„Images of the mind” - Bildwelten des Geistes

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Fotos: dhmd.de/.../210711killig 309.jpg (Pressebilder)

DRESDEN. (hpd) Im Hygienemuseum Dresden ist noch bis Ende Oktober eine bemerkenswerte Ausstellung zu sehen, begleitet von interessanten Vorträgen und Diskussionen. „Images of the mind - Bildwelten des Geistes aus Kunst und Wissenschaft“ stellt einige faszinierende Möglichkeiten des Versuchs der Darstellung unseres Geistes vor.

 

Den Ausgangspunkt bilden die aktuellen Diskussionen um die Aussagekraft der computergenerierten Bilder der Neurowissenschaften. Kann man Denken sehen? Können diese Bilder etwas über den „Geist“ und die „Seele“ des Menschen aussagen? Können sie helfen, zu verstehen, was den Menschen ausmacht? Anhand der Objekte soll gezeigt werden, dass der Mensch schon sehr zeitig versucht hat, geistige Fähigkeiten abzubilden. Nicht nur Philosophen und Mediziner waren am Geist des Menschen interessiert, sondern auch Künstler versuchten diesen auf verschiedenste Weise darzustellen. Daher wird auch in der Ausstellung der Bogen von den frühen Darstellungen von da Vinci bis ins 20. Jhd. zu den Farbdarstellungen der Computertomographie gespannt. Insgesamt sind über 200 Objekte von 68 Künstlern zu sehen, darunter Werke von Max Beckmann, Joseph Beuys, Max Ernst, Sigmund Freud, Erich Heckel, Edvard Munch und Arnold Schönberg.

Unter vier großen Themen wurde die Fülle der Objekte eingeordnet. Zuerst stehen die Spiegelbilder des Inneren. Die Frage nach dem „Ich” und was den Menschen eigentlich ausmacht, interessierte nicht nur Philosophen. Porträtbilder zeigen sehr deutlich die Gefühlsregungen und waren wichtigster Anhaltspunkt für die Einschätzung der Persönlichkeit. Künstler haben darauf sehr viel Präzision verwandt. Heute haben Neurowissenschaftler erkannt, dass selbst die kleinste Regung im Gesicht tiefe biologische Ursachen aufweist.

Ab der Renaissance begann man, gegen erhebliche Widerstände der Kirche, mit der Leichensektion und damit der anatomischen Erschließung des menschlichen Körpers, vor allem des Gehirns. Dieses Studium hatte zum Ziel, das „Göttliche“ in der Natur zu offenbaren. Die anatomischen Zeichnungen, die immer exakter wurden, vereinte die Künstler und Wissenschaftler im Bestreben, das Erkannte genauestens abzubilden. Die Porträtmalerei wurde zur Visualisierung der seelischen Verfassung. Selbstbildnisse aus dieser Zeit von Rembrandt, Dürer oder Cranach bilden verschiedenste Gemütszustände ab, die auf genauesten anatomischen Kenntnissen beruhen.

Mit dem Beginn des 20. Jhd. ändert sich das radikal. Die Erfindung der Fotografie ersetzte die detailgenaue Zeichnung. Nun war es der Künstler, beeinflusst auch von Freuds Psychoanalyse, der nach den Spuren des Unbewussten suchte. Es ging nicht mehr um die Darstellung des Menschen als Ganzen, sondern um die Bruchstücke, das Verborgene, die Abgründe. Mit den Mitteln der Abstraktion versuchte man der Wahrheit über einen Menschen näher zu kommen. Die Medizin entdeckte am Ende des 20. Jhd. die chemische Wirkungsweise des Gehirns. Damit konnten die verschiedenen Wege, die im Laufe der Zeit beschritten wurden, um die Wirkungsweise zu erklären, teilweise wieder vereint werden.

In der Antike versuchte man mit Logik, Rhetorik und Philosophie dem Geist des Menschen auf die Spur zu kommen. Man war sich nicht klar, ob Herz oder Hirn den dynamischen Prozess der Bewusstwerdung dirigiert.

Der zweite Teil betrachtet die „Lokalisierung des Geistes und das Verhältnis zwischen Leib und Seele”.

Die Werke von René Descartes zeigen, dass er bereits die „unsterbliche“ Seele mit dem Bewusstsein gleichsetzte, d. h. das Individuum mit dem Geist. Die wissenschaftliche Visualisierung des Gehirns diente als Mittler zwischen Körper und Geist und führte zu wachsender Sichtbarkeit.

Bis ins 17. Jhd. dominierte die Idee von 3 gefüllten Kammern, den sogenannten Ventrikeln, die im Gehirn den Geist beherbergen.

Bereits 1895 versuchte man mittels der neu entdeckten Röntgenstrahlen Gedanken zu fotografieren.

Es entstanden eindrucksvolle Bilder, die das Nervensystem als komplex funktionierendes Netzwerk darstellten. Zur Wende des 19. Jhd. wurde die Zellstruktur des Gehirns entdeckt und gab Einblicke in die funktionale Komplexität des Gehirns. Die Zeichnung blieb aber immer noch das primäre Dokumentationsmittel. Viele Zeichnungen, Fotografien und Diagramme vor allem von Freud und Golgi zeigen die unterschiedliche Herangehensweise von Ärzten, Wissenschaftlern und Künstlern, das Innerste des Menschen darzustellen.

Beispielbild
  Aldworth - cogito ergo sum

Die Wissenschaft suchte nach den organischen Substraten des Geistes, um damit den Zusammenhang von Geist, „Selbst“ und Individuum zu erkennen. Das Verhältnis von Körper und Geist ist nicht fassbar, es steht immer noch die Frage, ob es untrennbar miteinander verbunden ist oder nebeneinander existiert. Im Laufe der Zeit wurde klar, dass kein Bild wahr ist. Aber es formt die Wirklichkeit, die wiederum abhängig ist von den Aufzeichnungsmöglichkeiten.

 

Der dritte Teil befasst sich mit den „Geisteszuständen und der Repräsentation des Mentalen”. Zeichen in Mimik, Gestik und Motorik wurden schon sehr früh interpretiert, um den anderen richtig zu verstehen. Künstler haben versucht, diese darzustellen und Wissenschaftler wiederum, diese zu entschlüsseln, um Körpersprache zu verstehen. Bereits in der Antike wurden verschiedene Gemüts­bewegungen eingeordnet. Zu dieser Zeit war Galenus 4-Säfte-Lehre hilfreich. Aus den Gesichtszügen konnten Ausdruckscodes für extreme Gefühle ermittelt werden, die in künstlerischen wie wissenschaftlichen Darstellungen Einzug hielten.

Darstellungen von Gemütszuständen und Gefühlen bezeugen die biologische und kulturelle Bedeutung für das menschliche Selbstverständnis. Sie verdeutlichen, wie Künstler und Wissenschaftler gleichermaßen unsere Interpretation von Situationen beeinflussen. Dabei wird auch deutlich, welche Irrwege beim Verstehen und Deuten von Geist und Bewusstsein beschritten wurden.

Aber auch geistige Abweichungen wurden wichtig zu erkennen. Man glaubte, dass diese bereits an körperlichen Merkmalen erkennbar wären. Zum Spektrum der faszinierenden Abweichungen gehörten ab dem 19. Jhd. die Untersuchungen der Kriminalanthropologie und Psychiatrie des Verbrechens. Erwähnt werden muss aber auch die Entwicklung einer rassistischen Physiognomik im letzten Drittel des 19. Jhd.

Der Expressionismus reagierte wie kein anderer Kunststil auf das Bildnis des psychisch Versehrten. Die Bedeutung der Träume und des träumenden Bewusstseins wurde sehr zeitig und bis heute zur bedeutsamen Fragestellung erhoben. 1900 erschien Sigmund Freuds „Traumdeutungen“. Damit war ein weiterer Punkt erreicht. Traumdeutung wurde als Weg der Selbsterkenntnis gesehen und das Surrealistische des Traums als Zentrum unbewusster Kreativität gedeutet. Hirnforschung heute befasst sich mit der Analyse des Traumbewusstseins. Es bleibt natürlich offen, ob die heute verfügbaren Techniken tatsächlich zu einer Verwirklichung der Utopien vom geteilten Träumen oder vom kontrollierten Träumen beitragen werden. Wird man eines Tages auch Träume sichtbar machen und betreten können, während sie noch geträumt werden?

Der letzte Raum zeigt „Seelenlandschaften- Methaphern des Geistes”. Die Komplexität und Funktionalität des menschlichen Geistes fasziniert seit Jahrhunderten Wissenschaftler, Philosophen und Künstler. Um das Phänomen fassbarer zu machen, übertrugen sie ihre Vorstellungen in Bildschöpfungen verschiedener Formen. Beeinflusst von kulturellen und technischen Entwicklungen wurden sie immer komplexer.

René Descartes' Philosophie beruht auf der Vorstellung, der Körper funktioniere wie ein Uhrwerk oder ein Automat. Wissenschaften und Künste griffen auf technische Errungenschaften zurück und diese fanden in viele Erklärungs­modelle Eingang. Seit der alltäglichen Verfügbarkeit der Elektrizität war der Vergleich des Gehirns mit einem elektrischen Schaltkreis naheliegend.

Ab den 1950er Jahren hatte sich die Vorstellung des Computers als elektronisches Gehirn durchgesetzt. Psychologisch wurde dies bedeutsam, weil menschlichem Verstand Bewusstsein zugeschrieben wird im Gegensatz zu den Arbeitsvorgängen in einem Computer.

Im Künstlerischen stellt die Landschaft eine der ältesten Metaphern für menschliche Bewusstseinszustände dar. Im 19. Jahrhundert begannen europäische Künstler, sich mit der Darstellung von Seelenlandschaften zu beschäftigen. Landschaftsmalerei eröffnete die Möglichkeit, Emotionen auszudrücken und den Geisteszustand des Künstlers zu vermitteln. Damit war gleichzeitig auf besondere Weise ein Dialog zwischen dem Betrachter und dem Abgebildeten möglich. Die chinesische Landschaftsmalerei ist dabei von besonderer Bedeutung, da sie sich von jeher der Sinnsuche und der Frage nach der Existenzberechtigung widmete.

Elke Schäfer
 

Deutsches Hygiene Museum: Images of The Mind / Bildwelten des Geistes aus Kunst und Wissenschaft. 23. Juli bis zum 31. Oktober 2011 / Mährische Galerie in Brünn / Moravská galerie v Brně: 8. Dezember 2011 bis 18. März 2012