Ohne Gott ist alles erlaubt? - Zahlen

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Völkermord Armenier durch Türken
Heilige muslimische Kriege

Überhaupt ermordeten Muslime in ihren heiligen Kriegen von Marokko bis Malaga unzählige Menschen. Einer von ihnen war Suharto, der in Indonesien fast eine halbe Million Chinesen sowie Hunderttausende Timoresen ermordete. Unterstützt wurde er dabei von den USA, die sich seit jeher als „God’s Own Country“ verstanden. Unter ihrem Napalm, Agent Orange und konventionellen Bomben starben in Vietnam, Laos und Kambodscha an die fünf Millionen Menschen. Auch an die amerikanische Unterstützung mehrerer gewiss nicht atheistischer Regime in Mittel- und Südamerika sei erinnert. Und zu „guter“ Letzt darf der schwarze Kontinent nicht vergessen werden, auf dem es nur wenige Atheisten, dafür aber umso mehr Bürgerkriege gibt. Außerdem trägt dort das religiös begründete Kondomverbot ein Übriges zur AIDS-Pandemie bei.

Aber auch christlich geprägte demokratische Staaten, in denen politische Gegner nicht verfolgt wurden, taugen nur schlecht um eine moralische Überlegenheit zu demonstrieren. Im katholischen Brasilien starben beispielsweise im Zeitraum von 1979 bis 2003 ca. 500.000 Menschen durch Kriminalität. Die USA übertreffen diese Zahl bei weitem, wenn man den Beobachtungszeitraum auf das gesamte Jahrhundert erweitert. In Brasilien sind Atheisten heute immer noch eine vernachlässigbar kleine Minderheit, in den USA waren sie es über weite Teile des 20. Jahrhunderts und können auch heute kaum mehr als 10 % der Gesamtbevölkerung beanspruchen. In beiden Staaten lehnen vor allem die gebildeten Schichten, die für gewöhnlich eher selten im Streit zur Waffe greifen, den Glauben an Gott ab. Daher sind Atheisten in den US-amerikanischen Gefängnissen deutlich unterrepräsentiert.

Des Weiteren ergibt sich aus der Tatsache, dass die Hungersnöte in den kommunistischen Staaten mit einberechnet werden, eine weitere Verzerrung. Natürlich kann nicht abgestritten werden, dass die Hungersnöte durch die verfehlte Wirtschaftspolitik herbeigeführt wurden und die Regierungen nur sehr begrenzt dazu in der Lage waren, das Unglück zu erkennen, dem sie ihre Bürger aussetzten. Doch Hungersnöte gab es bereits vor der Herrschaft der Kommunisten (wenn diese auch längst nicht so verheerend ausfielen). Die Schuld hierfür also ausschließlich bei den Kommunisten zu suchen, ist verkehrt.

Opferstatistiken variieren stark

Es erscheint absolut unmöglich, genau festzuhalten, welche Seite in absoluten Zahlen gemessen die größere Schuld auf sich geladen hat, da die Opferstatistiken stark variieren. Die Behauptung, dass atheistische Diktaturen prinzipiell besonders blutig seien, kann höchstens anhand von Einzelbeispielen untersucht werden. Aber auch dieser Ansatz kann kein eindeutiges Ergebnis liefern.

Qualität und Quantität der Verbrechen beider Seiten unterscheiden sich kaum, wie eine Milchmädchenrechnung zeigt. Eine Studie der britischen Agentur Opinion Research Business vom 28. Januar 2008 ergab, dass in den ersten 4,5 Jahren seit Beginn des Irakkrieges über 1.000.000 Menschen starben. Eine Erhebung des irakischen Gesundheitsministeriums (die allerdings nur die ersten drei Jahre des Krieges erfasste) kam hingegen auf 150.000 irakische Tote (zu denen man die Verluste der westlichen Staaten allerdings noch dazurechnen müsste). Stalin herrschte in der Sowjetunion fast 30 Jahre lang und konnte in seinem Machtbereich knapp zehnmal mehr Menschen zählen, als der Irak Einwohner hat. Hätten die stalinistischen Repressionen mit der gleichen Intensität wie der Bürgerkrieg im Irak stattgefunden, hätten sie ca.15-60 Millionen Menschen das Leben gekostet. Eine (vergleichsweise hohe) Opferzahl, die in Zusammenhang mit Stalin tatsächlich genannt wird.

In beiden Fällen müsste man die Veränderungen des stalinistischen Machtbereiches berücksichtigen. Beispielsweise standen weite Landstriche des europäischen Teils der Sowjetunion von 1941-1944 unter deutscher Kontrolle, wohingegen mehrere osteuropäische Staaten sich nach Kriegsende dem kommunistischen Primat unterwerfen mussten. Gleichermaßen waren aber die schiitischen, sunnitischen und kurdischen Regionen im Irak zu unterschiedlichen Phasen unterschiedlich stark betroffen.

Auch die Auswahl der Statistiken ist außerordentlich schwierig. Opinion Research Business wird als NGO vorgeworfen, aus der Ablehnung des Irakkrieges heraus die Opferzahlen zu übertreiben, während der Vorwurf in gleicher Form auf das irakische Gesundheitsministerium zurückfällt, dass durch die enge Bindung an die USA die Opferzahlen heruntergespielt haben soll. Genau die gleiche Diskussion wird über die Anzahl der Toten unter Stalin geführt.

 

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Ruanda: Nyamata Memorial Site
Törichte Argumentation mit Opferzahlen

In Relation gesehen lässt sich keines der beiden geschichtlichen Verbrechen zweifelsfrei als das verheerendere ausmachen. Dass die Zahlen, die für die kommunistischen Diktatoren genannt werden, sehr stark streuen, sollte stutzig machen. Vermutlich werden linke und rechte Historiker die Zahlen ihren politischen Vorstellungen angleichen. Unter diesen Bedingungen primär mit Opferzahlen zu argumentieren, ist töricht.

Wer meint, dass diese Beispiel leicht von der Hand zu weisen sei, da in beiden Fällen die Opferzahlen nur näherungsweise erhoben werden können und stark schwanken, sei auf ein weiteres Beispiel hingewiesen. Die Opferzahlen sowohl für die Diktatur Pol Pots wie auch die des Völkermords in Ruanda sind nur kleinen Schwankungen unterworfen. Die Massaker, die sich im christlichsten Land Afrikas innerhalb von nur 100 Tage ereigneten, stellen die Verbrechen des Staatschefs Pol Pot und des Vernichtungslagers Auschwitz (in relativen Zahlen) weit in den Schatten. Dass die Mordquoten des verheerendsten theistischen Massenmords ihren Gegenpart auf atheistischer Seite übertreffen, bedeutet natürlich nicht, dass der Theismus rein prinzipiell blutrünstiger als der Atheismus ist - die These, dass gottlose Verbrechen „geschichtlich einmalig“ seien, wird jedoch ausreichend entkräftet.

Lukas Mihr

 

(1) Ohne Gott ist alles erlaubt? (29. Juni 2011)
(2) Ohne Gott ist alles erlaubt? - Atheistische "Helden" (5. August 2011)
(3) Wer behauptet, Atheisten = Mörder? (12. August 2011)
(4) Trug die Evolutionstheorie zur NS-Ideologie bei? Teil 1 (19. August 2011)
(5) Trug die Evolutionstheorie zur NS-Ideologie bei? Teil 2 (26. August 2011)