengutes seien entsprechend Ersatzleistungen angebracht.

Das Thema war unterschwellig nicht nur der Laizismus, der den Kirchen doch alle Pfründe wegnehmen wolle, und der wie ein Beelzebub über die verunsicherten christlichen Tische des Saales hüpfte, sondern immer wieder auch der Islam, die Frage seiner Demokratiefähigkeit und die Frage nach seiner Gleichbehandlung.

...sollen die anderen Religionen es auch bekommen

Jürgen Schmude fasste es treffend zusammen: „Gleichberechtigung gibt es nur auf der Basis Null.“ Das hieße aber Nichts für Niemanden. Das könne und dürfe aber nicht sein.

Ergebnis des ersten Teils der Tagung: Balance zwischen Staat und Kirchen ist gut, kleinere Korrekturen könne und müsse man zwar vornehmen, ansonsten aber alles so belassen, wie es sich bewährt habe. Grundlegende Änderungen? Gott bewahre, nein!

Friedrich Simmern