(hpd) Die Islamwissenschaftlerin Rita Breuer kommentiert eine Reihe von Entwicklungen bezüglich des Islam und der Muslime, wobei sie vor zu großer Nachgiebigkeit gegenüber den Ansprüchen auf Sonderinteressen im Namen einer Religion warnt. Entgegen des dramatisierenden Titels handelt es sich um eine informative und reflexionswürdige Publikation.
"Wird Deutschland islamisch?“ – ein solcher Buchtitel lässt ein Werk mit „Sarrazin-Inhalt“ erwarten. Dem ist allerdings nicht so, stammt es doch von der Islamwissenschaftlerin Rita Breuer, die durch ihre Bücher „Zwischen Ramadan und Reeperbahn“ (2006) und „Familienleben im Islam“ (6. Auflage, 2008) ausgewiesen ist. Ihrer Monographie „Wird Deutschland islamisch“ fehlt allerdings eine Einleitung, woraus man Erkenntnisinteresse und Struktur des Bandes ersehen kann. Erstmals geht die Autorin in der Mitte (S. 111) und dann noch mal am Ende (S. 173-179) auf dies Frage ein. Der inhaltliche Schwerpunkt der meisten Kapitel bezieht sich auf Themen, die im Zentrum der öffentlichen Debatte um den Islam und die Muslime stehen oder stehen sollten. Mitunter wirken die Texte ein wenig wie die Aneinanderreihung von Aufsätzen, die in einem anderen Arbeitszusammenhang entstanden. Auch wenn es etwas an den inhaltlichen Übergängen mangelt, liefern die Inhalte beachtenswerte Informationen und erhellende Reflexionen.
Zunächst geht es um den Überlegenheitsanspruch des Islam, welcher sich auch im Umgang mit Andersgläubigen artikuliere. Breuer macht dies an einige Koran-Zitaten deutlich, veranschaulicht aber auch anhand von empirischen Untersuchungen die Verbreitung derartiger Auffassungen unter heutigen Muslimen. Dem folgen Ausführungen zu den Missionsaktivitäten unter Muslimen wie Andersgläubigen. Gesonderte Aufmerksamkeit findet bezogen auf die Letztgenannten die Konvertiten-Frage, wobei sowohl Gründe für die Hinwendung wie für die Radikalisierung genannt werden. Zur Religionsfreiheit gehört nicht nur das Bekenntnis zu einem bestimmten Glauben, sondern auch das Recht zu einer Abkehr von Demselben. Die Autorin fordert hier eine größere Aufmerksamkeit für dieses Phänomen ebenso wie für das damit einhergehende selbstverständliche Recht. Danach geht sie ausführlicher auf die muslimische Interessenvertretung, die Problematik ihre Legitimität und ihre unkritischen Kooperationspartner ein.
Bei aller Kritik differenziert Breuer auch, heißt es doch etwa: „Tatsächlich ist der Islam keineswegs so starr und unflexibel wie er von seinen dogmatischen Anhängern sowie auch seinen glühenden Gegnern dargestellt wird, sondern bietet eine Reihe von Ansätzen, die ihn anpassungsfähig und flexibel machen und damit demokratie- und integrationsfähig“ (S. 114). Das kritische Auge der Autorin konzentriert sich gleichwohl auf die bedenklichen Aspekte. Dies betrifft dann auch die Ausführungen zu Religionsfreiheit und Scharia im gesellschaftlichen und rituellen Bereich, wo etwa auf Konfliktfelder wie Abgrenzung und Frauenbild, Integrationsprobleme und Moscheen verwiesen wird. Breuer warnt in diesem Kontext auch vor falscher Nachgiebigkeit, heißt es doch gegen Ende in aller Deutlichkeit: „Jedes Zugeständnis in Form von Sozialversicherungen für polygame Ehen, Duldung einer religiös begründeten Vermummung auf offener Straße oder auch Berücksichtigung von Scharia-Normen in Sorgerechtsstreits ist ein Schlag ins eigene Gesicht“ (S. 178).
Wie dieses Zitat aus dem Schlusswort verdeutlicht, liegt hier ein informatives und meinungsstarkes Buch vor. Mitunter bedient sich Breuer dabei auch harscher Worte, etwa wenn sie die Metapher von den „nützlichen Idioten“ (S. 97) für die all zu dialogbereiten „Kooperationspartnern“ benutzt. Gleichwohl ändert dies nichts daran, dass die vorgetragenen Einwände inhaltlich durchaus berechtigt sind. Immer wieder weist die Autorin auf eine schiefe Wahrnehmung von Muslimen hin, wobei das Wirken mancher Interessengruppen im Gegensatz zu der Mehrheit der Gläubigen gesehen werden muss und deren finanzielle und politische Unterstützung aus ihren Heimatländern größere Aufmerksamkeit finden sollte: „In Deutschland spiegelt sich dieser Konflikt durch eine Überrepräsentanz der konservativ ausgerichteten Verbände, eine bislang noch mangelhafte Selbstorganisation der liberalen Muslime und den Versuch, einzelne reformfreudige Vordenker auszugrenzen“ (S. 118). Gerade im Hinweis auf solche Gesichtspunkte besteht der Erkenntniswert des Bandes
Armin Pfahl-Traughber
Rita Breuer, Wird Deutschland islamisch? Mission, Konversion, Religionsfreiheit, Berlin 2011 (Verlag Hans Schiler), ISBN-13: 978-3899303254, 189 S., 24 Euro.
Für Integration, gegen Islamismus (27.September 2010)