„Wegbeten lässt es sich nicht mehr“

„Katholische Sharia“

Unterstützung kommt auch von der Plattform Opfer kirchlicher Gewalt. Deren Sprecher Sepp Rothwangl setzt sich vor allem für die Forderung ein, dass es in Österreich eine staatliche Untersuchungskommission für den Missbrauchsskandal in katholischen Einrichtungen geben soll. Die katholische Kirche agiere wie ein „Staat im Staat“: „Die Klasnic-Kommission (eine von der Kirche eingesetzte Entschädigungskommission, Anm.) fungiert quasi als Täterschutzeinrichtung wie unlängst eine Zahlung belegte, doch das ist nur die Spitze des Eisbergs: seit Jahrzehnten wird systematisch weggeschaut und vertuscht.“

Er verstehe auch nicht, wieso Religionsgemeinschaften in offiziellen Kommissionen und Beiräten in staatliche Entscheidungsprozesse einbezogen werden. „Religionen dürfen sich in öffentliche Angelegenheiten einmischen. Umgekehrt ist das strengstens verboten, vieles gilt als rein kircheninterne Angelegenheit. Da, wo das Strafrecht greifen könnte, wird vertuscht und unter Androhung von Exkommunikation darf nur der Glaubenskongretation (hervorgegangen aus der Heiligen Inquisition) im Vatikan berichtet werden Dieser Umstand ist für mich unverständlich und hat auch andere Betroffene kirchlicher Gewalt empört.“ Dass Verdachtsfälle nicht den staatlichen Behörden angezeigt werden müssen sondern nur den kirchlichen Behörden, nennt er „katholische Sharia“.

Rothwangl zitiert etwa den Fall des Salzburger Dompredigers Hofer, der nicht angezeigt und erst seines Amtes enthoben wurde, als der Fall publik wurde: „Die Klasnic Kommission zahlte einen vergleichsweise hohe Entschädigung ohne sich um die Verfolgung oder eine Maßnahme für den Täter zu kümmern, was wie Schweigegeld zum Schutz des Täters aussieht. Sie legt als Täterorganisation die Entschädigungssummen und die Anspruchsrechte fest. Das ist für unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie schädlich.“

Keine direkte Reaktion

Von den Religionsgemeinschaften gibt es keine direkte Reaktion auf die Pressekonferenz. Am ehesten als solche kann man eine Aussendung der katholischen Nachrichtenagentur kathpress verstehen. Dort fordert Peter Schipka, Sprecher der Bischofskonferenz in Österreich, dass Spenden an kirchliche Einrichtungen zur Gänze steuermindernd geltend gemacht werden können. Alles andere wäre angesichts der gesellschaftlichen Leistungen der Kirche eine „deutliche Diskriminierung“. Das gleiche solle für den Kirchenbeitrag gelten, von dem man bisher nur 200 Euro im Jahr absetzen könne.

Sollte es für kirchliche Spenden keine Gleichbehandlung geben, bedeute dies auch "eine Signalwirkung, die zeichenhaft für eine fehlende Wertschätzung der vielfältigen Tätigkeiten der Kirchen und Religionsgesellschaften zum Wohl der Österreicher zeigen würde", heißt es in der Stellungnahme. In diesem Zusammenhang erinnert die Bischofskonferenz an zahlreiche positive Auswirkungen auf die Budgets der öffentlichen Hand. Ersparnisse für den Staat seien gegeben beispielsweise durch die "Führung der Katholischen Privatschulen für fast 80.000 Schüler". Dass die Republik Österreich die Lehrer der konfessionellen Privatschulen bezahlt, erwähnt Schipka in der Stellungnahme nicht.

Freundliche Aufnahme in den Medien

Die Medien nehmen die Pressekonferenz freundlich auf. Größere Tageszeitungen berichten ebenso wie die meisten Fernsehsender. Im Nachrichtenbeitrag des bundesweiten Senders ATV heißt es gar: "Wegbeten lässt sich das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien jedenfalls nicht mehr. es liegt nun in allen Gemeinden zur Unterzeichnung auf".

Christoph Baumgarten

Übersicht Privilegien

  • Verpflichtender konfessioneller Religionsunterricht, Bezahlung übernimmt Staat, Personalhoheit und Bestimmung des Inhalts liegen bei den Religionsgemeinschaften.
  • Konfessionelle Schulen mit Öffentlichkeitsrecht bekommen Personalkosten automatisch vom Staat ersetzt, das Gehalt von Geistlichen in diesen Schulen fließt meistens direkt wieder den Religionsgemeinschaften zu. Bei konfessionellen Schulen wird per Gesetz automatisch angenommen, dass die Voraussetzungen für das Öffentlichkeitsrecht erfüllen. Für andere Privatschulen gilt das nicht.
  • Staat fördert konfessionelle pädagogische Hochschulen.
  • Staat erhält die theologischen Fakultäten an den Universitäten. Personalhoheit und Bestimmung des Inhalts liegt bei den Religionsgemeinschaften, die Freiheit von Forschung und Lehre ist nicht gegeben.
  • Weitgehende Ausnahmen bei Arbeitnehmerrechten: Religionslehrer etwa dürfen nach Scheidung gekündigt werden, in konfessionellen Privatschulen darf nach Religionszugehörigkeit diskriminiert werden, in vielen Bereichen haben Mitarbeiter von Religionsgemeinschaften kein Recht einen Betriebsrat zu gründen, Kollektivvertragsfähigkeit ist eingeschränkt (sog. Tendenzschutz).
  • Grundsteuerbefreiung für Kirchen- und Verwaltungsgebäude.
  • 40 Mio. Euro jährlich Zuschuss an röm-kath. Kirche aus dem Bundesbudget.
  • Steuerbefreiungen in einzelnen Landesgesetzen, etwa bei Vergnügungssteuer, Tourismusabgaben.
  • Religionsgemeinschaften, im besonderen die röm-kath. Kirche, sind per Gesetz in vielen Beiräten vertreten, etwa im Publikumsrat des ORF, dem Beirat für Publizistikförderung im Bundeskanzleramt und der Bundesjugendvertretung.
  • Ausgeweitetes Begutachtungsrecht bei Gesetzen. Religionsgemeinschaften dürfen auch Gesetzesentwürfe kommentieren, die sie nicht direkt betreffen, etwa das Terrorismuspräventionsgesetz.
  • Das Religionsbekenntnis muss bei nahezu allen staatlichen Urkunden angegeben werden. Vom Meldezettel über die Heiratsurkunde bis zur Sterbeurkunde. In Schulzeugnissen steht das vermeintliche Religionsbekenntnis des Kindes direkt unter dem Namen – noch vor den Noten.
  • Recht auf Sammelanfragen bei Gemeindeämtern. Religionsgemeinschaften dürfen von Gemeindeämtern verlangen, ihnen die Daten aller ihrer Angehörigen zu übermitteln. Solche Sammelanfragen sind für nicht-staatliche Behörden ansonsten strengstens verboten.
  • Sonderstellung für Geistliche bei Festnahmen bzw. Verhaftungen. Sie haben das Recht auf besonders respektvolle Behandlung.