WIEN. (hpd) Bis heute profitiert die katholische Kirche in Österreich finanziell von Regelungen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Und sie hat das seltene Kunststück fertiggebracht, sich doppelt entschädigen zu lassen. Aber die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit.
„Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen.“ Der Ausspruch des damaligen österreichischen Innenministers Oskar Helmer (SPÖ) über Entschädigungen für jüdische NS-Opfer galt jahrzehntelang. Nicht nur er war dafür. Zahlreiche Opfer haben erst in den vergangenen Jahren symbolische Entschädigungen erhalten. Manche Erben streiten bis heute über enteignete Kunstwerke. Auch für Zwangsarbeiter gab es erst nach dem Jahr 2000 Entschädigungen. Der internationale Druck auf die schwarz-blaue Bundesregierung hatte Wirkung gezeigt.
Nur bei der katholischen Kirche zog man nicht sonderlich in die Länge. Man musste auch nicht. Sie war bereits 1939 entschädigt worden, als die Nazis den so genannten Religionsfonds enteigneten. Aus ihm wurde bis dahin der Großteil der Personal-, Bau- und Erhaltungskosten der katholischen Kirche in Österreich bezahlt. Sofern nicht der Staat während Monarchie und I. Republik die Kirchen-Defizite ausglich. Das war auch Anfang der 1930er Jahre der Fall, als massive Sparprogramme Massenarbeitslosigkeit und Deflation nach sich zogen. Die Kirchenfinanzierung stand nicht zur Disposition. Für den klerikal-faschistischen Ständestaat, dem es finanziell nicht besser ging, war ein Ende der Kirchenfinanzierung ohnehin kein Thema.
Staatlich reorganisiertes Kirchenvermögen
Die ständige finanzielle Staatsversorgung der Kirche wurzelte in den Reformen des Habsburger-Kaisers Josef II. Der ließ die so genannten kontemplativen Orden auflösen, die nichts Nachweisbares für die Allgemeinheit leisteten. Das waren Stifte und Klöster, die weder Schulen noch Krankenhäuser unterhielten, sondern sich rein dem Seelenheil ihrer Mönche und Nonnen widmeten. Die Besitztümer dieser Orden wurden nicht enteignet. Sie flossen gemeinsam mit älteren Stiftungen 1782 in den Religionsfonds ein, der die finanzielle Basis für die Kirche bildete. Eine Form der staatlichen Reorganisation von Kirchenvermögen. Katholischerseits werden die Josefinischen Reformen bis heute gerne als „Enteignung“ dargestellt, wie etwa die Kirchenbeitragsstelle der Diözese Graz-Seckau schreibt: "1785: Kaiser Josef II enteignet zahlreiche Klöster und gründet einen Religionsfonds, durch den die kirchlichen Einrichtungen finanziert werden."
In groben Zügen kann man den Fonds mit den deutschen Staatsleistungen vergleichen. Zahlte in Deutschland der Staat direkt für enteignete Bischofsvermögen, bestritt hier das staatlich reorganisierte Vermögen die laufenden Ausgaben. Wie in Deutschland richtete sich die Kirche nur allzu gern in diesem finanziell gut ausgepolsterten Nest ein. Kritik, dass es auch eine finanzielle Abhängigkeit vom Staat gebe, wurde nicht groß laut. So mager war der Fonds auch wieder nicht bestückt, wie die Erzdiözese Wien schreibt: „Bis 1939 war das System der Kirchenfinanzierung aus Religionsfonds und Staatsmitteln in Österreich maßgebend. Beiträge (Umlagen) wurden nicht benötigt, weil der Staat aus seinem Budget das Defizit der röm. kath. Kirche deckte.“
Enteignung gegen Entschädigung
Die Frage wurde erst akut, als Österreich zur Ostmark wurde, aus einer Mischung aus Volksjubel und mehr oder weniger sanftem Druck durch die einmarschierte Wehrmacht. Die Nazis brauchten Geld. Viel Geld. Die Goldreserven der Nationalbank wurden schnell beschlagnahmt. Auch der Religionsfonds mit seinen Geldreserven und Grundstücken eignete sich als schnelle Finanzspritze. Ähnlich wie im „Alt-Reich“ erhielt die Kirche die Möglichkeit, sich über Zwangsbeiträge selbst zu finanzieren. Die Grundlage für den Kirchenbeitrag fand sich in der Gesetzgebung der k.u.k-Monarchie aus dem Jahr 1868. Das war eine sehr profitable Entschädigung, allerdings ohne so zu heißen. Hier wurde der Beitrag, anders als in Deutschland, nicht direkt vom Lohn abgezogen, die Kirche musste ihn im Zweifelsfall von einer bis heute sehr willfährigen Justiz eintreiben lassen. Aus Sicht des Klerus war die Sache eine ausgemachte Gemeinheit: „Mit der Absicht, der Kirche in Österreich einen vernichtenden Schlag zu versetzen, empfahl Gauinspektor Hans Berner in einem Brief am 6. Dezember 1938 dem damaligen Gauleiter von Wien, Josef Bürckel, die staatlichen Zuschüsse an die Kirche einzustellen und mit Gesetz ein Kirchensteuersystem zu schaffen, das eine Umlage unter den Pfarrmitgliedern vorsieht.“
Dass die Regelungen etwas ungünstiger ausfielen als in Deutschland war eher der Tatsache geschuldet, dass die Kirche sich ganz besonders als Komplizin des austrofaschistischen Regimes hervorgetan hatte, als einem ausgeprägten Antikatholizismus der Nazi-Nomenklatura. Den gab es kaum, wie man in Deutschland sah. Die vereinzelten Aktionen wie der HJ-Sturm auf das Erzbischöfliche Palais in Wien können eher als Abrechnungen mit dem alten Regime verstanden werden. Kardinal Theodor Innitzer galt trotz seines überschwänglichen Empfangs, den er den neuen Machthabern bereitet hatte, überzeugten Nationalsozialisten im Zweifelsfall doch eher als Heimwehrmann.
Die Nazis gehen, der Kirchenbeitrag bleibt
Nach 1945 wurde das System sicherheitshalber beibehalten. 1:1. Die Bemühungen, ein neues Gesetz zu erhalten, dürften sich trotz eines Entwurfs vom November 1945 in überschaubaren Grenzen bewegt haben. Das Geld floss ja. Bis heute finanziert sich die katholische Kirche vor allem über ein NS-Gesetz. Das dürfte allerdings nicht allzu streng ausgelegt werden. Theoretisch müssten nach diesem Gesetz die Diözesen ihre Budgetvoranschläge von der Regierung genehmigen lassen. Im Wesentlichen hat die katholische Kirche sogar das Recht, ihre Beiträge selbst festzulegen. Sie muss sie nur dem Kultusamt im Unterrichtsministerium melden. Dass der Kirchenbeitrag anstandslos als Gesetz der Republik betrachtet wurde, ist ein Hinweis, dass ihn die Politik nicht als ausgesprochenen Nazi-Anschlag auf die katholische Kirche sah. Gesetze, die einen eindeutig ideologischen Hintergrund hatten, waren automatisch aufgehoben.
Den letzten Versuch, ein eigenes österreichisches Gesetz zu beschließen, gab es 2009. Der erzkatholische BZÖ-Abgeordnete Ewald Stadler hatte den Antrag formuliert.
Seltsamerweise mutiert die Nazi-Gemeinheit Kirchenbeitrag in der kircheneigenen Darstellung plötzlich zum Garant für die finanzielle Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaft. "Die Rückkehr zur alten Kongrua war schon deswegen nicht möglich, weil die Religionsfonds nicht mehr bestanden und staatliche Zuschüsse aus dem Budget nicht zu erwarten waren. Außerdem war vor der finanziellen Abhängigkeit vom Staat dem funktionierenden Kirchenbeitragssystem der Vorzug zu geben", schreibt die Erzdiözese Wien.
Kirchliche Besitztümer, die das NS-Regime über den Religionsfonds hinaus enteignet hatte, wie das Stift Klosterneuburg, wurden großenteils unmittelbar nach Kriegsende zurückgegeben.