Auch in Österreich: Geld stinkt nicht

Die zweite Entschädigung

Der Religionsfonds wurde 1945 zum Bedauern vieler Kleriker nicht wieder errichtet. Die Besatzungsmächte sahen das als nicht sehr dringlich an, das Geld fehlte auch. Außerdem, so die Lesart vieler, war schon der Kirchenbeitrag eine Entschädigung. Was den österreichischen Klerus nicht davon abhielt, intensives Lobbying zu betreiben. 1960 hatte das Erfolg. Im so genannten Vermögensvertrag mit dem Vatikan verpflichtete sich die Republik, 40 Prozent der jährlichen Erträge des Religionsfonds als Entschädigung zu leisten.

„Artikel II. Die Republik Österreich wird der Katholischen Kirche im Hinblick auf den Wegfall der Dotierung des Klerus aus der ehemaligen Kongrua-Gesetzgebung, im Hinblick auf den Wegfall der öffentlichen Patronate und Kirchenbaulasten, zur Abgeltung der Ansprüche, die von der Katholischen Kirche auf das Religionsfondsvermögen erhoben werden, sowie in Anbetracht der Bestimmungen des Artikels VIII dieses Vertrages beginnend mit dem Jahr 1961 alljährlich folgende Leistungen erbringen:
a) einen Betrag von 50 Millionen Schilling,
b) den Gegenwert der jeweiligen Bezüge von 1250 Kirchenbediensteten unter Zugrundelegung eines Durchschnittsbezuges; als solcher wird der jeweilige Gehalt eines Bundesbeamten der Verwendungsgruppe A, Dienstklasse IV, 4. Gehaltsstufe, zuzüglich Sonderzahlungen und Teuerungszuschlägen angenommen.“

Der Betrag macht heute in Summe jährlich 40 Millionen Euro jährlich aus. Kolportiert wird meist nur der valorisierte Fix-Betrag, der zuletzt 17 Millionen Euro ausmachte. Dass sich der Rest an Beamtengehältern orientiert, ist eine Parallele zu den deutschen Staatsleistungen.

Mehr als 6.000 Hektar Grund für die Kirche

Der Vermögensvertrag sieht weitere Leistungen vor: „Artikel IV: (…) 1. Vermögen, das von einer kirchlichen Einrichtung aus welchem Titel immer am 13. März 1938 oder am 1.September 1959 benützt wurde, wie Kirchen, Pfarrhöfe oder Klostergebäude samt den dazugehörigen mit diesen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Grundstücken, Dotationsgüter und ähnliches, geht in das Eigentum der Katholischen Kirche über.
2. Zum Zweck der Erhaltung des in Ziffer 1 angeführten Vermögens erhält die Katholische Kirche forstlich genutzte produktive Liegenschaften mittlerer Art und Güte im Ausmaß von rund 5600 ha, welche von den österreichischen Bundesforsten derzeit für die Religionsfonds-Treuhandstelle verwaltet werden.
Artikel V: 1) Die Republik Österreich überträgt in das Eigentum der Erzdiözese Salzburg oder in das Eigentum einer vom Ordinarius der Erzdiözese Salzburg binnen eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Vertrages namhaft zu machenden juristischen Personen die Liegenschaften Einlagezahl 174, 183, 188, 209, 228, 236 und 477 des Grundbuches der Stadt Salzburg, Innere Stadt, sowie die Liegenschaft Einlagezahl 1772 des Grundbuches Aigen des Gerichtsbezirkes Salzburg.
(2) Der Erzbischöfliche Stuhl Salzburg erhält ferner aus dem Vermögen der Religionsfonds-Treuhandstelle in das Eigentum rund 560 ha forstlich genutzte produktive Liegenschaften mittlerer Art und Güte.“

Ausdrücklich halten die Vertragsparteien in Artikel I, Ziffer 4 fest: „Die Kirchenbeiträge werden weiter eingehoben; über ihre Erträgnisse kann die Katholische Kirche frei verfügen.“

Was die Vermutung nahelegt, dass man 1960 eine Verbindung zwischen enteignetem Religionsfonds und Kirchenbeitrag sah. Die katholische Kirche bestreitet das bis heute vehement. „Gleichzeitig mit dem Kirchenbeitragsgesetz beschlagnahmten die Nationalsozialisten die Religionsfonds ohne Entschädigung für die Kirche“, schreibt die Erzdiözese Wien auf ihrer Homepage. Die Pfarrei Tullnerbach in Niederösterreich interpretiert es so: „Die katholische, die evangelischen Kirchen A.B. und H.B, sowie die altkatholische Kirche bekamen „das Recht“, von den Gläubigen einen Beitrag einzuheben und dafür gingen die Religionsfonds in staatliches Eigentum über (ohne Entschädigung, versteht sich).“

Geld stinkt nicht

Die Behauptungen werden ungeachtet der Tatsache erhoben, dass der Kirchenbeitrag der katholischen Kirche seit 1939 mehr Geld eingebracht hat als es der Religionsfonds je hätte. Knapp 400 Millionen Euro lukriert die Kirche jährlich aus dem Kirchenbeitrag. 17 Millionen Euro sind es an Entschädigungszahlungen für den Religionsfonds. Legt man die Formel zugrunde, dass die Zahlungen 40 Prozent des jährlichen Fonds-Ertrags, gemessen am Jahr 1939, ausmachen, wird die Diskrepanz sehr schnell deutlich. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die bloße Inflationsanpassung die Erträge nicht so schnell steigen lässt, wie es sie es möglicherweise in einem gut geleiteten Fonds täten. Dafür, dass der Kirchenbeitrag nach kirchlicher Darstellung eine antikatholische Gemeinheit war, lebt man erstaunlich gut mit ihm. Mit der zusätzlichen Entschädigung aus dem Vermögensvertrag sowieso. Was die Kirche bis heute nicht daran hindert, sich als Nazi-Opfer darzustellen. Geld stinkt nicht. Aber die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit.

Die hier geschilderten staatlichen Leistungen sind nur ein Teil dessen, was die Republik Österreich jährlich an Subventionen und Steuerbefreiungen leistet. Insgesamt dürften die staatlichen Leistungen 1 bis 2 Milliarden Euro ausmachen.

Christoph Baumgarten