Der Kirchenrechtler Thomas Schüller legt mit "Unheilige Allianz. Warum sich Staat und Kirche trennen müssen" eine Streitschrift vor, welche alte Forderungen von säkularen Publizisten vorträgt. Mit leichter Hand liefert der Autor einschlägige Einschätzungen zu kirchlichem Arbeitsrecht oder internem Rechtsverständnis, hohen Staatsleistungen oder universitärer Theologie.
Eigentlich müsste es in einem demokratischen Verfassungsstaat zwischen Religion und Staat eine institutionelle Trennung geben. Diese Grundauffassung hat nichts mit Kirchen- oder Religionsfeindlichkeit zu tun, sie ergibt sich aus den unterschiedlichen Legitimationen für das jeweilige religiöse oder säkulare Selbstverständnis. Bekanntlich spricht man in der Bundesrepublik Deutschland auch bei den Juristen nicht nur von einer "starken Partnerschaft", sondern auch von einer "hinkenden Trennung".
Mehr praktische Konsequenzen mahnten hier immer wieder säkulare Publizisten an. Zu Änderungen bei Details kam es selten, bezogen auf das Grundsätzliche nie. Nun mahnt sie in einer eigenen Monographie auch der Professor für Kanonisches Recht an der Universität Münster Thomas Schüller an. Bereits der Buchtitel "Unheilige Allianz. Warum sich Staat und Kirche trennen müssen" markiert die für den Verfasser beabsichtigte Zielsetzung. Er wirbt dafür mit leichter Hand und gelegentlicher Polemik, angesichts seines beruflichen und persönlichen Hintergrundes sogar mit erstaunlicher Schärfe.
Ausgangspunkt der Betrachtungen in dem Buch sind die zahlreichen, von Finanz- bis Missbrauchsskandalen reichenden Vorkommnisse. Sie führten mit zu einer kontinuierlichen Austrittswelle wie einem massiven Vertrauensverlust. Daher fragt der Autor, ob zugunsten der Kirchen bestehende Sonderrechte noch zu rechtfertigen seien: "Trotz des augenscheinlichen Bedeutungs- und Vertrauensverlustes der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland wird ihnen vom Staat … noch zu (zu) großer Spielraum bei der Ordnung ihrer inneren Angelegenheiten eingeräumt, insbesondere was die Themenbereiche Arbeitsrecht und Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch angeht" (S. 13). Gegenüber dieser berechtigten Argumentation wäre aber bezogen auf die Folgerungen anzumerken, dass es auch unabhängig von dem angesprochenen Fehlverhalten der Kirchen problematisch ist, hier nicht aus demokratietheoretischer Betrachtung für eine strikte Trennung einzutreten. Was der Autor konkret mit seiner Deutung meint, ist dann Gegenstand der folgenden Seiten. Er macht dabei auch einen Gegensatz zwischen der Realität und dem Verfassungswillen aus.
Welche Folgen dieser jeweils hat, ist danach ausführlicher Thema. So geht es um die öffentlichen Aufgaben in kirchlicher Hand, seien es Altenheime oder Kitas. Das kirchliche Arbeitsrecht steht danach mit kritischen Betrachtungen im Zentrum. Die ganze Dimension wird dabei durch einzelne Fallbeispiele deutlich, etwa wenn es bei einer geschiedenen Kindergärtnerin um deren Wiederverheiratung ging.
Breiter öffentlich bekannt wurde Schüller dadurch, dass er die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt durch die katholische Kirche kritisierte. Dies erklärt für das Buch mit den hohen Stellenwert dieses Themas, einschließlich der Problematik des kirchlichen Rechtsverständnisses. Danach finden die gegenüber den Kirchen erbrachten Staatsleistungen ausführlichen Widerspruch. Das dazu passende Folgekapitel ist "Geld und Moral, Steuern und Vermögen" (S. 129) betitelt. Und schließlich behandelt Schüller auch die universitäre Theologie, welche sich "zwischen staatlicher Freiheit und kirchlicher Gängelung" (S. 147) bewege. Bei all dem werden keineswegs Besserungen geleugnet, sie kämen aber nicht aus den Kirchen selbst.
Der Autor behandelt all diese Fragen gut verständlich, viele Beispiele veranschaulichen das Gemeinte. Meist verzichtet er auf genauere Belege, soll es doch eher um eine Streitschrift gehen. Die Einwände richten sich übrigens nicht nur gegen die Kirchen, sondern auch gegen den Staat. Denn auch er profitiere von der "Unheiligen Allianz", etwa wenn öffentliche Angelegenheiten von den Kirchen übernommen würden. So mahnt der Autor auch bezogen auf seine eigentliche Forderung etwas mehr Geduld an, denn: "Schon aus Rücksicht auf die Grundsicherung der Bevölkerung wäre ein Kahlschlag von heute auf morgen unverantwortlich" (S. 191).
Gleichwohl ist die allgemeine Aussage bezüglich des Trennungsgebotes, aber auch die Begründung für bestimmte Teilbereiche mehr als nur nachvollziehbar. Einschlägige Auffassungen vertraten bereits seit Jahrzehnten auch säkulare Publizisten, was der Autor doch in seiner Darstellung weitgehend ignoriert. Ärgerlich ist darüber hinaus, dass einem Carsten Frerk nicht belegbare Zahlen unterstellt werden. Belege für diese Einschätzung liefert dann Schüller aber selbst nicht.
Thomas Schüller, Unheilige Allianz. Warum sich Staat und Kirche trennen müssen, München 2023, Carl Hanser-Verlag, 208 Seiten, 22 Euro