Zur Wissenschafts- und Philosophiegeschichte

Beispielbild
Jürgen Beetz / Foto: privat
Wie sieht Ihre Reise durch die Welt der bedeutenden Fragen der Menschheit aus?

Jürgen Beetz: Es werden viele klassischen Philosophie-Themen behandelt, zum Beispiel die Logik, Ursache und Wirkung, Wahrheit und Erkenntnis, Sprache und Denken, Wissen und Bildung, Gefühl und Verstand, der freie Wille, Ethik und Moral und der Sinn des Lebens. Und natürlich der ewige „Streit“ um die Erklärung der Welt: Wer „hat Recht“, Philosophie oder Wissenschaft?

Wittgenstein tritt auch auf...

Jürgen Beetz: Nicht persönlich – meine Helden halten in einem spanischen Dorf einen Vortrag über seine „Logisch-philosophische Abhandlung“. Niemand versteht etwas. Sancho Pansa muss Don Quijotes gelehrte Ausführungen erläutern. Wittgensteins Verknüpfung von Philosophie und Sprache ist zur Erklärung der Welt ja immens wichtig. Anschließend besaufen sich alle – im Wein liegt die Wahrheit.

Sie führen einen Rundumschlag durch alle Philosophie-Gebiete.

Jürgen Beetz: Das ist der Vorteil, wenn man von vielem wenig versteht – man kann über alles schreiben. Sogar über 300 Seiten, was der Verlag nicht gern gesehen hat.

 

Davon allein 40 Seiten mit Anmerkungen in Endnoten.

Jürgen Beetz: Auch das hat Cervantes hämisch kommentiert: „mit Notaten am Schluss des Buches, so voll von Aussprüchen des Aristoteles, des Plato und der ganzen Schar von Philosophen, dass sie die Leser in Staunen setzen und dass diese deren Verfasser für einen belesenen, gelehrten und wohlberedten Manne halten“.

Auch für Kalauer sind sie sich nicht zu schade.

Jürgen Beetz: Die großen und wichtigen Fragen des Lebens muss man auch manchmal mit einem Augenzwinkern betrachten. Nichts ist schlimmer als verbissener Dogmatismus.

 

Aber Sie selbst sind doch ein dogmatischer Wissenschaftler, ein realistischer Pragmatiker, ein fanatischer Materialist.

Jürgen Beetz: Ja und nein. Ein „dogmatischer Wissenschaftler“ ist ein Widerspruch in sich. Grundlage der Philosophie und der Wissenschaft ist der Zweifel. Erkenntnisse gelten für mich nur als wahr, wenn sie jedem vernünftigen Zweifel standhalten. Ich würde mich nicht mit philosophischen Fragen herumplagen, wenn ich nicht auch eine philosophische Seele in meiner Brust hätte. Da das Ihre Eingangsfrage nach den zwei Seelen in meiner Brust war, können Sie hier ja schlecht widersprechen.

 

Sancho Pansa erläutert seinem philosophischen Freund verschiedene Dinge oft mit einfachsten Gedankengängen. Halten Sie Philosophen für doof?

Jürgen Beetz: Das wäre ein trauriges Missverständnis. Damit zeige ich nur, wie wissenschaftliche Prinzipien im Alltag verankert sind. Und es gilt auch umgekehrt – Don Quijote erläutert ein ethisches, also philosophisches Dilemma an einem überfahrenen Hund.

Sie knüpfen ja alle Themen im Buch an Situationen des Lebens an…

Jürgen Beetz: Ja, meine beiden Helden reisen umher, erleben alltägliche Dinge und benutzen sie, um über grundsätzliche Probleme nachzudenken. Die innere Grundhaltung in Philosophie und Wissenschaft ist der Zweifel, also die Frage: „Ist das wirklich so?“. Der Zweifel sollte uns bis zu einem gewissen Grade immer begleiten, ob wir die Tagesschau sehen oder beim Arzt sind.

Immer und überall?

Jürgen Beetz: Nein, der absolute Zweifel ist die absolute Verzweiflung. Man muss Vertrauen in existenzielle Gewissheiten haben.

Aber wo liegt die Grenze zwischen dem berechtigten Zweifel und dem notwendigen Vertrauen in  Gewissheiten?

Jürgen Beetz: Ja, weiß der Teufel, wo die liegt. Das ist ja ein erkenntnistheoretisches Grundproblem. Es macht uns täglich zu schaffen, und viele fallen manchmal übel herein.

Nicht zu verzweifeln fällt ja schwer in unserer heutigen Welt.

Jürgen Beetz: Nicht nur da. Schon in Goethes „Faust“ verzweifelt sogar der „eingeteufelte“ Gelehrte.

Erklären Sie uns die Welt, bieten Sie in Ihrem Buch die ultimativen Weisheiten?

Jürgen Beetz: Nein, das versuchen ja viele philosophische Strömungen mit unterschiedlichen Ansätzen. Realisten behaupten, sie sei real. Konstruktivisten sagen, wir basteln sie in unserem Kopf. Empiriker wollen sie sinnlich erfahren und anfassen, Idealisten sehen sie als Abbild abstrakter Ideen. Jeder beansprucht die absolute Wahrheit für sich. Nur meine Helden finden die wahre Wahrheit heraus: Die Welt ist unterschiedlich. Mal so, mal so. Denn es gibt nichts, was es nicht gibt – und es gibt viele solche Paradoxien, mein Hobby. Sag niemals „nie“. Es gibt auch sehr vieles, was es wirklich nicht gibt. Die Philosophen würden es als „das Seiende“ und „das Nicht-Seiende“ bezeichnen. Kommen Sie noch mit?

Nein. Aber das scheint ja auch stellenweise ihre Absicht im Buch zu sein. Sie wollen die Komplexität und Offenheit der Welt zeigen. Ihr Komplexitätsoktopus…

Jürgen Beetz: Dieses Tier mit den vielen Fangarmen kann einem wirklich Angst machen und Unsicherheit erzeugen. „Alles ist mit allem verbunden“ – auch so ein kategorischer Satz, der nur zum Teil wahr ist. Esoteriker benutzen ihn gerne mit geheimnisvollem Raunen. Wahr ist aber, dass mehr mit mehr verbunden ist, als wir glauben. Das führt dann zu dem erstaunten Ausruf: „O, daran haben wir ja gar nicht gedacht!“. Ob bei der Finanzkrise oder bei einem Flughafen-Neubau…

Don Quijote kämpfte bekanntlich gegen Windmühlen, und Sancho Pansa war sein allzeit gehorsamer Diener. Gilt das auch symbolisch für Philosophie und Wissenschaft?

Jürgen Beetz: So boshaft bin ich nicht. Sancho hat sich emanzipiert und ist selbständig geworden. Und nun, in der modernen Zeit, finden sie wieder zueinander. „Wieder“, weil Philosophie und Wissenschaft seit den alten Griechen bis zum Anbruch der Moderne vereint waren. Jetzt wachsen sie wieder zusammen. Aber der Kampf gegen die Windmühlen ist ein schönes Gleichnis. Sie kämpfen beide – vermutlich vergeblich – gegen die Windmühlen der Dummheit und des Geschwätzes. Auch das vereint sie. Und so friedlich endet auch mein Buch – der Streit wird begraben. Sie setzen ihre PR-Tour für ihre Gebiete fort, bis in alle Ewigkeit. Denn sie sind ja unsterblich.

Falls nicht die gesamte Menschheit mitsamt ihrer Kultur untergeht.

Jürgen Beetz: Ja, das ist auch die Klammer meines Buches: woher wir kommen und wohin wir gehen. Umgangssprachlich und alltagstauglich präsentiert. Denn auch das sind Themen, die die beiden Vertreter der Fachgebiete diskutieren – unseren Ursprung und unser Ende.

 

„Ende“ ist ein gutes Stichwort. Herr Beetz, wir danken Ihnen beiden für das Gespräch.
Die Fragen stellte Martin Bauer.

 

Das Buch ist auch im denkladen erhältlich.