Für Nationalrat Dr. Harald Walser, Gymnasialdirektor und Bildungssprecher der Grünen, ist die Trennung von Staat und Kirche "eine der großen Errungenschaften seit der Aufklärung" während beide - Staat und Kirche(n) - "wichtige, aber eben eigene Aufgaben" haben. Staat und Kirche dürfen laut Walser nicht vermischt werden: "Gerade Österreich hat eine lange Tradition, in der diese notwendige Trennung nicht konsequent befolgt wurde. Das gilt insbesondere für die Schule". Eine Antwort auf fundamentalistische und demokratieverachtende Tendenzen in etlichen Religionsgemeinschaften könnte laut Walser ein verbindlicher Ethik- und ReligionENunterricht liefern. Dieser soll, so Walser, " ALLE Kinder nicht nur dazu bewegen, sich kritisch mit Weltanschauungen zu befassen sondern auch gemeinsam über gesellschaftliche Werte - etwa die Stellung der Frau, Toleranz oder Schwangerschaftsverhütung - zu diskutieren. Niemand soll indoktriniert werden, sondern ALLE sollen und müssen in der Schule zu einem Gedankenaustausch über unterschiedliche, miteinander oft unvereinbare Werthaltungen, animiert werden. In einer Gesellschaft mit wirklicher Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit ist es die Aufgabe des Staates, diese Auseinandersetzung zu fördern."
Der Verband Sozialistischer Student_innen (VSStÖ) spricht sich ebenfalls für eine klare Trennung von Religion und Ethik aus. " Der Ethikunterricht muss den Religionsunterricht vollständig ersetzen und von Lehrpersonen unterrichtet werden, die über eine Ausbildung verfügen und nicht einfach von der Kirche bestellt werden", stellt VSStÖ-Sprecher Patrick Pechmann klar. Für Pechmann "haben Schulen die Aufgabe, Schüler und Schülerinnen in ihrer Identitätssuche zu stärken und Toleranz zu vermitteln. Nur so kann Verständnis und Respekt vermittelt werden". Klare Vorstellung hat die VSStÖ auch bezüglich der Qualitätssicherung des Ethikunterrichtes: "Schüler_innen haben Lehrpersonen mit adäquater Ausbildung verdient. Lehrpersonen, die von der Kirche geschickt werden, können, per Definition, gegenüber sämtlichen Glaubensrichtungen sowie atheistischen Auslegungen nicht neutral bzw. objektiv sein. Um den Sinn von einem Ethikunterricht zu wahren, ist es wichtig, dass ein eigener Lehrstuhl und ein Lehramtsstudium für das Unterrichtsfach Ethik eingerichtet werden".
Elisabeth Blanik, Landtagsabgeordnete und Bildungssprecherin des Tiroler SPÖ-Klubs, schließt sich mit einer klaren Aussage den Forderungen der Plattform ebenfalls an: "Ethikunterricht für alle im Klassenverband und dafür den konfessionellen Religionsunterricht freiwillig am Ende des Unterrichtstages - das wäre für mich die beste Lösung!".
Unterstützung erhält die Plattform auch von der "Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien". Deren Obmann Christian Högl erwartet sich von einem für alle Schüler und Schülerinnen verpflichtenden Ethikunterricht die Vermittlung "allgemein vertretbarer Werte, wie Respekt für und Toleranz gegenüber allen Menschen, und zwar ungeachtet ihrer Weltanschauung, ethnischen Herkunft oder sexuellen Orientierung". Ein "Entweder-Oder"-Modell, das derzeit auch im Kern des Schulversuchs Ethikunterricht zu finden ist, lehnt Högl jedoch strikt ab, da dieses es Religionsgemeinschaften ermöglicht, sich "in Augenhöhe gegenüber dem Staat zu positionieren und zwar auch dann, wenn sie traditionell Menschenhass und die Ausgrenzung Andersdenkender gepredigt und praktiziert haben". Högl verweist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass es gerade religiös erzogenen Menschen oft besonders schwerfällt, ihre Homosexualität zu akzeptieren und sie aufgrund ihres Glaubens in schwere Gewissenskonflikte geraten, die in manchen Fällen sogar im Suizid enden. Ein verpflichtender Ethikunterricht könnte hier kompensatorisch wirken.
Prominente akademische Unterstützung
Für den ehemaligen Grazer Philosophieprofessor Gerhard Streminger sind alle zentralen Forderungen der Plattform "sehr plausibel". Insbesondere die von Religionsgemeinschaften und konservativen Kreisen behauptete Gleichwertigkeit von Religion und Ethik lehnt Streminger ab: "Wohl alle Religionen beschäftigen sich mit moralischen Grundfragen. Aber alle monotheistisch orientierten Religionen teilen noch eine weitere Gemeinsamkeit, nämlich den nicht eingelösten Wahrheitsanspruch ihrer Wertsysteme. Denn solange kein Beweis der Existenz Gottes gelingt und das Theodizee-Problem ungelöst ist - also die Frage: "Wenn es einen gütigen und barmherzigen Gott gibt, woher kommen dann die Übel, die Tsunami und Tumore beispielsweise?" - können Vertreter von Offenbarungsreligionen keinen begründeten, allgemeingültigen Ethikanspruch stellen."
Der auf Glauben basierte konfessionelle Religionsunterricht hat Streminger zufolge "in einer modernen und der Bildungs- und Wissensvermittlung verpflichteten Schule ohnehin nichts verloren, geschweige denn in seiner derzeit gelebten Vorrangsstellung gegenüber dem Ethikunterricht. Denn die allermeisten Menschen, wenn sie endlich einmal in Ruhe und ohne Zwang nachdenken, wollen wohl nicht, dass Kinder - i h r e Kinder - in einem Alter, in dem deren kritische Fähigkeiten noch nicht sehr entwickelt sind, mit absurden Glaubensgrundsätzen konfrontiert werden, die nicht nur weltfremd und sogar falsch sondern, wie insbesondere im Bereich der Sexualität, psychologisch bedenklich sind. Also: Es geht nicht um einen BEkenntnisorientierten Religionsunterricht, sondern um einen ERkenntnisorientierten, philosophischen, somit der menschlichen Vernunft verpflichteten Ethikunterricht, in dem aber unbedingt auch ReligionsWISSENSCHAFT unterrichtet werden sollte".
Die Frage, ob die Einfuhr eines verpflichtenden Ethikunterricht, gekoppelt an die Rückstufung des Religionsunterrichtes auf ein Wahlfach, nicht zu einem gefährlichen Abschied von einer altehrwürdigen Tradition führen würde, beantwortet Streminger stoisch gelassen: "Machen Sie sich keine unnötigen Sorgen: Die Philosophie ist wesentlich älter als das Christentum."
Initiative Religion ist Privatsache