…und macht euch die Erde untertan!

Manatis des Atlantiks

Die Stadt Crystal River in Florida wird seit Jahren von Tauchern aufgesucht, weil die ausgedehnte Bucht ein Mekka für Fischer, Vogelfreunde, aber auch ein Paradies für Manatis ist. Jedes Jahr überwintern bei den 22 °C warmen Quellen 80 bis 100 Seekühe und ernähren sich von den Hydrilla-Bänken. Wenn sie die Pflanzen nicht abweiden, ruhen sie am Grund – oft auf dem Rücken liegend und die Flossen quasi verschränkt (!).

Alle fünf Minuten steigen sie zur nahen Wasseroberfläche auf, um zu atmen. Um das, was schon ein recht ruheloser Schlaf zu sein scheint, noch zu unterbrechen, knabbern Fische an Algen, die auf der Haut der Seekühe wachsen. Ich sah, wie ein dösender Manati mit der Flosse nach einem Fisch schlug, wie ein schlafender Mensch nach einer Mücke schlägt. Die Zeit, die nach Fressen und Dösen bleibt, wird für Wanderungen und Geselligkeit genutzt. Anfang März verlassen sie die Bucht bei Crystal River und zerstreuen sich über das ausgedehnte Netz von Floridas Kanälen, Flüssen und Küstengewässern.

Als ich mit der Kamera vom Boot ins Wasser gleite, beobachte ich aufmerksam die dunklen, seichten Stellen um das Quelloch herum. Etwa zwei Dutzend Manatis ruhen auf dem Grund um die wärmende Süßwasserquelle. Es ist Winter in Florida und den dort lebenden Rundschwanzseekühen ist es im Meer zu kalt geworden. Bei guter UW-Sicht reagieren einige scheue Tiere und schwimmen weg. Die meisten aber dösen weiter oder kauen an den Hydrilla-Algen, ihrer liebsten Nahrung im Süßwasser.

Einige wenige aber fangen an, mich zu umkreisen. Bislang habe ich nur den Dugong gesehen, und so wirken die größeren, bis zu 4,5 m langen Manatis bedrohlich. Doch dies hier sind freundliche Seekühe, die sich an den Menschen gewöhnt haben und deren Gesellschaft genießen. Der Kreis um mich wird enger, als zunächst ein Manati, dann ein anderer ganz dicht an mich herankommt und von mir gekratzt werden will. Während ich versuche, eine Kuh mit Kalb zu fotografieren, stößt mich ein Seekuhbulle beharrlich an und heischte nach meiner ungeteilten Aufmerksamkeit.

Der Blue-Spring-Nationalpark

Dieser Nationalpark liegt nördlich von Orlando, Florida. Hier überwintert auch eine Gruppe Manatis, die im St. Johns Fluss lebt. Man hat Blue Spring als Manati-Reservat ausgewiesen, in dem Menschen nur ein kleines Stück zum Schwimmen bleibt. Hier war bis vor einigen Jahren auch das Zentrum der amerikanischen Seekuh-Forschung: Die Wissenschaftler versuchten z. B. zu klären, wo die Manatis außerhalb des Winters leben. Mit Radiosendern versehen wurden ihre Verstecke an der atlantischen Küste aufgespürt.

Schätzungen um die Jahrtausendwende setzen Floridas Manatis-Bestände auf etwa 1.000 Tiere an. Wenn man bedenkt, dass jedes Jahr durchschnittlich 100 (oft durch Schiffspropeller) getötete Tiere gefunden werden, mögen Mahnungen berechtigt sein, dass die Rundschwanzseekühe von der Ausrottung bedroht sind. Zumindest ist an der westafrikanischen Küste eine eng verwandte Manati-Arten kaum noch zu finden. Bei all meinen Tauchgängen ist mir noch kein Meeressäuger begegnet, dessen Verlust schmerzlicher wäre als der der knuddelnden Seekühe!

William Beebe, ein großer Naturforscher, drückte die Tragödie der Ausrottung höchst überzeugend mit den Worten aus: „Wenn das letzte Individuum einer bis heute lebenden Rasse zu atmen aufgehört hat, müssen ein anderer Himmel und eine andere Erde kommen, bevor es ein solches wieder geben kann.'“

Helmut Debelius

Weidender Dugong (Rotes Meer) mit  juveniler Goldmakrele und zwei Schiffshaltern.