Kommentar

Den Hitlergruß hatte ich doch erst für Februar auf meiner Bingokarte!

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Elon Musk zeigte während seiner Rede am Montag den Hitlergruß und findet, man solle sich nicht so darüber aufregen.
Screenshot von Musks Hitlergruß

Rechte Hand flach auf die Brust, ungefähr dorthin, wo das Herz ist. Arm hochreißen, ausgestreckt im 45-Grad-Winkel. Nicht einmal, sondern zweimal – damit auch die letzte Schnarchnase mitbekommt, welcher Pestwind in den US of A nun weht. Ein Kommentar zu Elon Musks Geste während seiner Rede am Inauguration Day.

Ganz ehrlich, ich dachte erst, das wäre irgendein AI-Joke aus der satirischen Zauberkiste von The Onion. Aber nein. Elon Musk hat auf offener Bühne den Hitlergruß geworfen. Nicht aus Versehen, nicht so halb und im Eifer des Moments, sondern zweimal hintereinander (ab Min. 58:14, zu sehen hier). Ein Automagnat mit antisemitischen Tendenzen, der der Nutzung von Zwangsarbeit beschuldigt wird – das erinnert mich an den alten Marx: "Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce."

Warum immer die Autohersteller?

Als die US-Armee 1945 die Ford-Werke in Köln und Berlin befreite, bot sich ihnen ein grausiges Bild: mangelernährte, ausgezehrte Zwangsarbeiter*innen, eingesperrt hinter Stacheldraht. In einem Bericht vom 5. September 1945 beschuldigte Sonderermittler der US-Armee Henry Schneider das Unternehmen, als "Arsenal des Nationalsozialismus, zumindest für Militärfahrzeuge" gedient zu haben – mit dem Einverständnis der US-amerikanischen Muttergesellschaft.

Holocaustforscher Max Wallace stützt diesen Vorwurf in "The American Axis: Henry Ford, Charles Lindbergh and the Rise of the Third Reich". Zwar bestreitet das Unternehmen Ford, nach 1941 noch Kontrolle über die deutschen Werke gehabt zu haben, anhand deklassifizierter Dokumente allerdings zeigt Wallace, dass die ersten Zwangsarbeiter*innen bereits vor 1941 in den Werken eintrafen.

Laut einer Einschätzung des US-Jusitzministeriums hätte es sogar eine begründete Basis für eine Anklage wegen Kollaboration gegen Henry Fords Sohn Edsel gegeben – wäre dieser nicht 1943 gestorben. Simon Reich, Wirtschaftshistoriker an der Universität Pittsburgh, bezweifelt zwar einen nennenswerten Einfluss des US-Mutterkonzerns nach 1941, konstatiert allerdings ebenfalls, dass "Ford absolut alles tat, um sich in den Nazi-Staat zu integrieren".

Wenn Gestalten wie Christopher Pohlhaus, seines Zeichens eingefleischter, selbsternannter Neonazi, jubiliert und bekundet, dass ihn "nicht interessiert, ob das ein Fehler war" (gemeint ist wieder Musks Geste), dann brennt's. Und eben das ist der Punkt: Es spielt keine Rolle, ob das Absicht war. Erst recht nicht bei dieser albernen, eingeschnappten Reaktion auf die Kritik. Musk hat ja nicht einmal bestritten, dass das ein deutscher Gruß war – er sagte nur, wir sollen uns nicht so drüber aufregen.

Elon Musk ist nicht Adolf Hitler. Elon Musk ist Henry Ford, der sich 1938 noch das Großkreuz des Deutschen Adlerordens verleihen lässt, blöd grinst und hinterher von nichts gewusst haben will. Elon Musk verhält sich bei TwiX, wie sich Henry Ford bei "Der Internationale Jude" verhielt: Man produziert den Antisemitismus nicht, man verlegt ihn. Das macht die Sache aber keinen Deut besser.

Das haben wir jetzt vom "kulturellen Christentum"

Es wurde an mancher Stelle bereits die Frage aufgeworfen, was wir von einem Menschen, der in Apartheid-Südafrika als Teil der mit riesigem Abstand reichsten Klasse sozialisiert wurde und dessen Vater angeblich Geschäfte mit Blutsmaragden machte, anderes erwartet haben. Ich allerdings halte es für unfair, Menschen an ihrer Sozialisierung zu messen – niemand von uns sucht sich die eigenen Eltern aus, niemand von uns entscheidet, ob wir in Armut oder in überwältigenden Überfluss hineingeboren werden. Messen können wir die Menschen lediglich daran, wie gut sie sich über jene Grenzen erheben, die ihre Sozialisierung ihnen auferlegt.

Glaubt man Leuten wie Richard Dawkins, sollte Elon Musk über jeden totalitären Verdacht erhaben sein. "Das Wohlergehen der Welt" habe Musk im Blick, ach, wie humanistisch! Dagegen wäre einzuwenden: Wie altruistisch kann jemand sein, der rechtswidrig Gewerkschaften sprengt? Und wie viel Wert hat diese Zuschreibung, wenn sie von jemandem kommt, der sich (wie auch Musk) dezidiert als "kultureller Christ" bezeichnet? Was soll das eigentlich sein, kulturelles Christentum?

Video: C-Span / Screenshot & Montage: Adrian Beck
Elon Musk beim Zeigen des Hitler-Grußes. Video: C-Span / Screenshot & Montage: Adrian Beck

Ich kann schon gar nicht mehr zählen, wie viele verirrte christkonservative US-Influencer*innen Joseph Henrichs "Die seltsamsten Menschen der Welt" als Beweis für die kulturelle Überlegenheit des Christentums und der protestantischen Arbeitsethik – heute als "prosperity gospel" bekannt – herangezogen haben. Und das, obwohl der Mann in seinem Buch wieder und wieder betont, dass aus seinen Erhebungen keine normativen Aussagen über die grundlegende Validität irgendwelcher Weltreligionen abgeleitet werden können und sollen. Wie sagte der Friendly Atheist Hemant Mehta: "Was ist Christlicher Nationalismus, wenn nicht ein anderer Weg, um allen anderen 'kulturelles' Christentum (wie von der dominanten Gruppe an Konservativen praktiziert) aufzudrücken, ohne sich wirklich um Jesus oder Gott zu kümmern?"

Ich würde ja gerne sagen, dass ich von Dawkins mehr Weitsicht erwartet hätte – hab ich aber irgendwie nicht. Wer einen Mann, der in George Soros so eine Art metaphysischen Weltgeist des Bösen zu sehen scheint, für altruistisch hält, der wäre vor 100 Jahren auch den Protokollen der Weisen von Zion auf den Leim gegangen.

Der Punkt ist der: Das Attribut "humanistisch" und alles, was auch nur ansatzweise nach Hitlergruß aussieht, schließen sich kategorisch aus und damit ist Feierabend, das diskutiert man nicht, wenn man noch einen Funken Anstand im Leib hat.

Wer humanistisch eingestellt ist, bückt sich nicht vor der mörderischsten Ideologie, die wir Menschen jemals erfunden haben, auch nicht aus Versehen. Wem das Wohl der ganzen Welt am Herzen liegt, lässt den rechten Arm in der Öffentlichkeit grundsätzlich unten. Und wer hier anderer Meinung ist, dem spendier' ich einen Flug im schwarzen Helikopter, dann geht's nach Yad Vashem zur geschichtswissenschaftlichen Druckbetankung.

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