Die Kirche und der Sklavenhandel: Eine ungern gehörte Geschichte

Papst Franziskus verurteilt die moderne Sklaverei und ruft dazu auf, sie zu beenden. Einige seine Vorgänger hatten allerdings eine gänzlich andere Haltung zu diesem Thema. Ein Papst war es auch, der im 15. Jahrhundert die entscheidende Legitimationsgrundlage dafür schuf.

Der 23. August ist ein Gedenktag, der nur wenigen bekannt sein dürfte, obwohl er an eine wichtige Errungenschaft der Menschheit erinnert: Die UNESCO machte ihn zum Tag der "Erinnerung an den Sklavenhandel und dessen Abschaffung". Das Datum geht zurück auf einen Aufstand, der im Jahr 1791 auf dem Gebiet des heutigen Haiti und der Dominikanischen Republik begann und der eine zentrale Rolle bei der Abschaffung des transatlantischen Sklavengeschäfts spielen sollte.

Anlässlich dieses Tages twitterte Papst Franziskus: "Wir alle sind als Abbild Gottes ihm ähnlich erschaffen. Wir haben die gleiche Würde. Beenden wir die Sklaverei!" Offiziell gibt es sie seit 1980 nicht mehr auf der Welt. Aktuell leben und arbeiten laut Global Slavery Index trotzdem schätzungsweise um die 40 Millionen Menschen unter entsprechenden Bedingungen.

Es gab jedoch Zeiten, in denen die Haltung des Oberhaupts der katholischen Kirche gegenüber Sklaverei eine gänzlich andere war: Im Jahr 1452 erließ Papst Nikolaus V. eine päpstliche Bulle mit dem Titel "Dum Diversas". Sie sei das Ergebnis eines politischen Tauschhandels zwischen dem obersten Kirchenfürsten und Alfons V. von Portugal gewesen, kann man in einem Beitrag des WDR hören. Dieser König sei als einziger bereit gewesen, dem Kirchenchef im Kampf gegen die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen – und damit bei der Verteidigung des Christentums – zu helfen. Denn der Papst sah es als seine "vordringliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die wütenden Feinde Christi, die in ihrer Verachtung des wahren Glaubens für die Christgläubigen so bedrohlich sind, zurückgedrängt und der christlichen Religion unterworfen werden".

Im Gegenzug erhielt der portugiesische König die – schon damals juristisch sperrig formulierte –

"völlige und freie Vollmacht, die sarazenischen, heidnischen und sonstwie ungläubigen und christusfeindlichen, wo immer gelegenen Reiche, Herzogtümer, Grafschaften, Fürstentümer und sonstige Herrschaften, Ländereien, Ortschaften, Landgüter, Festungen und sonstige Besitztümer, bewegliche und unbewegliche Güter (…), anzugreifen, zu erobern, zu bekämpfen oder zu unterjochen, die Personen für immer in Knechtschaft zu halten und die Reiche, Herzogtümer, Grafschaften, Fürstentümer und sonstigen Herrschaften, die Besitztümer und dergleichen Güter für Dich und Deine Nachfolger als Könige Portugals für immer als Eigentum in Besitz zu nehmen und für Deinen und Deiner Nachfolger Gebrauch und Nutzen zu verwenden".

Außerdem versprach der Oberhirte Alfons V. "und allen und jedem einzelnen Christgläubigen beiderlei Geschlechts, die Deine Majestät bei diesem frommen Unternehmen begleiten", helfen oder finanziell unterstützen, zusätzlich einen umfassenden Ablass aller "Sünden, Verbrechen, Vergehen und Übertretungen". Ein christliches Rundum-sorglos-Paket, könnte man sagen. Eines der schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte mit Ansage: abgesegnet vom Papst und vorneweg mit Blankoscheck, dass alles vergeben wird, was man sich dabei leistet.

Mit der Bulle "Romanus Pontifex" setzte er zwei Jahre später noch einen drauf: In Berufung auf "Dum Diversas" sieht er die von den Portugiesen eroberten Gebiete als "recht- und gesetzmäßig (…) erworben und besetzt" an. Sie stünden ihnen zu und gehörten ihnen, stellt der Oberhirte fest. "Niemandem unter den Christgläubigen ist es daher ohne besondere Genehmigung des Königs Alfons selbst und seiner Nachfolger (…) erlaubt, in sie einzudringen", andernfalls könnten "Krieg und Zwietracht (…) entstehen, zur höchsten Beleidigung Gottes und zum Schaden der Seelen". Wer dem zuwider handelte, dem drohte die Exkommunikation.

Nikolaus V. wollte die Eroberer mit "Gunst- und Gnadenerweisen" ausstatten und sie "von bestimmten Benachteiligungen" befreien, damit sie sich "umso überzeugter diesem höchst frommen und berühmten und für alle Zeiten erinnerungswürdigen Unternehmen, in welchem, wie Wir sehen, mit dem Heil der Seelen, die Verbreitung des Glaubens und die Unterdrückung seiner Feinde erreicht wird und die Sache Gottes und des Glaubens und die Angelegenheiten der allgemeinen Kirche vorangetrieben werden, widmen" könnten. Alle bisher und künftig eroberten Gebiete südlich der heutigen Westsahara sollten König Alfons und seinen Nachfahren für immer rechtmäßig zustehen. Über ihr Eigentum dürften sie verfügen und "Verbote, Verordnungen und Befehle jeder Art (…) erlassen sowie Strafen und Abgaben [auferlegen]". Der Papst hoffte außerdem, die Portugiesen könnten die Inder, von denen man annahm, sie seien Christen, für den Kampf gegen die "Feinde des Glaubens" gewinnen.

Diese beiden päpstlichen Erlasse bildeten die Legitimationsgrundlage für Kolonialismus und Imperialismus, wie er von da an von vielen europäischen Staaten, allen voran Portugal, betrieben wurde.

Dem Bericht des WDR zufolge verkauften die Portugiesen die vom afrikanischen Kontinent verschleppten Menschen zunächst als Sklaven ins eigene Land und ins Nachbarland Spanien. Mit der Eroberung Amerikas begann dann das lukrative Sklavengeschäft in die "Neue Welt", an dem Portugal den größten Anteil hatte. Geschätzte 4,65 Millionen Menschen sollen von ihnen unter fürchterlichsten Bedingungen über den Atlantik transportiert worden sein.

Englisches Sklavenschiff

Die Skizze eines Sklavenschiffs der Briten von 1788, die auf Platz zwei der Menschentransporte stehen. Foto: Wikimedia Commons

Paradoxerweise gelte Nikolaus V. als einer der besten Päpste seiner Zeit, als "der erste Humanist auf dem Papstthron", heißt es im WDR-Beitrag weiter. Bis ins 19. Jahrhundert sei die katholische Kirche in den Sklavenhandel involviert gewesen, mindestens drei Mal sei "Dum Diversas" von nachfolgenden Päpsten bestätigt worden. Davon will die heutige Kirche allerdings nichts wissen. Die verhängnisvolle Bulle sei außer Experten kaum jemandem bekannt. Eine Internetrecherche kann dies bestätigen: Unter dem Schlagwort "Dum Diversas" findet man so gut wie nichts. Selbst der Wikipedia-Eintrag ist äußerst spärlich.

Man könnte das Ganze im Kontext der Zeit sehen oder als Ausrutscher einer einzelnen Person (das Unfehlbarkeitsdogma gab es ja noch nicht); dummerweise hat Nikolaus V. jedoch nichts getan, was nicht seine Entsprechung in der Bibel hätte:

"Willst du aber Sklaven und Sklavinnen haben, so sollst du sie kaufen von den Völkern, die um euch her sind, und auch von den Beisassen, die als Fremdlinge unter euch wohnen, und von ihren Nachkommen, die sie bei euch in eurem Lande zeugen. Die mögt ihr zu Eigen haben und sollt sie vererben euren Kindern zum Eigentum für immer; die sollt ihr Sklaven sein lassen. Aber von euren Brüdern, den Israeliten, soll keiner über den andern herrschen mit Härte."

So steht es bei Levitikus im Dritten Buch Mose. Auch wäre da noch die berüchtigte Stelle in der Genesis: Die drei Söhne Noahs sind demnach als Überlebende der Sintflut die Vorfahren aller Menschen. Jeder von ihnen ist ein Stammvater einer bestimmten Volksgruppe. Noah verfluchte Kanaan, seinen Enkel, und degradierte ihn zum "Knecht aller Knechte", weil dessen Vater (also Noahs jüngster Sohn Ham) Noah nackt gesehen hatte. Weil Ham und seine Nachfahren die biblischen Stammesväter der Afrikaner sein sollen, wurde diese Geschichte zur beliebten Rechtfertigung, warum Menschen mit dunkler Hautfarbe die Sklaven derer mit heller Hautfarbe sein sollten.

Die Kirche lieferte aber nicht nur die Rechtfertigung für Sklavenhaltung und -handel, sie profitierte auch selbst davon: Beispielsweise wurde 2016 bekannt, dass die Georgetown-Eliteuniversität, die von Jesuiten betrieben wird, im Jahr 1838 kurz vor dem Bankrott stand. Die finanzielle Rettung brachte der Verkauf von 272 Sklaven, die dem christlichen Orden Einnahmen von 3,3 Millionen US-Dollar bescherten. Dem obersten Jesuiten in Rom wurde zugesagt, dass Familien nicht getrennt würden und der katholische Glaube der Menschen auch bei den neuen Besitzern gesichert sei – Letzteres im Zusammenhang mit Menschenhandel als entschärfendes Kriterium zu nennen, zeugt von einem nicht zu überbietenden Ausmaß an christlicher Heuchelei und Zynismus. Aber nicht einmal das wurde eingehalten, wie sich später herausstellen sollte.

Geschundener Sklave
Dieses Foto eines ausgepeitschten Sklaven wurde 1863 in Baton Rouge (Louisiana) aufgenommen – in der Nähe des Dorfes, in das die Sklaven für die Georgetown-Universität verkauft wurden. Foto: Mathew Brady, McPherson and Oliver (Wikimedia Commons)

Man entschuldigte sich bei den Nachkommen der Opfer, eine Entschädigung kommt aber erst jetzt, im Jahr 2019, und zwar von den Studenten: Über eine selbst beschlossene Zusatzgebühr sollen Gemeinden unterstützt werden, in denen die leben, deren Vorfahren einst als Sklaven verkauft wurden.