Sonderausstellung über das Werk des Satirikers und gbs-Beirats im Düsseldorfer Stadtmuseum

Jacques Tilly liebt die Kawupptizität

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Jacques Tilly in der Ausstellung
Jacques Tilly in der Ausstellung

Im Düsseldorfer Stadtmuseum liegt Russlands Präsident Putin in einer etwa vier Meter großen Badewanne und nimmt ein Blutbad. Die leider immer noch aktuelle Großplastik des Wagenbauers Jacques Tilly aus dem Düsseldorfer Karnevalszug 2023 ist eines der Highlights der soeben eröffneten Ausstellung mit dem Titel "Jacques Tilly, Freigeist".

Jacques Tilly ist seit vielen Jahren Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung. Das Stadtmuseum Düsseldorf zeigt eine Retrospektive des Düsseldorfer Künstlers mit seinen weltberühmten Arbeiten zum Thema Kunst und Politik. Diese schmücken alljährlich die Titelseiten auch der Weltpresse, wenn einen Tag zuvor der Karnevalszug durch die Düsseldorfer Straßen gerollt ist.

Foto: © P. Kurz
Wladimir Putin in einer Badewanne voll Blut, Foto: © Peter Kurz

Das Düsseldorfer Stadtmuseum stellte ihn in der Ankündigung zu der Schau mit diesen Worten vor:

"Die Arbeit von Jacques Tilly ruht auf einem Fundament geistiger Auseinandersetzung mit wichtigen Traditionen des abendländischen Denkens. Zentral ist für ihn die Aufklärung, die den Menschen den Weg aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit gewiesen hat. Tilly versteht Aufklärung als einen Prozess, als Entwicklung hin zu einem selbstbestimmten Miteinander in einer offenen Gesellschaft. Er glaubt wie sein Landsmann Heinrich Heine fest daran, dass wir schon hier auf Erden glücklich sein können. Allen Kräften, die den Prozess der Aufklärung aufzuhalten oder zu behindern suchen, hat er den Kampf angesagt, seien es die Antidemokraten und Diktatoren, die übergriffigen Vertreter der Kirchen oder die Ideologen und Volksverführer. Dieser Kampf ist bei allem Spaß an der Freud auch die Basis für sein karnevalistisches Engagement. Jacques Tilly unterstützt zusammen mit seiner Frau, der Fotografin und Filmemacherin Ricarda Hinz, seit vielen Jahren die Arbeit der Giordano-Bruno-Stiftung, die sich die Verbreitung der Ideen der Aufklärung auf die Fahnen geschrieben hat."

Bei der Pressekonferenz am Freitag erzählte Tilly, dass mittelbar der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl "schuld" daran war, dass die Düsseldorfer Mottowagen sich in ihrer Bissigkeit so abheben von anderen Karnevalsumzügen. Es hatte eine einstweilige Verfügung des früheren Bundeskanzlers gegen einen Mottowagen gegeben, auf dem Kohl nackt und mit kleinem Geschlechtsteil dargestellt wurde. Wind davon hatte Kohl bekommen, weil damals – wie es heute noch in anderen Karnevalshochburgen der Fall ist – die Wagen schon vor Rosenmontag präsentiert wurden.

Per Gericht setzte Kohl durch, dass der Wagen so nicht gezeigt werden durfte. Doch Schlitzohr Tilly fand einen Ausweg, ließ aus einem Gartencenter Grünzeug besorgen, mit dem das Geschlecht des Kanzler bedeckt wurde. "Die Büsche waren aber leider", so sagt es Tilly augenzwinkernd, "nicht befestigt, als der Wagen losrollte. Sie fielen ab, und so ging die einstweilige Verfügung des Kanzlers ins Leere." Folge des Rechtsstreits war, dass seit dem Jahr 2000 strikte Geheimhaltung gilt. Niemand sieht die Wagen vor dem Rosenmontag.

Tilly findet es richtig gut, dass die Düsseldorfer Karnevalisten so angstfrei an die Sache herangehen. Das garantiere, "dass der Düsseldorfer Karneval seine Härte und Kawupptizität hat", sagt er. ("Kawupp" ist Ruhrgebietssprache und bedeutet so viel wie: heftig, mit Schwung.) Deshalb sei er immer noch motiviert. Und verspricht, noch ein paar Jahre weiterzumachen. "Mottowagenentwürfe werde ich zeichnen, so lange ich atmen kann."

Foto: © P. Kurz
Der scheidende Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Foto: © Peter Kurz

In der Ausstellung sind zahlreiche großformatige Fotos der Kunstwerke, aber auch diverse kleine und große Plastiken zu sehen. Eine zeigt Sahra Wagenknecht – auf ihrem Oberarm ist ein Herz mit Pfeil tätowiert. Darin der Name Putin. Auch Donald Trump, Karl Lauterbach, Olaf Scholz sind mit dabei und bekommen ihr Fett weg. Ein Genuss, all das mal nicht nur im vorbeirollenden Karnevalszug, sondern ganz aus der Nähe zu erleben.

Knapp 500 Exponate auf 500 Quadratmetern Ausstellungsfläche sind zu sehen. Die Werke, auch Großplastiken, sind übrigens nach Ende der Ausstellung im August käuflich zu erwerben. Preis Verhandlungssache. Wer sich also einen Donald Trump oder den blutbadenden Putin ins (große) Wohnzimmer stellen möchte…

Auf eine Journalistenfrage, ob es nicht seltsam sei, dass er, der kritische Satiriker, kürzlich vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) einen Verdienstorden des Landes bekommen hat und ob das nicht eine Art Seitenwechsel sei, wurde Tilly nachdenklich. (Der hpd hat über die Ordensverleihung berichtet.)

Gewiss, er sei in den 1980er Jahren sozialisiert worden, in der alternativen Bewegung, in der man prinzipiell gegen sehr Vieles gewesen sei, so Tilly. Gegen Atomkraftwerke, gegen die CDU, überhaupt gegen das System. "Doch jetzt erleben wir von rechtsextremer Seite einen sehr harten Generalangriff auf unsere demokratischen Werte und unseren bürgerlichen Verfassungsstaat, auf die Offene Gesellschaft. Daher haben sehr viele Satiriker die Seiten gewechselt. Wir stehen vor unserem System und verteidigen es. Wir sind von der Angreifer- in die Verteidigerrolle gewechselt und wehren uns gegen totalitäre Angriffe – weltweit."

Am Eingang der (noch bis zum 10. August 2025 zu sehenden) Düsseldorfer Ausstellung hängt eine große Tafel. Darauf die handgeschriebenen zehn Gebote, mit denen der Künstler sich und sein Team diszipliniert. Drei seien hier verraten:

"Regel 3: Die Pointe muss sofort verstanden werden, und zwar von Menschen jedes Bildungsgrades. Regel 8: Verhöhne die Täter, nicht die Opfer, manche Menschen sind aber beides. Regel 9: Geschmacksgrenzen werden nur überschritten, wenn's der Wahrheitsfindung dient." Ein Satz, der unterstreicht, wann Tilly sozialisiert wurde. Aus der Zeit der Studentenbewegung und Außerparlamentarischen Opposition hallte noch der subversiv-provokante Satz von Fritz Teufel nach. Mit einem "Wenn's der Wahrheitsfindung dient" war der Angeklagte 1967 der Aufforderung eines Richters nachgekommen, sich von seinem Platz zu erheben.

Foto: © P. Kurz
Großplastik von Josef Stalin, aufgestellt in der ehemaligen DDR, Foto: © Ricarda Hinz

Auch gbs-Beirätin Ricarda Hinz kommt in der Ausstellung mit ihrem kreativen Schaffen vor. Eine der Museumswände ist geschmückt mit einer Serie ihrer großformatigen Schwarz-Weiß-Fotos. Entstanden 1990 kurz nach dem Mauerfall bei einer Reise in die gerade untergegangene DDR. Auf Einladung der Bürgerrechtsbewegung Neues Forum. Im Gepäck hatten Hinz und Tilly eine Großplastik, die den verblichenen Stalin zeigt. Auch wenn die ehemaligen DDR-Bürger selbst das Ende des Stalinismus feierten, wussten die Menschen mit dieser Art von Satire, so erinnern sich Hinz und Tilly, nicht allzu viel anzufangen. Was auf den Bildern trefflich dokumentiert ist.

Auch soll im Rahmenprogramm der Ausstellung der Film "Kruzifix – kurz vor der Endzeit" von Ricarda Hinz gezeigt werden. Ein höchst lehrreiches, demaskierendes und unterhaltsames Stück über einen Kruzifix-Skandal im Düsseldorfer Karneval.

Übrigens findet sich im jüngsten bruno., dem Jahresmagazin der Giordano-Bruno-Stiftung, ein lesenswertes Doppelporträt über die beiden gbs-Beiräte Hinz und Tilly. Das Heft kann als PDF heruntergeladen oder als Print-Exemplar bestellt werden.„" 

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