DRESDEN. (hpd) Wieder einmal gerät die noch nicht fertig gestellte Waldschlösschenbrücke in Dresden in die Schlagzeilen. Diesmal geht es aber nicht mehr um Bau oder Nichtbau oder Weltkulturerbe. Inzwischen hat man sich mit dem Bau abgefunden und die Brücke nimmt langsam Gestalt an, da denkt man an die „Verzierung” mit Heiligenstatuen.
Und nun meldet sich die katholische Kirche zu Wort (der Katholikenanteil beträgt hier in Sachsen 3,4% der Bevölkerung). Das katholische Bistum Dresden-Meißen möchte der Stadt Dresden eine mannshohe Figur des Heiligen Nepomuk für genau diese Brücke schenken.
Seit seiner Seligsprechung gilt der heilige Nepomuk als Schutzpatron der Brücken, gegen Wassergefahren und für Verschwiegenheit. Statuen des Heiligen stehen oft auf oder bei Brücken. Eine der bekanntesten findet sich auf der Prager Karlsbrücke, da dort Johannes Nepomuk 1393 von König Wenzel gefoltert und in die Moldau gestürzt wurde. Die Figur dieses Heiligen sollte nun auch zur Vorlage für eine moderne Metallskulptur dienen, die auf der Brücke stehend nachts durch LEDs zum Leuchten gebracht werden sollte.
Der an die Dresdner Kunstkommission eingereichte Vorschlag ließ in den Medien die Meinungswellen hochschlagen. Diskussionen an sich sind ja nicht schlecht und dass es Für und Wider gibt, auch nicht.
Jedoch druckte die Sächsische Zeitung (zugehörig zur Bertelsmann AG) am 7. September in ihrer Kultur-Seite einen Artikel ab, der es in sich hat. Titel: „Vergelt's Gott – Religionskritik muss sein. Aber wenn Gläubige nicht mehr ernst genommen werden, verkommt der Atheismus zur Ideologie”.
Der Autor Marcus Krämer lässt darin keinen Zweifel, was er von Religionskritik hält. Zwar meint er rhetorisch, dass er Religionskritik im Allgemeinen für richtig hält, aber was im Speziellen kritisiert werden darf, das wird ausgewählt. In Sachen Kritik wird alles herangezogen, was er irgendwo aufgeschnappt hat, aus dem Zusammenhang gerissen und in einen Topf geworfen. Angefangen von Missfallensäußerungen zur diskutierten Figur, über Beschneidungen bis hin zur Papstkarikatur und Vergleichen mit NS- und DDR-Diktatur. Er spricht generell von Religionsmobbing, wenn sich Gläubige außerhalb der Kirche äußern und von einem sich entwickelnden Vulgäratheismus. Offensichtlich hat er jetzt erst mitbekommen, dass sich Atheisten überhaupt äußern.
Er wundert sich im gleichen Artikel über die vehemente Diskussion zur Beschneidung von Jungen, wo das doch jahrtausendealte Tradition sei. Als ob es durch den traditionellen Gebrauch automatisch richtig wäre. Dass damit das Grundrecht der Kinder auf Unversehrtheit außer Kraft gesetzt wird, kommt ihm überhaupt nicht in den Sinn, auch nicht, dass es über den Religionen stehende Grundgesetze gibt, zumindest in Deutschland.
Dass sich in den letzten Jahren vermehrt Atheisten zu Wort melden und die rigorose Trennung von Staat und Kirche einfordern und sich auch Gehör verschaffen, bezeichnet er als „moderne Religionsverachtung, die den Gedanken der Aufklärung ins Gegenteil” verkehrt. Die Verdrehung der Tatsachen nimmt kein Ende! Er vergleicht dies dann gleich noch mit der Diktatur der Nazis und der DDR-Diktatur – alles auf einer Stufe!
Er ist sich auch nicht zu schade Jürgen Habermas zu zitieren, dass er den Neoatheisten „die Leviten gelesen” habe, indem er sagte dass es den säkularen Bürgern zugemutet werden müsse, religiösen Mitbürgern zu begegnet und diese ernst zu nehmen, sowie zu akzeptieren, dass sie sich öffentlich darstellen.
Entweder hat der Autor den Artikel nicht wirklich gelesen oder der Rest passte nicht ins Konzept. Denn Habermas' Interview in der Neuen Zürcher Zeitung vom 6.August 2012 bezog sich auf die Entwicklung in Ägypten und er sagte auch: „In einem säkularen Staat müssen sie [die religiösen Bürger] freilich auch akzeptieren, dass der politisch relevante Gehalt ihrer Beiträge in einen allgemein zugänglichen, von Glaubensautoritäten unabhängigen Diskurs übersetzt werden muss, bevor er in die Agenden staatlicher Entscheidungsorgane Eingang finden kann. ... Gerade in vitalen Religionen schlummert oft ein Gewaltpotenzial; dieses darf sich nicht an den Funken einer Weltanschauungsdynamik entzünden, die in der Zivilgesellschaft freigesetzt wird. Wenn die liberale Verfassungsordnung über einen bloßen modus vivendi hinaus Legitimität soll beanspruchen können, müssen sich grundsätzlich alle Bürger, auch die religiösen, von der Vernünftigkeit der Verfassungsprinzipien überzeugen können. Religionskonflikte werden diese gemeinsame Basis nur dann nicht angreifen, wenn die Glaubensüberzeugungen mit der Loyalität zu Verfassungsgrundsätzen nicht in Widerspruch geraten.”
Krämer spricht den Atheisten jegliche Toleranz ab, die aber die Religionen seit Jahrhunderten gelernt hätten.
Toleranz? An welcher Stelle? Wenn sich Atheisten überhaupt öffentlich äußern, wird es als Mobbing oder Religionsverachtung deklariert. Dass sie die Trennung von Staat und Kirche tatsächlich fordern, in den Schulen, bei den Finanzen, wird als unzumutbar angesehen. Dass sie die Aufdeckung der Missbrauchsfälle fordern, wird irgendwo „unter den Teppich gekehrt”. Dass sie die Rechte von Kindern vertreten ist nicht akzeptabel, wenn es die sogenannte Religionsfreiheit betrifft. Es gibt noch viele Beispiele für die Intoleranz der Kirchen!
Und wenn man bedenkt, dass nur etwa 24 Prozent der Bevölkerung in Sachsen einer der beiden großen Kirchen angehören, so muss man sich schon wundern, welche Meinungshoheit hier für die religiösen Mitbürger gefordert wird.
Zurück zu Nepomuk: Die Kommission der Landeshauptstadt hat vorerst den Vorschlag zur Aufstellung der Figur einstimmig abgelehnt.
Elke Schäfer