Rechte Hand flach auf die Brust, ungefähr dorthin, wo das Herz ist. Arm hochreißen, ausgestreckt im 45-Grad-Winkel. Nicht einmal, sondern zweimal – damit auch die letzte Schnarchnase mitbekommt, welcher Pestwind in den US of A nun weht. Ein Kommentar zu Elon Musks Geste während seiner Rede am Inauguration Day.
Ganz ehrlich, ich dachte erst, das wäre irgendein AI-Joke aus der satirischen Zauberkiste von The Onion. Aber nein. Elon Musk hat auf offener Bühne den Hitlergruß geworfen. Nicht aus Versehen, nicht so halb und im Eifer des Moments, sondern zweimal hintereinander (ab Min. 58:14, zu sehen hier). Ein Automagnat mit antisemitischen Tendenzen, der der Nutzung von Zwangsarbeit beschuldigt wird – das erinnert mich an den alten Marx: "Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce."
Warum immer die Autohersteller?
Als die US-Armee 1945 die Ford-Werke in Köln und Berlin befreite, bot sich ihnen ein grausiges Bild: mangelernährte, ausgezehrte Zwangsarbeiter*innen, eingesperrt hinter Stacheldraht. In einem Bericht vom 5. September 1945 beschuldigte Sonderermittler der US-Armee Henry Schneider das Unternehmen, als "Arsenal des Nationalsozialismus, zumindest für Militärfahrzeuge" gedient zu haben – mit dem Einverständnis der US-amerikanischen Muttergesellschaft.
Holocaustforscher Max Wallace stützt diesen Vorwurf in "The American Axis: Henry Ford, Charles Lindbergh and the Rise of the Third Reich". Zwar bestreitet das Unternehmen Ford, nach 1941 noch Kontrolle über die deutschen Werke gehabt zu haben, anhand deklassifizierter Dokumente allerdings zeigt Wallace, dass die ersten Zwangsarbeiter*innen bereits vor 1941 in den Werken eintrafen.
Laut einer Einschätzung des US-Jusitzministeriums hätte es sogar eine begründete Basis für eine Anklage wegen Kollaboration gegen Henry Fords Sohn Edsel gegeben – wäre dieser nicht 1943 gestorben. Simon Reich, Wirtschaftshistoriker an der Universität Pittsburgh, bezweifelt zwar einen nennenswerten Einfluss des US-Mutterkonzerns nach 1941, konstatiert allerdings ebenfalls, dass "Ford absolut alles tat, um sich in den Nazi-Staat zu integrieren".
Wenn Gestalten wie Christopher Pohlhaus, seines Zeichens eingefleischter, selbsternannter Neonazi, jubiliert und bekundet, dass ihn "nicht interessiert, ob das ein Fehler war" (gemeint ist wieder Musks Geste), dann brennt's. Und eben das ist der Punkt: Es spielt keine Rolle, ob das Absicht war. Erst recht nicht bei dieser albernen, eingeschnappten Reaktion auf die Kritik. Musk hat ja nicht einmal bestritten, dass das ein deutscher Gruß war – er sagte nur, wir sollen uns nicht so drüber aufregen.
Elon Musk ist nicht Adolf Hitler. Elon Musk ist Henry Ford, der sich 1938 noch das Großkreuz des Deutschen Adlerordens verleihen lässt, blöd grinst und hinterher von nichts gewusst haben will. Elon Musk verhält sich bei TwiX, wie sich Henry Ford bei "Der Internationale Jude" verhielt: Man produziert den Antisemitismus nicht, man verlegt ihn. Das macht die Sache aber keinen Deut besser.
Das haben wir jetzt vom "kulturellen Christentum"
Es wurde an mancher Stelle bereits die Frage aufgeworfen, was wir von einem Menschen, der in Apartheid-Südafrika als Teil der mit riesigem Abstand reichsten Klasse sozialisiert wurde und dessen Vater angeblich Geschäfte mit Blutsmaragden machte, anderes erwartet haben. Ich allerdings halte es für unfair, Menschen an ihrer Sozialisierung zu messen – niemand von uns sucht sich die eigenen Eltern aus, niemand von uns entscheidet, ob wir in Armut oder in überwältigenden Überfluss hineingeboren werden. Messen können wir die Menschen lediglich daran, wie gut sie sich über jene Grenzen erheben, die ihre Sozialisierung ihnen auferlegt.
Glaubt man Leuten wie Richard Dawkins, sollte Elon Musk über jeden totalitären Verdacht erhaben sein. "Das Wohlergehen der Welt" habe Musk im Blick, ach, wie humanistisch! Dagegen wäre einzuwenden: Wie altruistisch kann jemand sein, der rechtswidrig Gewerkschaften sprengt? Und wie viel Wert hat diese Zuschreibung, wenn sie von jemandem kommt, der sich (wie auch Musk) dezidiert als "kultureller Christ" bezeichnet? Was soll das eigentlich sein, kulturelles Christentum?
Ich kann schon gar nicht mehr zählen, wie viele verirrte christkonservative US-Influencer*innen Joseph Henrichs "Die seltsamsten Menschen der Welt" als Beweis für die kulturelle Überlegenheit des Christentums und der protestantischen Arbeitsethik – heute als "prosperity gospel" bekannt – herangezogen haben. Und das, obwohl der Mann in seinem Buch wieder und wieder betont, dass aus seinen Erhebungen keine normativen Aussagen über die grundlegende Validität irgendwelcher Weltreligionen abgeleitet werden können und sollen. Wie sagte der Friendly Atheist Hemant Mehta: "Was ist Christlicher Nationalismus, wenn nicht ein anderer Weg, um allen anderen 'kulturelles' Christentum (wie von der dominanten Gruppe an Konservativen praktiziert) aufzudrücken, ohne sich wirklich um Jesus oder Gott zu kümmern?"
Ich würde ja gerne sagen, dass ich von Dawkins mehr Weitsicht erwartet hätte – hab ich aber irgendwie nicht. Wer einen Mann, der in George Soros so eine Art metaphysischen Weltgeist des Bösen zu sehen scheint, für altruistisch hält, der wäre vor 100 Jahren auch den Protokollen der Weisen von Zion auf den Leim gegangen.
Der Punkt ist der: Das Attribut "humanistisch" und alles, was auch nur ansatzweise nach Hitlergruß aussieht, schließen sich kategorisch aus und damit ist Feierabend, das diskutiert man nicht, wenn man noch einen Funken Anstand im Leib hat.
Wer humanistisch eingestellt ist, bückt sich nicht vor der mörderischsten Ideologie, die wir Menschen jemals erfunden haben, auch nicht aus Versehen. Wem das Wohl der ganzen Welt am Herzen liegt, lässt den rechten Arm in der Öffentlichkeit grundsätzlich unten. Und wer hier anderer Meinung ist, dem spendier' ich einen Flug im schwarzen Helikopter, dann geht's nach Yad Vashem zur geschichtswissenschaftlichen Druckbetankung.
19 Kommentare
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Kommentare
Hans Schneider am Permanenter Link
"Glaubt man Leuten wie Richard Dawkins, sollte Elon Musk über jeden totalitären Verdacht erhaben sein.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Ich fürchte, dass mein Kommentar dazu wieder gelöscht wird, da ich nicht anders kann als deutlich zu werden über das was uns jetzt bevorsteht mit der Wahl von Tramp.
malte am Permanenter Link
Nein, mit Humanismus hat Musk wirklich nichts zu tun.
Angelika Wedekind am Permanenter Link
Wenn die USA ein einfaches Mehrheitswahlrecht hätten wir wir, wäre die Staatsanwältin jetzt die mächtigste Frau der Welt und nicht ein irrer Verbrecher, der gerade öffentlich diese schlichte Tatsache auch schon wieder
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Aber, aber ... Herr Musk wird doch keine Grußgeste zeigen wollen, mit der vor Zeiten einem Kommunisten gehuldigt wurde???
Der8teZwerg am Permanenter Link
In dem Video macht er die Geste und sagt dann "My heart goes out to you.".
Leider können rechte Akteure solche ungerechtfertigten Vorwürfe als Beleg dafür anführen, dass "die Linke" versuchen würde, sie "in die rechte Ecke zu stellen".
Irgendwie scheint der Autor auch schon etwas zu ahnen und versucht sich am Ende mit folgendem Satz zu immunisieren: "Das Attribut "humanistisch" und alles, was auch nur ansatzweise nach Hitlergruß aussieht, schließen sich kategorisch aus und damit ist Feierabend, das diskutiert man nicht,..."
Also alles was als Standbild und ohne Kontext wie ein Hitlergruß aussieht, ist zu behandeln wir ein Hitlergruß, ernsthaft?!?
Wenn wir den Kampf gegen Rechts so führen, haben wir ihn schon verloren.
Es gibt doch genug Fakten, warum muss man hier so einen Spin drehen, der garantiert als Eigentor endet?
Hans Schneider am Permanenter Link
... also ist Elon Musk am Ende nur so etwas wie ein extra-schleimiger Motivations-Trainer?
gruselig auch ohne den diskutierten "Gruß".
Evil Ernie am Permanenter Link
Er zeigt den Hitlergruß, dreht sich um, zeigt erneut den Hitlergruß und dann erst fällt ihm ein vielleicht doch noch was dazu zu sagen?
Oben schreibt Malte "unbestreitbar ist: Musks Förderung rechtsextremer Kräfte."
Wie klein ist dann, im Rausch des Größenwahns, noch der Schritt zu dieser Geste?
Der8teZwerg am Permanenter Link
Man kann auch rechtsextrem sein, ohne ständig den Hitlergruß zu zeigen. Wir sind hier nicht bei "... Wie ich lernte die Bombe zu lieben", wo der Arm des Nazi ein ergebenden entwickelt.
Vor allem ist die lange Diskussion in den Medien jetzt schon wieder vollkommen sinnlos. Es wäre viel nützlicher, tatsächliche Inhalte zu untersuchen und bloß zu stellen. Die Hitlergruß-Diskussion verschafft den Medien Klicks, lenkt von den problematischen politischen Entscheidungen ab und prallt von Musk letztendlich einfach ab.
Evil Ernie am Permanenter Link
Das ist richtig, aber das eine schließt das andere natürlich nicht aus. Diskutiert wird vor allem weil versucht wird, das Offensichtliche kleinzureden. Wie kleine ertappte Kinder redet man sich um Kopf und Kragen.
Das ganze erinnert an Diskussionen mit Flacherdlern.
Beim vorletzten Satz bin ich wieder bei Ihnen.
Arndt Bröder am Permanenter Link
Die Geste ist nicht so eindeutig wie sie dargestellt wird, und das birgt die Gefahr, dass Kritiker dieser Regierungsmannschaft (ein mafiöser Club von skrupellosen Wahrheitsverdrehern) an den wahren Problemen vorbeikri
Petra Pausch am Permanenter Link
Weshalb finden sich hier in den Kommentaren solche Relativierungen?
Arndt Bröder am Permanenter Link
Da bin ich falsch verstanden worden: Ich relativiere es nicht, wenn jemand eindeutig den Hitlergruß zeigt, das ist ekelhaft.
Arndt Bröder am Permanenter Link
Sorry, Autokorrektur hat dazwischengefunkt: Wollte "Intentionalität" statt "Internationalität" schreiben
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Mit diesem Problem kämpfe ich auch des öfteren, Autokorrektur, wenn man nicht geschriebenes aufmerksam nachliest kommen die tollsten Sachen in den Kommentar.
Hans Schneider am Permanenter Link
Wikipedia: "Elon Musk straight-arm gesture controversy
On January 20, 2025, while speaking at a rally celebrating U.S. president Donald Trump's second inauguration, businessman and political figure Elon Musk made a gesture many interpreted as a Nazi or Roman salute twice. This event caused significant criticism from media outlets, politicians and organizations internationally. Multiple European political parties demanded that Musk be banned from entering their countries. Neo-Nazi and white supremacist groups celebrated the gestures, without Musk rejecting their support.
Musk dismissed accusations of Nazi sympathies on X, but did not initially deny them,[2][3] describing them as a "tired" attack, before making a series of Nazi-themed jokes on social media.[4] Four days after the gesture, he posted on X what he claims he meant with gesture, writing: "my heart goes out to you” and "moving my hand from my heart to the audience".[5] (…)“
https://en.wikipedia.org/wiki/Elon_Musk_straight-arm_gesture_controversy
Stand 25.1.2025 – mit Video des „Grußes"
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Schön für Sie daß Sie perfekt englisch können, Aber was ist mit den Lesern welche das nicht können? könnten Sie dies auch allgemeinverständlich posten ?
Hans Schneider am Permanenter Link
@ Gerhard Baierlein Der wikipedia-Eintrag hat einen "offiziellen Charakter", er berichtet die Fakten zum Vorgang. Elon Musk war darüber empört, wie verschiedene Medien berichteten.
Auch war zum Zeitpunkt meines Kommentars nur in der Englischen Fassung der "Gruß" Elon Musks zu sehen.
Ein Medium über Musk / wikipedia – Deutschlandfunk Kultur: https://www.deutschlandfunkkultur.de/eintrag-ueber-gruss-mit-ausgestrecktem-arm-musk-empoert-ueber-wikipedia-102.html
23.01.2025 – "Der Gruß mit ausgestrecktem Arm von Elon Musk am vergangenen Montag sorgt für Streit zwischen dem Tech-Milliardär und der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Musk hatte bei einer Veranstaltung anlässlich der Amtseinführung von Präsident Trump den Arm in einer Weise erhoben, die Kritikern und manchen Historikern zufolge dem Hitler-Gruß ähnelte. Der Trump-Vertraute reagierte nun empört darauf, dass Wikipedia das Wort „Nazi-Gruß“ im Zusammenhang mit ihm verwendete. „Hört auf, Wikipedia zu finanzieren, bis das Gleichgewicht wiederhergestellt ist“ – schrieb Musk auf seiner Plattform X. Er deutete an, dass sich die Enzyklopädie mit linken Medien verbündet habe. In dem Eintrag über Elon Musk greift Wikipedia die Debatte über seine Geste auf und veröffentlicht ein Video davon. „Fakten, nicht Propaganda“, schrieb Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wales, ebenfalls auf X. Und er fügte ironisch hinzu, Elon Musk sei wohl „nicht glücklich darüber, dass Wikipedia nicht zum Verkauf steht“. Wikipedia wird von der gemeinnützigen Wikimedia Foundation verwaltet."
Hätten Sie eventuell selber auf diese Zusammenhänge kommen können? Und falls nicht: ist es ein Problem für Sie, mal etwas nicht zu verstehen? Mir macht es nichts aus, wenn jemand Chinesisch schreibt oder spricht – zum Schluß dazu noch ein wenig Spanisch: "Esto me suena a chino."
Evil Ernie am Permanenter Link
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