Deschner-Lesung im Club Voltaire

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Fotos: © Dennis Merbach

FRANKFURT. (hpd) Harten Tobak lasen Alexa Waschkau und Peter Menne im Frankfurter "Club Voltaire". Die beiden trugen aus dem Werk von Karlheinz Deschner vor, um so den Kirchenkritiker zu würdigen und die Vollendung seines Opus Magnum "Die Kriminalgeschichte des Christentums" zu feiern.

Der 10. Band erschien diesen März. "Die Politik der Päpste" gilt als inoffizieller elfter Band - eine überarbeitete und erweiterte Neuauflage erschien im Oktober.

Das ganze, vieltausendseitige Werk lässt sich natürlich nicht an einem Abend lesen - Alexa Waschkau und Peter Menne präsentierten auf Einladung der gbs Rhein-Main eine Auswahl aus der "Kriminalgeschichte" und aus "Das Kreuz mit der Kirche. Eine Sexualgeschichte des Christentums". Auf den über 500 Seiten macht Deschner drastisch deutlich, wie schwer der hehre sittliche Anspruch mit der kirchlichen Praxis kollidiert.

Die beiden Vortragenden hatten drei Themenkomplexe ausgewählt: Finanzen, Mission und das Liebesleben. Alexa Waschkau las eingangs über Papst Sixtus IV, "einen Papst, der Feste mit offiziellen Mätressen gab, der es noch mit einer Schwester, seinen Kindern trieb, der seine Lustknaben mit reichen Bistümern und Erzbistümern belohnte". Zugleich war er geschäftstüchtig, erhöhte die Steuern und "vermehrte die käuflichen Ämter auf 625, auf mehr als das Doppelte" - und stellte eine Flotte für seinen Kreuzzug zusammen. Peter Menne kommentierte: "Damit haben wir alles beisammen: das Kriegsprogramm, windiges Finanzgebaren und ausschweifendes Sexualleben bei gleichzeitigem Predigen von Enthaltsamkeit".

Dass sich diese drei Themenkomplexe - gewalttätige Mission, mafioses Finanzgebaren und perfide Sexualmoral - durch die gesamte Kirchengeschichte bis in die Neuzeit ziehen, das belegten Alexa Waschkau und Peter Menne mit ausgewählten Passagen, gerade auch aus dem 20. Jahrhundert.

Alexa Waschkau begann mit einer Passage aus dem Nachwort, dass Michael Schmidt-Salomon zur "Politik der Päpste" verfasst und das die neueste Geschichte ab Papst Johannes Paul II abdeckt. Dem polnischen Papst lag sein Vaterland am Herzen, allein die regierenden Kommunisten waren ein Dorn in seinem Auge. Deshalb unterstützte er den Aufbau der Gewerkschaft Solidarnosc finanziell - jedoch nicht offen: Der Chef der Banco Ambrosiano, Roberto Calvi, baute ein Netzwerk von Scheinfirmen auf und trieb Geldwäsche. Kooperation mit der Mafia gehörte wohl dazu. Als die Banco Ambrosiano jedoch 1982 mit einem Loch von 1,3 Milliarden Dollar den bis dahin größten europäischen Bankencrash verursachte, fand man Calvi kurz darauf erhängt unter einer Londoner Brücke. Seit einer zweiten Autopsie 1998 ist klar, dass das kein Suizid, sondern ein Gewaltverbrechen war. Calvi, der "gehorsam" Gelder zur Verfügung gestellt hatte, um "die Ausweitung marxistischer Ideologien einzudämmen", hatte bei der Pleite vergeblich auf "christliche Nächstenliebe" gehofft. Ehe er einen Skandal produzieren konnte, starb er.

Warum der Papst die Gewerkschaften in Polen heute nicht mehr unterstütze, wollte ein Zuhörer in der anschließenden Diskussion wissen. Die Antwort lieferte der nächste Redebeitrag aus dem Publikum: jetzt gibt es ja keinen Kommunismus mehr zu beseitigen! Solidarnosc hat ihren Zweck erfüllt, jetzt kann sie ein Papst zu nichts mehr gebrauchen...

Bei Mission denke man an vielleicht aufdringliche, aber eigentliche friedliche Zeitgenossen wie die "Wachturm"-Verteiler von den Zeugen Jehovas. Dass katholische Mission ganz anders abläuft, gewalttätig verläuft, das belegte Peter Menne mit Passagen über Papst Pius XII und "katholische Schlachtfeste in Kroation oder 'das Reich Gottes'". In Kroatien wurden ab 1941 Serben und Mitglieder der serbisch-orthodoxen Kirche grausam ermordet. Die Greuel waren so bestialisch, dass sogar der Sicherheitsdienst der SS protestierte. Deschner schilderte sie im Detail - für zwei Besucherinnen zu deutlich: Sie verließen den Saal.

Deutlich wurde: Nicht nur die mittelalterlichen Kreuzzüge oder die Mission in Lateinamerika waren ein brutales Morden und Abschlachten. Mit denselben Methoden missionierte die katholische Kirche auch noch im 20. Jahrhundert.

Die gedrückte Stimmung wendete Alexa Waschkau mit der nächsten Passage aus der "Kriminalgeschichte": über Pius II - "ein Pornograph wird Papst". Vor seiner Papstwahl verkündete Pius II noch, weder "Eunuch noch von kühlem Blut" zu sein. Er zeugte wohl reichlich Kinder. Nach seiner Wahl jedoch mahnte er, "alle Weiber wie die Pest zu fliehen, jede Frau für einen Teufel zu halten". Nur altersbedingt? Einem befreundeten Priester offenbarte Pus II: "Ich muss bekennen, ich habe es satt und überdrüssig. Die Venus ekelt mich an. Freilich nehmen auch die Kräfte ab."

Reichlich Szenen über das Innenleben in Mönchs- und Nonnenklöstern schlossen sich an. Bevor eine langsam anlaufende, dann intensiver werdende Diskussion begann, las Peter Menne zuletzt eine amüsante Passage über den 33-Tage-Papst Johannes Paul I (1978): "... was nun keineswegs heißt, er sei bereits vor seinem Hingang im siebten Himmel gewesen, wie vor wenigen Jahren noch in Paris Bischof Tort, der im Bordell, und Kardinal Danielou, der bei Nackttänzerin Mimi entschlief; alle im Dienst, versteht sich, da dringender Seelsorge, dort nicht minder aufschiebbarer Caritas, wie man kirchlicherseits mit nur allzu angebrachtem Todernst betonte" (aus "Die Politik der Päpste").

Oliver Kalldewey